Ende der strategischen Partnerschaft?
Merkel und Putin kommen sich beim Gipfel in Samara nicht näher
Von Hans Voß *
Wenn das zweite EU-Russland-Spitzentreffen während der deutschen EU-Präsidentschaft überhaupt einen Erfolg zu verzeichnen hatte, dann der Fakt, dass es überhaupt stattfand.
Lange Zeit konnte man glauben, dass Angela Merkel die Forderung nach einer strategischen
Partnerschaft mit Russland ernsthaft vertritt. Obwohl in der deutschen Öffentlichkeit inzwischen
antirussische Sichten immer stärker ausgeprägt sind, obwohl auch in ihrer eigenen Partei solche
Tendenzen immer mehr an Boden gewinnen, bemühte sich die Kanzlerin um ein sachliches
Verhältnis zu Russland.
In jüngster Zeit scheint sie ihre Sachlichkeit aufgegeben zu haben. Das wurde besonders beim
jüngsten EU-Russland-Gipfel in Samara deutlich. Schon in seinem Vorfeld wurde von einer Krise in
den Beziehungen gemunkelt. Von einer möglichen Absage des Gipfels war die Rede. In Samara
selbst kriti-sierte Angela Merkel Vladimir Putin öffentlich. Nach Überzeugung der Beobachter brachte
die Kanzlerin bewusst ein neues Moment in ihr Verhältnis zum russischen Präsidenten hinein. Es ist
möglich, dass die deutsche Regie-rungschefin glaubt, als EU-Ratspräsidentin eine andere Sprache
sprechen zu müssen als bisher. Sie sollte aber daran denken, dass es in wenigen Wochen mit
diesem Vorsitz vorbei ist. Dann dominieren wieder die deutschen Interessen.
Jedenfalls war ihre öffentliche Kritik an der Unterbindung einer Demonstration in Samara höchst
unklug, bedenkt man, in welchem Umfang die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit in
Deutschland anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm beschnitten wird. Wen wundert's, dass
Putin genüss-lich auf diesen Umstand hinwies. Aber was schwerer wiegt, Angela Merkel hat das
Verhältnis mit Vladimir Putin ernsthaft aufs Spiel gesetzt.
Beim Treffen in Samara machte der russische Präsident den Westen für erkennbare atmosphärische
Störungen verantwortlich. Wenn die EU Russland deswegen kritisiert, dass sie einige EU-Staaten
wie Polen, Litauen und Estland unfreundlicher behandele als andere und eine Gleichbehandlung
fordert, dann wird eine Entwicklung sichtbar, die ernsthafte Konsequenzen haben kann. Abgesehen
davon, dass die EU keine gemeinsame Außenpolitik hat, es für dritte Staaten keinen gemeinsamen
Bezugspunkt gibt, misst man in Berlin und Brüssel offensichtlich mit zweierlei Maß. Einerseits
beschwört die Kanzlerin, dass Russland Fragen seiner Beziehungen mit einzelnen EU-Staaten mit
Brüssel verhandeln müsse (womit sie antirussische Tendenzen in einigen osteuropäischen Staaten
de facto toleriert). Andererseits zählt die Betonung enger Partnerschaft in der EU nicht, wenn es
darum geht, von Russland als Bedrohung aufgefasster militärischer Schritte einzelner EU-Staaten zu
unterbinden. Trotz kritischer Stimmen in der EU gegen Raketenstationierungspläne der USA in
Polen und Tschechien unternimmt die Gemeinschaft nichts, um mit einer Stimme zu sprechen. Sie
bemüht sich nicht um eine Position, die entspannungsfördernd wirken könnte.
Kurzum: Im Verhältnis der EU zu Russland stimmt einiges nicht. Man muss sich fragen, warum
Schwierigkeiten geschaffen und potenziert werden. Warum wird die öffentliche Meinung auch in
Deutschland auf einen antirussischen Kurs geführt? Handelt es sich um eine machtpolitische
Reaktion auf ein wieder-erstarktes Russland? Macht sich irgendjemand Hoffnung, dass man mit
Russland allein von einer Position der Stärke erfolgreiche Politik machen kann? Hat man Präsident
Putin bereits abgeschrieben und bereitet seinen Nachfolger vor?
Wie dem auch sei, es wäre angebracht, innerhalb der EU und in der deutschen Regierung das
Verhältnis zu Russland einer selbstkritischen Prüfung zu unterziehen. Jede weitere Zuspitzung
schadet nur. Dazu sind die Interessen der EU-Staaten mit Russland zu sehr verwoben!
* Aus: Neues Deutschland, 21. Mai 2007
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