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Medwedjew mit magerer außenpolitischer Bilanz

Letztes Treffen des russischen Präsidenten mit US-Amtskollegen Obama beim Nukleargipfel in Seoul

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Trotz mancher Erfolge blieben noch viele komplizierte Fragen, an denen aber konsequent gearbeitet werde. So kommentierte Sergej Prichodko, außenpolitische Berater von Präsident Dmitri Medwedjew, dessen Treffen mit Barack Obama am Rande des Atomgipfels in Seoul.

Es war das letzte Treffen Medwedjews als Präsident mit seinem Amtskollegen. Beim G 8-Gipfel im Sommer in den USA wird Obama bereits mit dem neuen russischen Präsidenten am Verhandlungstisch sitzen: Wladimir Putin wird am 6. Mai für eine dritte Amtszeit vereidigt und hat nach Meinung vieler Beobachter auch während der vier Medwedjew-Jahre den Ton in Russlands Außenpolitik vorgegeben. Entsprechend dürftig fällt daher aus Sicht von Kritikern Medwedjews außenpolitische Bilanz aus. Zwar gilt er als Initiator für den Neustart der russisch-amerikanischen Beziehungen nach Obamas Amtsantritt 2008. Dazu gehört auch ein neuer Vertrag zur Begrenzung strategischer Offensivwaffen; und dieser wurde, anders als das START-II-Abkommen, auch von beiden Parlamenten ratifiziert. Doch behält sich Moskau ausdrücklich das Recht auf Kündigung vor, sollte es beim Raketenabwehrsystem, das die USA in Europa stationieren wollen, keine Einigung geben.

Russland fühlt sich durch das Projekt bedroht, und Medwedjew drohte mit Gegenmaßnahmen, etwa der erneuten Stationierung von Kernwaffen im Raum Kaliningrad. Verhandlungen um einen Kompromiss treten seit Monaten auf der Stelle. Hiesige Pessimisten fürchten ohnehin, Putin könnte nach seiner Rückkehr in den Kreml den gesamten Neustart der Beziehungen zu den USA rückgängig machen, vor allem wenn dort bei den Präsidentenwahlen ein Republikaner siegt.

Ähnlich glücklos war Medwedjew auch bei seinem zweiten großen Thema, einer euroatlantischen Sicherheitsgemeinschaft von Vancouver bis Wladiwostok. Weil sich deren Kompetenzen mit denen der NATO überschneiden und Russland interne Entscheidungen des westlichen Militärbündnisses per Veto blockieren könnte, sind Brüssel wie Washington nicht interessiert. Entnervt warf auch Medwedjew inzwischen das Handtuch: Er bedaure, dass NATO-Nichtmitglieder »sehr oft als heimliche Feinde betrachtet werden«, sagte er am Freitag auf einer internationalen Sicherheitskonferenz in Moskau. Bedauerlich sei auch, dass der Westen bisher keine alternativen Ideen für Sicherheit in Europa vorgelegt habe.

Auch bei den Bemühungen, die Rolle der UNO im internationalen Konfliktmanagement aufzuwerten und dabei Gewalt nur mit Mandat des Sicherheitsrats anzuwenden, war Medwedjew erfolglos. Zwar versucht Russland, seine Interessen per Vetorecht durchzusetzen. Vor allem dann, wenn es darum geht, einen Regimewechsel durch Gewaltanwendung zu verhindern, was aus russischer Sicht durch das Völkerrecht nicht gedeckt ist. Mehrheitsfähige Koalitionen kommen so allerdings nicht zustande. Schlimmer noch: Russland sieht sich häufig international isoliert, wie die Entwicklungen in Libyen, Syrien oder Iran zeigen.

Sie machten auch die begrenzte außenpolitische Souveränität Medwedjews deutlich. Er und Putin äußerten mehrfach das genaue Gegenteil, und ihre Sprecher mussten daraus dann eine konsolidierte Position machen. Selbst beim Krisenmanagement im postsowjetischen Raum kann Medwedjew keine nennenswerten Erfolge vorweisen. Kaum hatte er 2008 sein Amt angetreten, eskalierte der Konflikt mit Georgien sogar zum ersten regelrechten Krieg Russlands mit einer der einstigen Bruderrepubliken.

* Aus: neues deutschland, 27.03.2012


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