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NATO, Deutschland und die internationale Sicherheit

Von Peter Strutynski *

Zu früheren Zeiten sind Kriege meist im Herbst begonnen worden – als die Ernte eingebracht und die Vorratslager gefüllt waren. Heute gilt das offenbar nicht mehr: Von den vier großen Kriegen, die der Westen in den letzten 12 Jahren angezettelt hat, haben drei im März begonnen: Der NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999, der Irak-Krieg 2003 und soeben sind wir Zeuge eines neuerlichen Krieges gegen Libyen, dessen Verlauf und Ende von niemandem vorhergesagt werden können. Eine Ausnahme macht lediglich der Afghanistan-Krieg, der im Oktober 2001 begonnen wurde – der längte Krieg seit dem Afghanistan-Krieg der Sowjetunion und seit dem Vietnam-Krieg der USA.

Kriege können heutzutage jederzeit begonnen werden. Denn die Kriege werden – aus Sicht der Agggressoren – in fremden Ländern geführt – ohne dass die Gefahr besteht, dass sie in das Ursprungsland zurückkehren. Daher müssen auch keine Vorkehrungen zum Schutz und zur Versorgung der eigenen Bevölkerung getroffen werden. Der NATO-Krieg gegen Jugoslawien z.B. wurde geführt, ohne dass ein einziger NATO-Soldat zu Schaden gekommen wäre. Auf serbischer Seite dagegen wurden zahlreiche Todesopfer unter der Zivilbevölkerung gezählt, Brücken zerstört, Flüchtlingstrecks und Züge angegriffen, Klöster, Kirchen und andere Kulturdenkmäler zerstört, Krankenhäuser und Schulen dem Boden gleichgemacht und Botschaftsgebäude und Fernsehanstalten zerbombt.

Lassen Sie mich zu diesem letzten Punkt noch eine persönliche Anmerkung machen: Es war im April 1999, als NATO-Bomber das Gebäude der serbischen Radio- und Fernsehanstalt in Belgrad angriffen. Dabei wurden 16 Mitarbeiter des Senders getötet und ein immenser Sachschaden verursacht. Zweifellos handelte es sich dabei um einen Verstoß gegen die Genfer Konvention zum Schutz von Zivilpersonen. Dennoch wurde kein Verantwortlicher, kein NATO-Befehlshaber, kein Pilot für diese Tat zur Rechenschaft gezogen. Alle diesbezüglichen Versuche sind von der Justiz eingestellt oder niedergeschlagen worden. Die Tat interessierte weder den Internationalen Sondergerichtshof für das ehemalige Jugoslawien noch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Das empörendste aber war, dass später der Direktor des Senders, Dragoljub Milanovic, angeklagt und zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Sein angebliches Verbrechen bestand darin, dass er den Angriff nicht vorhergesehen und nicht rechtzeitig das Gebäude hatte räumen lassen. Doch ich frage: Wie konnte jemand damit rechnen, dass die NATO-Bomber eine zivile Einrichtung ins Visier nehmen würden?

Das Kasseler Friedensforum hat eine eigene Konsequenz aus dem Versagen der Justiz gezogen. Seit 10 Jahren unterstützen wir mit einem bescheidenen, aber regelmäßigen Geldbetrag die Ausbildung der sieben Kinder, deren Väter bei der Bombardierung des Rundfunk- und Fernsehsenders ums Leben gekommen waren. Wir haben die Aktion „Sieben Brücken“ genannt, weil sie unsere Verbindung zu den vom Krieg Betroffenen, den Opfern zeigt.

Der NATO-Krieg gegen Jugoslawien, bzw. gegen das, was zu jener Zeit noch von Jugoslawien übrig geblieben war, bedeutete eine Zäsur in der Geschichte der NATO und der Bundesrepublik Deutschlands. Erstmals in ihrer damals 40-jährigen Geschichte trat die NATO in einen Krieg ein – allerdings ohne sich verteidigen zu müssen, sondern um anzugreifen. Und zum ersten Mal beteiligte sich das größer gewordene Deutschland an einem Krieg auf einem Schauplatz, der bislang – einem Diktum des früheren Kanzler Helmut Kohl zufolge – für deutsche Soldaten Tabu sein sollte. Das war in der Tat ein gewaltiger Schritt aus einer Phase der außen- und militärpolitischen Zurückhaltung in eine neue Phase selbstbewusster politischer und militärischer Interessenvertretung.

