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Jahresrückblick 2009: Die zehn wichtigsten Ereignisse in Russlands Armee

Eine Übersicht der Russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti *

RIA Novosti hat die nach ihrer Ansicht zehn aufsehenerregendsten Ereignisse des scheidenen Jahres in der russischen Armee zusammengefasst.

Die beginnende Reform der russischen Armee und die damit verbundenen Maßnahmen standen 2009 im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit. Zugleich wurden Themen erörtert wie die operativ-strategischen Übungen, vor allem die russisch-weißrussische Übung "Sapad 2009" (Westen 2009), die Teststarts der ballistischen Bulawa-Rakete, der mögliche Kauf des französischen Helikopterträgers "Mistral" und von 64 Sukhoi-Flugzeugen für Russlands Luftwaffe.

Unter den tragischen Ereignissen in der russischen Armee seien die Explosionen im 31. Arsenal der Kriegsmarine in Uljanowsk, der Absturz einer Tu-142-Maschine der Pazifikflotte und der Tod von Igor Tkatschenko, Kommandeur der Kunstfluggruppe "Russkije Witjasi" (Russische Recken), genannt.

ERSTE ETAPPE DER REFORM DER STREITKRÄFTE RUSSLANDS

Das russische Verteidigungsministerium hat bis zum 1. Dezember die meisten organisatorisch-strukturellen Maßnahmen abgeschlossen, die den Streitkräften ein neues Antlitz geben sollen. Die durch das Verteidigungsministerium und den Generalstab getroffenen Maßnahmen haben es ermöglicht, die Lenkung der Streitkräfte wesentlich zu vereinfachen. Russlands Luftwaffe hat seit 1. Dezember sieben operative Kommandos, die sich aus Luftstützpunkten und Brigaden der Luft- und Luftraumverteidigung zusammensetzen.

Die im Herbst vorigen Jahres gestartete Reform sieht eine neue militärische Struktur, die Reorganisation der Organe der militärischen Zentralverwaltung, die Verringerung der Zahl der Offiziere und Generäle, die Abschaffung der Fähnriche in Armee und Flotte und die Einrichtung einer Schnellen Eingreiftruppe vor.

IRRFAHRT DER "ARCTIC SEA"

Der Trockenfrachter "Arctic Sea" mit 15 russischen Seeleuten verschwand Ende Juli auf dem Weg von Finnland nach Algerien auf geheimnisvolle Weise und wurde erst am 16. August im Atlantik, unweit des afrikanischen Inselstaates Cabo Verde, durch das russische Küstenschiff "Ladny" aufgefunden. Laut Ermittlungsangaben wurde die "Arctic Sea" von acht Personen aus Estland, Lettland und Russland gekapert.

Die Operation zur Befreiung der Besatzung wurde von der russischen Schwarzmeerflotte durchgeführt, anschließend arbeiteten an Bord des Schiffs russische Ermittler. Die Festgenommenen werden des Piratentums und der Menschenentführung bezichtigt, worauf Freiheitsentzug bis zu 20 Jahren steht.

TRAGISCHER TOD EINES KUNSTFLIEGERS

Während der Generalprobe vor dem Luftfahrtsalon MAKS 2009 verunglückten am 16. August zwei Su-27-Jäger. Einer davon stürzte auf eine Datschensiedlung bei Moskau ab.

Vier Menschen wurden verletzt, eine Frau starb später im Krankenhaus. Bei dem Flugzeugunglück kam der mehrfach ausgezeichnete Kommandeur der Kunstflugstaffel "Russkije Witjasi", Igor Tkatschenko, ums Leben. Tkatschenko war der Chef der bei den Russen sehr beliebten Kunstflugstaffel, die bei verschiedenen Shows brillierte, darunter bei den Siegesparaden auf dem Roten Platz in Moskau.

Die Flüge der Su-27-Maschinen der "Russkije Witjasi" und der MiG-29-Flugzeuge der Staffel "Strischi" (Segler), die die Paraden abschlossen, brachten die Schaulustigen ins Staunen. Die Untersuchung des Absturzes der Su-27 geht weiter, in Betracht kommen diverse Versionen, in erster Linie wird als Grund ein menschliches Versagen genannt.

KAUF VON MISTRAL-SCHIFFEN

Russland will von Frankreich einen Mistral-Helikopterträger sowie die Technologie für den Bau von weiteren etwa vier Schiffen dieser Klasse kaufen. Die Arbeitsgruppen beider Länder verhandeln über den möglichen Erwerb eines universellen Landungsschiffs der Mistral-Klasse für die russischen Seestreitkräfte. Am interessantesten sind dabei gerade die Schiffbau-Technologien, die es den Unternehmen der russischen Rüstungsindustrie den Bau solcher Schiffe ermöglichen würden.

Der Helikopterträger wird laut Angaben der französischen Medien 400 bis 500 Millionen Euro kosten. Das Schiff soll auf der Werft STX France in der Stadt Saint Nazaire (Atlantikküste) gebaut werden. Der eventuelle Ankauf von Schiffen dieser Klasse, vor allem aber von Industrietechnologien wird auch mit den Niederlanden und mit Spanien besprochen.

