Der Krieg um Somalia
Von Claudia Haydt*
Schon kurz nach dem 11. September geriet neben Afghanistan auch Somalia
ins Visier der „Allianz gegen den Terror“. Angeblich gibt es dort
Ausbildungslager und Unterstützer von Osama Bin Laden. Überzeugende
Beweise für international operierende und einsatzfähige Terrorzellen
liegen der Öffentlichkeit bis heute nicht vor.
Dennoch operieren seit Ende 2001 britische und US-amerikanische
Einsatzkräfte (1) in dem Land am Horn von Afrika. Vor der Küste von
Somalia und in Dschibuti patrouillieren seit Januar zahlreiche
Kriegsschiffe darunter die drei deutschen Fregatten „Emden“, „Köln“ und
„Bayern“ begleitet vom Tanker „Spessart“, Versorgungsschiffen und fünf
Schnellbooten. An Bord sind zur Zeit 1.250 Marine-Soldaten (nach
Bundestagsbeschluss können es bis zu 1.800 werden). In Dschibuti sind 50
deutsche Fallschirmjäger stationiert.
Faktisch haben sich in den letzten Jahren zwei autonome Teilrepubliken
(Somaliland und Puntland) weitgehend vom Rest Somalias losgelöst. Im
Sommer 1999 war unter Vermittlung der UN in Dschibuti von 3000
Stammesältesten ein Regierung bestimmt worden. Diese Regierung hatte und
hat nur wenig internationale Unterstützung und so gut wie keine
finanzielle Ressourcen (z.B. kein Geld für die Besoldung von
Staatsbediensteten oder Infrastrukturmaßnahmen). Das ist wohl ein
wichtiger Grund dafür, dass sie nur mäßig erfolgreich dabei war, sich
als zentrale Macht durchzusetzen. Dennoch waren (vor dem 11. September)
erste zaghafte Anzeichen für eine Verbesserung der Situation erkennbar:
Exil-Somalis kehrten zurück in ihre Heimat, es wurden wieder
Investitionen getätigt (Mobilfunkmasten, Hotels) und viele kleine
Betriebe wurden neu oder wieder eröffnet u.a. weil außerhalb Mogadischus
ein Hafen entstand.
Diese Entwicklung kam durch den „Kampf gegen den Terror“ nun fast
komplett zum erliegen. Wichtigster Faktor dabei war die Schließung der
Barakaat Bank über die fast alle Auslandsfinanztransaktion in Somalia
durchgeführt wurden. Ungefähr die Hälfte aller Somalis haben keine
andere Einnahmequelle als die Gelder, die sie von ihren Angehörigen im
Ausland erhalten. Die Barakaat Bank ist ein Mischkonzern und betreibt
u.a. eine Mobilfunkgesellschaft und ist der einzige Internetprovider
Somalias. Auch diese Zweige wurden stillgelegt. Grund dafür ist der
Vorwurf, die Barakaat Bank würde Terrorismus finanzieren. Die Bank
erhielt vor der Schließung keine Möglichkeit, zu den Vorwürfen Stellung
zu nehmen.
Der angebliche Feind in Somalia heißt „Al-Itihaad“, eine islamistische
Gruppierung, die 1997 nach Unruhen von separatistischen Somalis in
Süd-Äthiopien durch die äthiopischen Armee vernichtend besiegt wurde.
Beim Kampf gegen „Al-Itihaad“ war die äthiopische Armee nicht zimperlich
und sie führte zahlreiche Massaker auch in Somalia durch. Dass
„Al-Itihaad“ nun wieder erstarkt sein soll und eine Bedrohung für den
Weltfrieden darstellen soll, diesen Beweis blieben die USA und ihre
Verbündeten bis heute schuldig. Ein vorgebliches Trainingscamp erwies
sich als Waisenheim. Die einzigen größeren nachweisbaren Aktivitäten von
„Al-Itihaad“ sind solche im sozialen Bereich, wie das Betreiben von
Krankenhäusern, Schulen und Suppenküchen – Einrichtungen, die aufgrund
der desolaten Situation in Somalia bitter nötig sind.
