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Donau entzweit Rumänien und Ukraine

Streit um die Grenzziehung im Delta

Von Denis Grigorescu, Bukarest *

Die Grenzstreitigkeiten zwischen der Ukraine und Rumänien haben alle Zutaten, die man für einen ausgewachsenen internationalen Konflikt braucht. Erst kürzlich befasste die Regierung in Kiew die Europäische Union damit, obwohl man wenig Hoffnung hat, dass sich die EU in den Streit ihres Mitglieds Rumänien einmischt, das von einem »Sturm im Wasserglas« spricht.

Die Ukraine hat im Territorialstreit allenfalls Russland auf ihrer Seite. Im vergangenen Jahr hat Kiew zwar vor dem Haager Gerichtshof eine Klage auf Abtretung einiger Gebiete am Schwarzen Meer durch Rumänien verloren. Aber das Urteil wurde in der Ukraine als unfair empfunden und man verlagerte den Streit in das Donaudelta.

Dort sollte eigentlich Klarheit herrschen. Denn nach den von beiden Staaten unterzeichneten Dokumenten verläuft die Grenze in der Mitte des breiten Hauptarms der Donau zwischen der rumänischen Insel Babin und der ukrainischen Insel Maikan. Seit dem Frühjahr heißt es nun aus diplomatischen Quellen, Rumänien erhebe Ansprüche auf Maikan.

Anlass dafür ist die natürliche Verlagerung des Wasserflusses. Wegen der veränderten Strömung müssen Schiffe jetzt auf der ukrainischen Seite zwischen Maikan und dem ukrainischen Festland vorbeifahren. Damit habe sich die Flussmitte - und damit die Grenze - verlagert, meinen die Rumänen. Folgte man dieser Argumentation, müsste die Ukraine die Flussinsel Maikan aufgeben, was in Kiew selbstverständlich abgelehnt wird. Der ukrainische Abgeordnete Gennadi Zadirko machte deutlich: Rumänien braucht den Schiffsweg, nicht die Insel. Die hatte Rumänien nach dem Abkommen von Jalta 1945 an die damalige Sowjetunion abtreten müssen, mit einigen anderen Eilanden im Fluss.

Im April waren Verhandlungen beider Staaten auf diplomatischer Ebene geführt worden, ohne abschließendes Ergebnis. Die Ukraine wirft Rumänien nun eine »Guerilla-Taktik« vor. Denn im Mai und Juni wurden auf rumänischer Seite einige Dämme geöffnet, um den rumänischen Donau-Arm mit mehr Wasser zu versorgen und wieder schiffbar zu machen. Dadurch wurden aber auch ukrainische Uferzonen überschwemmt.

Bei einem Treffen mit EU-Regionalkommissar Johannes Hahn beschwerte sich der ukrainische Regierungschef Mykola Asarow über die Veränderung, durch die Rumänien den Schiffsverkehr wieder in seine Häfen lenken wolle. Der EU-Kommissar nahm in der Sache selber nicht Stellung, betonte aber die Notwendigkeit einer einvernehmlichen Regelung.

Vitali Kulik, ein ukrainischer Experte für Fragen des Donaudeltas, meinte, an diesem Gebietsstreit habe auch eine »dritte Seite« Interesse. Zwar wollte er die nicht näher benennen, aber in der Ukraine glaubt man, dass hinter dem Streit zwischen Kiew und Bukarest die Interessen Russlands auf der einen und der USA auf der anderen stehen. Rumänien hat sich bisher stets als offensiver Interessenvertreter Washingtons in Europ verstanden.

* Aus: Neues Deutschland, 26. Juli 2010


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