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Rußlands Rückkehr nach Amerika

Medwedew besuchte Peru, Brasilien, Venezuela und Kuba

Von André Scheer *

Der russische Präsident Dmitri Medwedew beendete am Freitag in Havanna seine einwöchige Lateinamerika-Reise. Moskauer Kommentatoren bewerteten Medwedews Vier-Stationen-Tour als Neuanfang von Rußlands Politik auf dem amerikanischen Teilkontinent. So sprach Alexander Pikajew vom russischen Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen im staatlichen Rundfunksender »Stimme Rußlands« von einer »Rückkehr unseres Landes auf den lateinamerikanischen Kontinent«. Diese geschehe »nach über fünfzehnjähriger Pause, die mit dem Zerfall der ehemaligen Sowjetunion verbunden war«.

Kritische Bilanz in Peru

Zunächst hatte Medwedew in Lima am Gipfeltreffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation (APEC) teilgenommen. Darauf folgte am selben Ort ein offizieller Besuch beim peruanischen Präsidenten Alan García, doch blieb auch der zweite Teil seines Lima-Aufenthalts recht arm an konkreten Ergebnissen. Medwedew analysierte kritisch: »Die gegenwärtigen bilateralen Beziehungen entsprechen nicht dem Potential beider Länder.« Doch seien Vorschläge, dieses zu ändern, erörtert worden.

Handfester waren die Ziele hingegen in Brasilien, der nächsten Station. Hier möchte Rußland die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Forschungseinrichtungen intensivieren und von den brasilianischen Erfahrungen in der Biokraftstoffproduktion profitieren. Die »strategische Partnerschaft mit Rußland« nehme konkrete Formen in Wirtschaft, Handel, Wissenschaft, Technik und der Energiebranche an, freute sich auch der brasilianische Präsident Ignacio »Lula« da Silva. Er prophezeite, daß der Handelsumsatz beider Länder bis 2010 auf zehn Milliarden US-Dollar anwachsen könne – unter anderem auch im Bereich der Weltraumforschung. Dabei rechnet Brasilien auf die Zusammenarbeit bei der Entwicklung seiner Trägerrakete VLS-1 sowie auf Hilfe bei der Personalausbildung. Medwedew kündigte für das kommende Jahr ein Gipfeltreffen von Brasilien, Rußland, Indien und China in Moskau an.

Die politisch interessanteste und von den USA besonders skeptisch beäugte Station Medwedews war schließlich Venezuela, wo er am Mittwoch fast zeitgleich mit einem Verband der russischen Nordflotte eintraf, der derzeit in den Hoheitsgewässern Venezuelas gemeinsame Übungen mit den venezolanischen Streitkräften durchführt. Als konkretes Ergebnis vereinbarten die russische Leasinggesellschaft »Ilyushin Finance Co.« (IFC) und das staatliche venezolanische Außenhandelsunternehmen Veximca die Lieferung russischer Verkehrsjets vom Typ Il-96-300, die Ende kommenden Jahres an Venezuela geliefert werden sollen. Ziel ist offenbar, eine Flugverbindung der staatlichen venezolanischen Fluggesellschaft Conviasa zwischen Moskau und Caracas einzurichten. Bislang fliegt die 2004 gegründete Gesellschaft vor allem Orte innerhalb Venezuelas und der Karibik an, wöchentliche Flüge gibt es aber auch nach Damaskus und Teheran.

Projekte mit Venezuela

Die vor wenigen Wochen vereinbarte Gründung einer gemeinsamen russisch-venezolanischen Bank soll innerhalb der nächsten zwei Wochen durch ein Regierungsabkommen festgezurrt werden, kündigte Medwedew an. »Wir messen der Gründung einer gemeinsamen Bank große Bedeutung bei«, betonte der russische Gast. Die Bank, an der von russischer Seite das Bankinstitut des staatlichen Energiekonzerns Gasprom beteiligt ist, soll gemeinsame russisch-venezolanische Projekte finanzieren und Ölgeschäfte abwickeln.

Als letzte Station seiner Reise traf Medwedew dann am Donnerstag zu einem Arbeitsbesuch in Havanna ein, wo er vom kubanischen Präsidenten Raúl Castro empfangen wurde. Wie die kommunistische Tageszeitung Granma berichtet, würdigten beide Staatschefs die »lange und feste Bruderschaft« zwischen beiden Völkern. Medwedew kündigte in den Gesprächen mit Castro eine Zunahme der russischen Investitionen auf der Insel an, während dieser ihm für die schnelle russische Hilfe bei der Beseitigung der Hurrikanschäden dankte.

* Aus: junge Welt, 29. November 2008


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