Die Schließung der Barakaat-Bank macht nicht nur die Bankangestellten
sondern auch zahlreiche Händler arbeitslos und führt nach Einschätzung
des UN-Koordinators für Somalia zum totalen ökonomischen Kollaps.
Zahlreiche Warlords verweigern der neuen somalischen Regierung ihre
Unterstützung, diese Kriegsfürsten erhalten Waffen und Munition
überwiegend aus Äthiopien – allein 2001 kamen von dort 120 Tonnen
Munition und leichte Waffen (2).
Äthiopien scheint ein vereintes Somalia zu fürchten, da sonst
möglicherweise separatistische Tendenzen im Süden Äthiopiens gestärkt
werden könnten. Ein schwaches und von Äthiopien abhängiges Südsomalia
erscheint diesbezüglich weniger gefährlich und böte evtl. ein Chance für
Meer- und Tiefseehafenzugang – seit der Abspaltung Eritreas ist
Äthiopien Binnenland. Unter dem Deckmantel des Kampfes gegen Terror kann
Äthiopien seine Interessen deutlich besser und entschiedener umsetzen
und es tut dies im Einvernehmen und in Kooperation mit US- und
britischen Truppen. Es existieren zahlreiche Hinweise darauf, dass US-
und britische Truppen im Schatten äthiopischer Truppenbewegungen selbst
in Somalia aktiv waren. (3)
Neben vermuteten größeren Ölvorkommen in Somalia, gilt das
Hauptinteresse der US-Strategen besonders die militär- und
handelsstrategisch günstige Lage Somalias am Horn von Afrika: der
Tiefseehafen Berbera, von der Sowjetunion in den 70ern gebaut „ist einer
der besten im indischen Ozean. Der Flughafen hat eine der längsten
Pisten in Nordafrika.“ (4) Die USA hatten sich schon vor dem 11.
September um ein Basis in der Region bemüht, die Verhandlungen mit
jemenitischen Regierung für den Hafen Aden (Berbera liegt genau am
gegenüberliegenden Ufer des Golfs von Aden) scheiterten nach dem
Anschlag auf die USS Cole.
Rudolf Scharpings (später wieder dementierte) Äußerung, Somalia wäre
wohl das nächste Ziel des Anti-Terror-Kampfes, wird dort im Kontext der
Entsendung des deutschen Kontingents gesehen und als konkrete Bedrohung
verstanden. „Die Deutschen kommen!“ und „Wer es sich leisten kann hat
seine Familien außer Landes gebracht.“ (5) berichtete DIE WOCHE aus
Somalia.
Das Land erfährt z.Z. eine Destabilisierung auf allen Ebenen:
militärisch, ökonomisch und politisch. Jedes weiter militärische
Eingreifen (egal ob es sich um eine größere Invasion oder um kleinere
Kommandounternehmen handelt) wird die Lage weiter destabilisieren, die
Teilung Somalia zementieren und Bevölkerung noch tiefer in Armut
treiben. Nötig ist ein sofortiger Stopp der Waffentransfers nach
Somalia, internationale Hilfe beim Wiederaufbau der Infrastruktur und
beim Ausbau demokratischer Strukturen.
* Claudia Haydt ist Beirätin der Informationsstelle Militarisierung
(IMI), Soziologin und Religionswissenschaftlerin
Fußnoten:
(1) Britische Spezialtruppen in Somalia, Netzzeitung, 27.1.2002;
US-Aufklärer suchen Terrornester, Spiegel-online, 4.1.2002.
(2) Johannes Dietrich „Lasst uns in Frieden“, Die Woche, 11. Januar,
2002.
(3) „Somali Power Grap May Give Cover for U.S. Special Ops” ,
28.11.2001, www.stratfor.com
(4) „Port Extends U.S. Anti-Terror Reach”, 10.12.2001, www.stratfor.de
(5) Johannes Dietrich „Laßt uns in Frieden“, Die Woche, 11. Januar,
2002.
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