Die "Patriots" sind nackt
USA-Modernisierungshilfe für Polens Streitkräfte kein "reiner Gewinn"
Von Julian Bartosz, Wroclaw *
Im Tumult der heftigen Debatten um den 20. Jahrestag der »Befreiung
Polens vom Kommunismus« am 4. Juni ist eine wichtige Nachricht
untergegangen. Sie betraf die US-amerikanischen »Patriot«-Raketen, die
in Polen stationiert werden sollen.
Es war eine Forderung der Warschauer Regierung: Wenn die USA ihren von
der Regierung Bush geplanten »Raketenschild« in Polen und Tschechien
errichten, müsse Polens Territorium durch zusätzliche »Patriot«-Raketen
vor Luftangriffen geschützt werden. Denn das Abwehrsystem selbst wäre
zur Verteidigung des polnischen Luftraums weder bestimmt noch geeignet.
Ein entsprechendes Dokument wurde im August 2008 denn auch im Rahmen der
zweiseitigen Erklärung über die strategische Zusammenarbeit zwischen den
USA und Polen unterzeichnet.
Nun hat der neue US-amerikanische Präsident Barack Obama das
Antiraketenprojekt bis zur Klärung seiner Nützlichkeit zurückgestellt.
Wie jetzt bekannt wurde, ließ Obama die Warschauer Regierung jedoch
wissen, dass die polnische Armee die ihr zugesagten »Patriot«-Raketen
auch im Falle einer Verzögerung oder einer durch »höhere politische
Gründe« bedingten Aufgabe des Projekts erhalten werde. Das sei »reiner
Gewinn«, freute sich Ministerpräsident Donald Tusk, als er von der
»freundlichen Bereitschaft« der USA erfuhr.
Wie die »Gazeta Wyborcza« meldet, ist die Freude allerdings begrenzt.
Die in Polen aufzustellenden »Patriot«-Batterien werden, wie aus dem
Verteidigungsministerium verlautet, nämlich »nackt« sein: Sie werden
ohne Sprengköpfe stationiert. Wo die Sprengköpfe gelagert werden - ob
auf einem USA-Stützpunkt in Polen oder etwa in Deutschland - sei völlig
ungewiss. Die Polnische Presseagentur PAP erfuhr in diesem Zusammenhang
von Pentagon-Sprecherin Elizabeth Hibner, die »Patriot«-Batterien würden
lediglich zu »Schulungs- und Übungszwecken« nach Polen gebracht.
»Trybuna« ergänzte diese Nachricht durch den Hinweis, dass die
Bestückung der Raketen mit Sprengköpfen, falls es dazu kommen sollte,
bezahlt werden müsste, und zwar mit Millionen US-Dollar.
Es scheint, als hätten die polnische Generalität und die
Militärpolitiker mit der US-amerikanischen »Entwicklungshilfe« fürs
»Wojsko Polskie« ausgesprochenes Pech. Es begann im Jahre 2000, als die
polnische Kriegsmarine mit zwei ausgemusterten Fregatten - umgetauft in
»Pulaski« und »Kosciuszko« - ausgerüstet wurde. Die US-amerikanischen
Hummer-Kampfwagen, mit denen polnische Soldaten tödliche Einsätze in
Irak fuhren, waren unzureichend gegen Minen geschützt. Die seit 2006
aufgrund eines milliardenschweren Vertrages mit Lockheed Martin
gelieferten F-16-Mehrzweckkampfflugzeuge älterer Generation sind - wie
die »Rzeczpospolita« berichtete - zum Teil als »Magazin für Ersatzteile«
tauglich. Mit den »Herkules«- Transportmaschinen, die Anfang dieses
Jahres aus den USA einflogen, verhält es sich ähnlich. Bislang eignen
sie sich nicht dafür, polnische Truppen und Ausrüstung nach Afghanistan
zu fliegen. Man wartet auf Ersatzteile, das Bodenpersonal hat mit dem
Umbau alle Hände voll zu tun. Der Rat aus Washington lautet: Das
Flugpersonal solle am polnischen Himmel üben. All dies geht den
polnischen Waffenbrüdern der USA ziemlich auf die Nerven.
* Aus: Neues Deutschland, 27. Mai 2009
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