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Wojsko Polskie bleibt in Irak

Verteidigungsminister Sikorski in den USA

Von Julian Bartosz, Wroclaw*

Polens Verteidigungsminister Radoslaw (Radek) Sikorski führte am Mittwoch in Washington Gespräche über den weiteren Verbleib polnischer Truppen in Irak. Seine wichtigsten Gesprächspartner waren Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Vizepräsident Dick Cheney. Noch vor offiziellen Verlautbarungen über die Gesprächsergebnisse stand für die polnische Öffentlichkeit fest: Wojsko Polskie, die polnischen Streitkräfte, werden den USA bei den Hilfsdiensten für die »Demokratisierung« Iraks weiter zur Verfügung stehen. In der geschrumpften »Koalition der Willigen« wird die polnische Armee mit 1500 Mann das nach den Briten stärkste Kontingent stellen und noch lange bleiben.

Vor seiner Reise über den Teich hatte Sikorski versichert, er werde in den USA über die »Bedingungen eines weiteren Verbleibs« verhandeln. Polen müssten wirtschaftliche Vorteile solcher »Bündnistreue« zugesichert werden: lukrative Kontrakte beim Aufbau des Landes und die Beteiligung an der Ausbeutung der Ölfelder. Ein seit Beginn des Krieges bekanntes Lied. In Polen wird die Realität dieser Forderungen bezweifelt.

Auch an den USA-Beitrag zur Finanzierung des polnischen Truppeneinsatzes glaubt man immer weniger. Präsident George Bush hatte 100 Millionen Dollar zugesagt, geliefert wurde altes Militärgerät ohne Ersatzteile. Die Beteiligung an Krieg und Okkupation kostete Polen bisher offiziell rund 200 Millionen Dollar. Dazu soll Warschau auf Wunsch der USA und der jetzigen irakischen Regierung auf die Rückzahlung von etwa 600 Millionen Dollar an irakischen Schulden verzichten, die aus der Zeit vor dem ersten »Wüstenkrieg« stammen.

Im Wahlkampf hatte die jetzt regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) noch den baldigen Rückzug aus Irak versprochen. Jedenfalls wollte man den Beschluss der alten Regierung einhalten, Ende 2005 allmählich Schluss zu machen. Aber es war wohl kein Zufall, dass der 42-jährige Sikorski Verteidigungsminister wurde. Obwohl er außer der polnischen »nur« noch die britische Staatsbürgerschaft hat, ist er ein Mann der USA.

Zuletzt war Sikorski Direktor der »Neuen Atlantischen Initiative« in Washington, einer 1996 von der US-amerikanischen Großindustrie berufenen und finanzierten Stiftung, zu deren »Paten« Donald Rumsfeld gehört. Direkt aus seinem etwa 300 Meter vom Weißen Haus entfernten Büro zog Sikorski ins polnische Verteidigungsministerium um und zeigte umgehend, wem er sich verpflichtet fühlt:

Gleich nach der Amtsübernahme zögerte er nicht, der Möglichkeit einer polnischen Beteiligung am USA-»Raketenschild« zuzustimmen. Und in der letzten Woche trat er durch die Enthüllung geheimer Dokumente und Stabskarten des Warschauer Vertrages eine Sensationskampagne los: Im Falle eines kriegerischen West-Ost-Konflikts sollte polnisches Gebiet demnach mit atomaren Geschossen aus östlicher Richtung belegt werden. Zwei Millionen Polen wären dabei umgekommen, verkündete Sikorski empört. Völlig verschwiegen wurden US-amerikanische Vorstellungen (etwa von Senator Nunn), einen Vormarsch der sowjetischen Hauptkräfte gen Westen durch den Beschuss Polens mit Atomwaffen zu verhindern.

Der Publizist Bronislaw Lagowski schrieb im »Przeglad«, die Gedankenspiele Sikorskis und seine proamerikanische Ergebenheit erweckten in Europa den Eindruck, als seien in Polen Halbidioten an die Macht gekommen.

* Aus: Neues Deutschland, 8. Dezember 2005


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