Die Zeit des Kalten Kriegs war dadurch gekennzeichnet gewesen, dass die BRD in ihrem außenpolitischen Handlungsspielraum einerseits eingeschränkt war (es galten die alliierten Vorbehaltsrechte), andererseits als Partner der Westmächte durchaus gleichberechtigt auftreten konnte – wozu auch der wirtschaftliche Aufschwung wesentlich beitrug. Die letzten Reste der alliierten Vorbehalte wurden erst mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag und der deutschen Einigung beseitigt. Im Zwei-plus-Vier-Vertrag hieß es in Artikel 7: „Das vereinte Deutschland hat demgemäß volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten.“ Allerdings wurde Deutschland darauf verpflichtet, dass „von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird“ (Art. 2), dass es „auf Herstellung und Besitz von und auf Verfügungsgewalt über atomare, biologische und chemische Waffen“ verzichtet (Art.3) und dass die Personalstärke seiner Armee einen bestimmten Umfang nicht überschreitet (ebd.). Der Verzicht auf Massenvernichtungswaffen ist indessen keine wirkliche Beschränkung; sie gilt für alle Staaten, die den entsprechenden Rüstungskontrollregimen beigetreten sind (Atomwaffensperrvertrag, Konventionen über biologische und chemische Waffen). Und die besondere Friedensverpflichtung war in der Sache bereits im Bonner Grundgesetz enthalten, in dem es in Art. 26, Ziffer 1 heißt: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“

Es ist kennzeichnend für die Entwicklung des souveränen Deutschland, dass sich die wechselnden Bundesregierungen in ihren Außenbeziehungen weiterhin eine gewisse „Selbstbeschränkung“ auferlegten – im vollen Bewusstsein dessen, dass damit die Durchsetzung eigener „nationaler“ Interessen effektiver sei als im Alleingang. Der außen- und sicherheitspolitische Diskurs der frühen 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war geprägt von zwei Schlagworten: "Normalität" und "größere Verantwortung". Die neue Bundesrepublik sei ein ganz "normaler" Staat geworden, ohne besondere Privilegien, aber auch ohne jede Beschränkungen. Normalität wurde dabei, wie der Hamburger Friedensforscher Reinhard Mutz im "Friedensgutachten 1994" zeigte, vor allem außen- und militärpolitisch definiert. Da es zu den selbstverständlichen Merkmalen "normaler" souveräner Staaten gehöre, Streitkräfte zu unterhalten und sie gegebenenfalls auch einzusetzen, müsse man sich künftig an "exterritoriale deutsche Militäreinsätze" gewöhnen." Der „Normalitäts“-Begriff fungierte als „Suggestivformel, die einen fraglichen Sachverhalt als fraglos erscheinen“ ließ. Als normal oder allgemein üblich wurde ausgegeben, was andere „normale" Staaten etwa im Rahmen der NATO an "Frieden erzwingenden" (peace enforcement) oder "Frieden sichernden" (peace keeping) Maßnahmen bereits praktizierten: Im Golfkrieg 1991, in Somalia 1992-1994 und schließlich auf dem Balkan seit 1994/95. Die Intensität der deutschen Beteiligung an solchen Interventionen wurde schrittweise gesteigert von einer rein finanziellen Unterstützung (Golfkrieg) über die Bereitstellung von Aufklärungskapazitäten (AWACS-Einsätze in der Adria) bis zur Bereitstellung von Tornado-Kampfjets (Bosnien) und schließlich der aktiven Beteiligung an Kampfeinsätzen (gegen Jugoslawien 1999, in Afghanistan seit 2001).