GESCHEITERTE BULAWA-STARTS, KIELLEGUNG DER BOREJS

Das Atom-U-Boot "Dmitri Donskoj" hat am 9. Dezember eine Bulawa-Rakete aus Unterwasserlage gestartet. Der Start scheiterte aber wegen eines technischen Fehlers: Das Triebwerk der dritten Stufe funktionierte nicht richtig. Zuvor waren elf Teststarts unternommen worden, nur fünf von ihnen waren als erfolgreich eingestuft worden. Der vorhergehende Fehlstart hatte am 15. Juli dieses Jahres stattgefunden. Damals zerfiel die Rakete von selbst, als die erste Stufe unerwarteterweise losging.

Der nächste Test des seegestützten Raketensystems könnte im Januar 2010 oder Anfang Sommer stattfinden. Zuvor wird eine staatliche Kommission den gesamten technologischen Produktionszyklus der Rakete, an dem etwa 650 Rüstungsunternehmen beteiligt sind, noch einmal prüfen.

Die Interkontinentalrakete Bulawa-30 ist für das neue U-Boote der vierten Generation der "Borej"-Klasse (Projekt 955) gedacht.

Die Kiellegung des vierten Atom-U-Bootes der "Borej"-Klasse mit dem Namen "Swjatitel Nikolai" war für den 22. Dezember im Werk Sewmasch in Sewerodwinsk geplant. Doch wegen technischer und organisatorischer Gründe wurde die Kiellegung auf das erste Vierteljahr 2010 verschoben. Dabei beteuerte das russische Verteidigungsministerium, dass der geplante Bau der Projekt-955-U-Boote weitergehen werde.

MANÖVER "SAPAD 2009"

Der Höhepunkt der Truppenausbildung war eine Serie von operativ-strategischen Übungen, die nicht nur in verschiedenen russischen Regionen, sondern auch außerhalb des Landes stattfanden. Dazu gehören die Manöver "Kaukasus 2009", "Ladoga 2009", "Sapad 2009" ("Westen") und "Wsaimodejstwije 2009" ("Zusammenarbeit"). Die vielfältigsten war die russisch-weißrussische Militärübung "Sapad 2009", die in beiden Ländern vom 18. bis zum 29. September durchgeführt wurde.

An der Übung nahmen etwa 12 500 Militärs aus beiden Ländern teil, etwa 6000 aus Russland und rund 6500 aus Weißrussland. Auch waren 40 Flugzeuge und 200 Maschinen im Einsatz.

Dutzende Schiffe der Schwarzmeer-, Nord- und Baltischen Flotte waren ebenfalls an der Übung beteiligt. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte anschließend, dass die Militärübungen "Sapad 2009" an der Grenze der baltischen Länder in Weißrussland kein Mitgliedsland der Allianz bedroht hätten.

ABSTURZ EINES TU-142-FLUGZEUGS DER PAZIFIKFLOTTE

Ein Tu-142-Fernflieger der U-Boot-Abwehr der Pazifikflotte verunglückte am 6. November bei einem Übungsflug im Tatarensund. Elf Personen befanden sich an Bord. Die Crew gilt als verschollen.

Eine Kommission des Verteidigungsministeriums hat drei Versionen zu dem Unfall: Aussetzen der Maschinen, menschliches Versagen und Vögel im Triebwerk. Ein Strafverfahren wegen Verletzung der Flug- oder Flugvorbereitungsvorschriften ist eingeleitet worden. Die Suche nach den Flugzeugresten und deren Bergung geht weiter. Sie kann aber unterbrochen werden, wenn der Sund einfriert. Die Familien der Piloten bekamen Unterstützungsgelder.

EXPLOSIONEN IN ULJANOWSK

Am 13. November ereignete sich ein Unfall im 31. Arsenal der Marine in Uljanowsk. Nach einem Brand in einer Lagerhalle explodierte die Munition. Zwei Soldaten kamen ums Leben, 60 wurden verletzt, sechs mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Einige Tage nach dem ersten Vorfall detonierte bei der Verladung der heil gebliebenen Munition wieder ein Geschoss. Acht Soldaten kamen ums Leben, zwei wurden verletzt.

Nach vorläufigen Angaben geschah der Unfall bei der Entsorgung der Munition. Drei Hallen des 31. Marinearsenals brannten aus. Das Arsenal erklärte, es wolle 580 Mitarbeiter entlassen. Das Verteidigungsministerium versprach seinerseits, nach der Prüfung der Lagerhallen und Arsenale Personalentscheidungen zu treffen. Die Prüfung ist bereits im Gange. Das Ministerium plant auch, gefährliche Munitionen aus den Lagern in den Großstädten wegzubringen und sie in nicht entzündbaren Verpackungen zu kaufen.

64 FLUGZEUGE FÜR DIE LUFTSTREITKRÄFTE

Die russischen Luftstreitkräfte und der Flugzeugbauer Sukhoi haben im August bei der Moskauer Luft- und Raumfahrtmesse MAKS drei Staatsverträge zur Lieferung von 64 Jagdflugzeugen an die Streitkräfte unterzeichnet. Nach den Dokumenten sollen die Luftstreitkräfte 48 Su-35S-, 12 Su-27SM- und vier Su-30M2-Maschinen erhalten. Die Su-35-Maschinen sollen bis 2015, die Su-27SM und die Su-30M2 im Zeitraum zwischen 2010 und 2011 in den Truppendienst gestellt werden. 2008 hatten das Verteidigungsministerium und Sukhoi einen Vertrag zur Lieferung von 32 Su-34-Frontbombern an die Luftstreitkräfte unterzeichnet.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 29. Dezember 2009; http://de.rian.ru


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