Basescu sieht sich als Retter Rumäniens
Zwei Monate vor der Präsidentenwahl zerbrach die Regierung in Bukarest
Von Anton Latzo *
Nachdem sich die Sozialdemokratische Partei (PSD) in der vergangenen Woche aus der Bukarester
Regierung zurückgezogen hat, steckt Rumäniens Politik knapp zwei Monate vor den
Präsidentschaftswahlen – wieder einmal – in einer Krise.
Am 22. November, spätestens aber in der Stichwahl am 6. Dezember möchte Rumäniens Präsident
Traian Basescu für eine zweite Amtszeit gewählt werden. Allerdings zögerte er lange, seine
Kandidatur anzumelden. Die Zeitung »Ziua« vermutete schon, Basescu warte, bis ihn »das breite
Volk« um eine Kandidatur bitte, auf dass er das Land rette. Durch Vorschläge, die »beim Volk
ankommen«, suchte er im Gespräch zu bleiben. Beispielsweise würde Basescu gleichzeitig mit der
Präsidentenwahl gerne über eine drastische Verkleinerung des Parlaments abstimmen lassen –
angeblich um zu sparen und die Effektivität der Parlamentsarbeit zu erhöhen. Bei den Abgeordneten
machte er sich damit freilich wenig Freunde. Basescu gehe mit seinem Vorschlag nicht nur auf
Stimmenfang, hieß es, sondern er wolle sich zugleich gegen die Parteien profilieren, um für den Fall
seiner Wiederwahl unabhängiger von ihnen handeln zu können. Am vergangenen Sonnabend hielt
er die Zeit jedenfalls für gekommen: »Ja, ich kandidiere«, erklärte der 57-jährige ehemalige
Hochseekapitän.
Der Kampf ums Präsidentenamt wird, wie die Zeitung »Romania Libera« schreibt, »auf dem
Schlachtfeld des Populismus ausgefochten«. Hauptrivalen sind Basescus Hauspartei, die
Liberaldemokraten (PDL), und Sozialdemokraten, die seit Dezember 2008 in einer Regierung der
großen Koalition verbündet waren. Statt gemeinsam zu regieren, hatten sie sich jedoch von Anfang
an in gegenseitigen Beschuldigungen und Vorwürfen geübt, die eine wirksame Regierungsarbeit
unmöglich machten. In der ersten Jahreshälfte übertrafen sie einander in Reformvorschlägen, die
dazu dienen sollten, die Wirtschaftskrise zu überwinden und die Folgen für die Bevölkerung
abzuwenden. Rumäniens erwartet in diesem Jahr ein Schrumpfen der Wirtschaft um rund 8 Prozent.
Tatsächlich setzte die Regierung ein Gesetz über die einheitliche Besoldung im öffentlichen Dienst
durch, das die Betroffenen – die Einkommensverluste befürchten – erst am Montag zum Streik auf
die Straße trieb. Die ebenfalls diskutierte Reduzierung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel und
ähnliche Maßnahmen zu Gunsten der Bevölkerung blieben dagegen unberücksichtigt.
Am vergangenen Donnerstag (1. Okt.) verließen die Minister der Sozialdemokratischen Partei (PSD)
geschlossen die Regierung des Liberaldemokraten Emil Boc. Vorausgegangen war die Entlassung
von Innenminister Dan Nica (PSD), der vor Betrugsversuchen der PDL bei den bevorstehenden
Präsidentenwahlen gewarnt hatte. Mit Sicherheit werden sich die gegenseitigen persönlichen
Angriffe in den kommenden Wochen noch verschärfen und die wahren Probleme des Landes
vollends überlagern.
Die Sozialdemokraten haben ihren Vorsitzenden Mircea Geoana als Kandidaten für das höchste
Staatsamt benannt. Seine Anwartschaft hat aber auch Sorin Oprescu angemeldet, ein ehemaliger
Sozialdemokrat, der aus der PSD austrat, weil er sich bei den vorjährigen Oberbürgermeisterwahlen
in Bukarest nur als Unabhängiger Chancen ausrechnete. Tatsächlich gewann Oprescu die
Bürgermeisterwahl und veranschaulichte damit die Zerrissenheit der Sozialdemokraten. Eine
neuerliche Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl könnte der PSD einen lebensbedrohenden Stoß
versetzen. Zumal sich eine Vereinigung ehemals führender PSD-Mitglieder gebildet hat, die eine
neue linke Kraft formieren und Oprescu unterstützen will.
Rumäniens Vertreter beim Internationalen Währungsfonds, der ehemalige Finanzminister Mihai
Tanasescu, äußerte kürzlich, Rumänien habe sein wirtschaftliches Wachstum bisher dem Zufall
überlassen. Ein Problem sieht er darin, dass die einheimische Wirtschaft durch äußere
Erschütterungen extrem verwundbar ist. Rumänien befinde sich, wie Tanasescu der Zeitung
»Adevarul« sagte, an einem Kreuzweg. Das Auseinanderbrechen der Regierung zeigt, dass dies
offensichtlich nicht nur auf ökonomischem Gebiet so ist.
* Aus: Neues Deutschland, 6. Oktober 2009
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