Der zweite Begriff, der sich dem Normalitätsbegriff wie ein siamesischer Zwilling anheftete, hieß "Verantwortung". Ein größeres Deutschland könne und müsse nun auch eine größere Verantwortung für die Welt übernehmen, tönte es unmittelbar nach der deutschen Einigung. Das Grundsatzprogramm der CDU von 1994 beispielsweise trug den programmatischen Titel "Freiheit in Verantwortung". "Wir Deutschen sind bereit und in der Lage", heißt es dort, "unserer gewachsenen außenpolitischen Verantwortung gerecht zu werden. Deutschland muss wie alle anderen Partner ... an ... den gemeinsamen Aufgaben im Rahmen des NATO-Bündnisses teilnehmen... Wir wollen, dass sich Deutschland ... an Aktionen der UNO, NATO, WEU und KSZE zur Wahrung und Wiederherstellung des Friedens beteiligen kann." (CDU 1994, Ziffer 129) In der rot-grünen Koalitionsvereinbarung von 1998 wurde der Begriff in verschiedenen Richtungen konkretisiert als "besondere Verantwortung für Demokratie und Stabilität in Mittel-, Ost- und Südosteuropa", als Verantwortung der EU "gegenüber den Ländern des Südens", sowie als "besondere historische Verantwortung" bzw. "Verpflichtung" gegenüber Polen bzw. Israel. Die außenpolitischen Reden des späteren SPD-Bundeskanzlers Schröder strotzten geradezu vor "Verantwortung": Seine Bundesregierung, so betonte er in einer programmatischen Rede anlässlich des SPD-Programmforums "Sicherheit für Deutschland" im Januar 2002, habe "aus ihrer Verantwortung für die gemeinsame Sicherheit ...schrittweise und konsequent ihre Außenpolitik weiterentwickelt", eine Politik, die sich fast wie von selbst "aus unserer geografischen und politischen Lage im Herzen Europas, aus unseren Werten und Überzeugungen sowie aus unseren wohl verstandenen nationalen Interessen" ergebe. Die Regierung habe "internationale Verantwortung übernommen - politisch, diplomatisch, humanitär, aber eben, als ultima ratio auch militärisch -, wie ich es mir zu Beginn meiner Amtszeit nicht hätte vorstellen können."

Die Berufung darauf, dass Deutschland nach der historischen Wende nun auch ein „normaler Staat“ geworden sei, der eine entsprechende „Verantwortung“ zu tragen habe, reichte indessen für die Legitimierung von Kriegseinsätzen nicht aus. Hier mussten weitere Begründungen herhalten, die von der Verhinderung einer „humanitären Katastrophe“ (Kosovo) über die „uneingeschränkte Solidarität“ mit den USA nach dem 11.9. 2001 bzw. den Kampf gegen den Terrorismus (Afghanistan) bis zur Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten in fragilen Staaten (ebenfalls Afghanistan, Sudan) reichen. Ebenso häufig wird darauf verwiesen, dass Deutschland aufgrund seiner Einbindung in Bündnisstrukturen der „internationalen Gemeinschaft“ (UNO, NATO, EU) zum Engagement verpflichtet sei. Es ist interessant, dass die NATO im politischen Diskurs der USA eine sehr geringe Rolle spielt, während sie in Europa, insbesondere aber in der Bundesrepublik von zentraler Bedeutung ist. Die politische Klasse der USA braucht die NATO im Wesentlichen nur als Platzhalter für die US-Präsenz in Europa; ansonsten werden die Kriege des Westens gegen den „radikalislamischen“ Terrorismus selbstbewusst auch allein ausgetragen. Die Diskussion in Deutschland versteckt dagegen gern die deutsche Beteiligung an Militärinterventionen hinter der „Bündnissolidarität“.

Die beiden größten und skandalösesten Kriege, an denen sich Deutschland beteiligte und heute noch beteiligten, waren der Krieg gegen Jugoslawien 1999 und ist noch heute der Krieg in Afghanistan. Beide wurden angeblich aus „humanitären“ Gründen geführt. 1999 sollte eine humanitäre Katastrophe verhindert werden. Dazu wurden der deutschen Öffentlichkeit faustdicke Lüge aufgetischt: Von einem serbischen Vernichtungsplan der Kosovo-Albaner, dem sog. Hufeisenplan, war die Rede, von einem Racak-Massaker und sogar von „serbischen KZs“. Die wirkliche humanitäre Katastrophe trat aber erst ein, als die NATO am 24. März 1999 mit ihren Bombardierungen begann. Hunderttausende Kosovo-Albaner flüchteten in die angrenzenden Länder. Im Ergebnis des Krieges wurden rund zweihunderttausend Serben aus dem Kosovo vertrieben, wurde ein faktisches Protektorat des Westens errichtet und schließlich – gegen jedes Völkerrecht – ein unabhängiger Staat ausgerufen.

Mit Lügen war auch der Krieg gegen Afghanistan gepflastert. Ging es zunächst ausschließlich um die Organisierung dessen, was George W. Bush als Reaktion auf den 11. September 2001 den „Krieg gegen den Terror“ nannte, so wurden im Laufe der Zeit zusätzliche Begründungen für den Krieg nachgeschoben. Die ökonomische und politische Rückständigkeit des Landes waren das eine, was ins Feld geführt wurde, wenn die Interventionsmächte versprachen, Afghanistan „aufzubauen“ und demokratische Strukturreformen durchzusetzen. Die fast völlige Abwesenheit garantierter universeller Menschenrechte (Freiheit, soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung der Geschlechter, Recht auf Bildung usw.) legte es nahe, den Fokus auf den Menschenrechtsdiskurs zu legen. Eine prominente Rolle im Menschenrechtsdiskurs nahm die Stellung der Frau in Afghanistan ein. Sieht man sich die Berichte diverser Menschenrechtsorganisationen an (z.B. amnesty international, Human Rights Watch), so werden die häusliche Männergewalt gegen Frauen, die Zwangsheiraten minderjähriger Mädchen, die Bildungsdiskriminierung von Mädchen und Frauen sowie der Zwang zur Ganzkörperverschleierung thematisiert. Der Krieg wurde der Öffentlichkeit verkauft als Kampf um die Befreiung der Frau.

Das Ergebnis ist bis heute – nach fast zehn Jahren Krieg! – ein totales Desaster. Von Frauenrechten kann im Land keine Rede sein, die Analphabetenquote ist heute nicht geringer als vor 10 Jahren, die Jugendarbeitslosigkeit ist stark angestiegen, immer größere Teile der Bevölkerung leiden an Hunger und Mangelernährung und auch der Terrorismus konnte weltweit keineswegs eingedämmt werden. Das einzige, was blüht in Afghanistan, sind der Mohnanbau und die Korruption.

Vor wenigen Tagen haben die NATO-Staaten USA, Frankreich und Großbritannien mit einem Überfall auf Libyen begonnen. Eine Legitimation ziehen sie aus einer Resolution des UN-Sicherheitsrats [Res. 1973 (2011)]. Die aber ist mindestens ebenso problematisch wie der Krieg selbst. Die UNO-Charta, die entstanden war aus den Erfahrungen zweier schrecklicher Weltkriege, gibt ganz klare Antworten: Weder die "Anwendung" noch die "Androhung von Gewalt sind in den internationalen Beziehungen erlaubt (Art. 2, Abs. 4). Vom strikten Gewaltverbot gibt es drei Ausnahmen:
  1. Jeder Staat darf sich gegen eine militärische Aggression zur Wehr setzen (Verteidigungsrecht nach Art. 51).
  2. Im Falle einer "Bedrohung" oder eines "Bruch des Friedens", kann der UN-Sicherheitsrat Maßnahmen gegen einzelne Staaten ergreifen: Von Sanktionen bis hin zu militärischen Maßnahmen (Art. 39 bis 42). Die Maßnahmen müssen geeignet sein, "den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen".
  3. Des Weiteren kann der UN-Sicherheitsrat Maßnahmen anordnen im Falle von Völkermord oder massiven Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Um es ganz klar zu sagen: Keine der genannten Bedingungen ist im Fall Libyen erfüllt. Der UN-Sicherheitsrat hat gegen seine eigenen Prinzipien verstoßen. So wie die Befreiung der Völker von ihren Despoten eine ureigene Sache der Völker selbst, und nicht ausländischer Mächte ist, so sehr muss sich die Staatengemeinschaft bei internen Konflikten militärisch heraushalten. Es gibt viele andere Möglichkeiten, einem bedrängten Volk beizustehen. Und ich denke, die westliche "Wertegemeinschaft" hat Jahrzehnte lang keinen Finger gekrümmt um dem libyschen Volk zu helfen. Statt dessen hat man mit dem Machthaber Gaddafi Geschäfte gemacht, hat ihm Waffen verkauft und ihn noch vor gar nicht so langer Zeit mit Pomp und Ehren zu internationalen Gipfeln empfangen. Gaddafi hat viele Zivilisten auf dem Gewissen - nicht erst seit dem jüngsten Aufstand gegen ihn. Ich war von Anfang an gegen eine Militärintervention (und nichts anderes ist die Herstellung einer "Flugverbotszone"), weil sie im selben Atemzug, wo sie vorgibt, Menschen zu schützen, andere Menschen umbringt. Die Staaten, die sich zum Militärschlag gegen Libyen entschlossen haben, ergreifen in einem internen Konflikt Partei für eine Seite. Krieg ist eben kein Mittel zur Durchsetzung von Menschenrechten und Demokratie.

Und ein Militärpakt wie die NATO (und die Europäische Union, die mit dem Lissabon-Vertrag auch zu einem Militärbündnis geworden ist) ist auch nicht geeignet, Sicherheit zu stiften. Im Gegenteil. Schon die Gründung eines Militärbündnisses war ein problematischer Akt, der so gar nicht zu dem 1945 in San Francisco verabschiedeten Grundgesetz der neuen Staatengemeinschaft UNO passen wollte. Die UNO war als ein System kollektiver, das heißt auf Gegenseitigkeit beruhender Sicherheit aller Staaten gedacht und organisiert worden. Ein Militärpakt dagegen geht von aktuellen oder potenziellen Gegnern aus, ist also ausschließend (exklusiv) und nimmt in Kauf, dass die Ausgeschlossenen sich ebenfalls zusammenschließen. Beide – oder noch mehr - Seiten geraten also in das bekannte „Sicherheitsdilemma“, wonach die militärische Organisation des eigenen Schutzes zum Bedrohungsempfinden der anderen Seite beiträgt, die nun ihrerseits sich militärisch zu schützen versucht. So werden dann jegliche Rüstungsanstrengungen als Verteidigungs- oder „Nachrüstungs“-Maßnahmen dargestellt – und zwar auf beiden Seiten. Die Geschichte der NATO und des – erst 1955 gegründeten – Warschauer Vertrags legen beredtes Zeugnis von der Wirkungskraft dieses Sicherheitsdilemmas ab. Die NATO widersprach also von Anfang an den dem Geist der UN-Charta mit ihrem Prinzip des absoluten Gewaltverbots.

Die NATO ist spätestens nach der Auflösung des Warschauer Vertrags 1991 zum historischen Anachronismus geworden. Auf der Tagesordnung steht also heute kein weiterer Beitritt zur NATO, sondern ebenfalls deren Auflösung.

* Zur Person: Dr. Peter Strutynski, Politikwissenschaftler und Friedensforscher, bis 2010 An gestellter der Universität Kassel; Mitglied der AG Friedensforschung; Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag (einem unabhängigen Zusammenschluss deutscher Friedensinitiativen).

Dieser Beitrag beruht auf einer Rede, die der Autor bei einem Meeting des „Belgrader Forums für eine Welt der Gleichen“ am 23. März 2011 in Belgrad gehalten hat.


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