Massaker im Süden Perus
Wirtschaftspolitik der Regierung ohne Rücksicht auf Interessen der Indigenen
Von Benjamin Beutler *
Bei einem Massaker in der Gemeinde Chacayaje im Südosten Perus sind am
vergangenen Wochenende mindestens zehn Einwohner getötet worden, als
Vermummte in eine Bergarbeiterversammlung stürmten und in die Menge der
rund 300 Anwesenden schossen. »Wären die Kugeln nicht ausgegangen, dann
hätten sie uns alle getötet«, berichtet eine Überlebende aus der
Gemeinde, die in der traditionellen Bergbauregion Puno liegt. Bei den
Angreifern soll es sich um Angestellte einer privaten Goldmine aus der
benachbarten Gemeinde Ayabaca handeln. Die mit großkalibrigen
Schußwaffen ausgestatteten Maskierten hätten das Revier ihrer Chefs
gegen den Zugriff der Nachbargemeinde markieren wollen, so Beobachter.
Diese vermuten hinter den Morden den Bürgermeister und Eigentümer der
Goldmine, Roger Saya, sowie den Kongreßabgeordneten Tomás Cenzano
Sierralta, dem enge Verbindungen zum peruanischen Präsidenten Alan
García nachgesagt werden. Seinen Sitz im Kongreß verdanke er nur hohen
Spenden für dessen Wahlkampf.
Hintergrund der erneuten Gewalteskalation in Peru ist die auf
Rohstoffexport gestützte Wirtschaftspolitik von Präsident Alan García,
die dieser ohne Rücksicht auf Verluste durchzieht und mit der er für ein
Klima gnadenloser Konkurrenz sorgt. Ölmultis aus aller Welt beuten die
Amazonasregion, die »grüne Lunge« unserer Erde, aus. Sie mißachten dabei
Umweltauflagen und völkerrechtliche Bestimmungen wie das Abkommen 169
der »Internationalen Arbeitsorganisation« (ILO), in denen die
Mitbestimmung der indigenen Bevölkerung garantiert werden. »Weder die
Unternehmen noch der Staat leisten eine verantwortungsvolle Arbeit«,
kritisiert die Indigenen-Organisation AIDESEP. Auch Regierungsstudien
belegen, daß Flüsse und Boden mit hochgiftigem Kadmium und Blei
verseucht sind, immer wieder lecken Ölpipelines und Förderanlagen, wie
jüngst unweit des Río Corrientes beim Unternehmen PlusPetrol.
Unterdessen warnte die UN-Kommission zur Bekämpfung des Rassenhasses
(CERD) bereits mehrfach vor weiteren ernsthaften Spannungen für das Land
sowie einer Welle der Gewalt, die von der Ausbeutung der Bodenschätze in
den traditionell von den indigenen Völkern bewohnten Gebieten provoziert
werde. Lima dürfe ohne deren Zustimmung keine Entscheidungen treffen,
welche die Rechte und Interessen der indigenen Völker direkt betreffen,
forderte die CERD.
Erst vor knapp vier Monaten war es in der nordperuanischen Provinz Bagua
zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen indigenen Demonstranten und
der Nationalpolizei gekommen. Dieser »Baguazo« forderte mehr als 30
Menschenleben, für die der damalige Premierminister Yehude Simon und
seine Innenministerin Mercedes Cabanillas verantwortlich gemacht werden.
Während beide weiter auf freiem Fuß sind, werden den Familien getöteter
Zivilisten »Entschädigungen« versprochen. Ganz telegen überreichte der
neue Premier Javier Velásquez Quesquén persönlich sieben Tonnen
Nahrungsmittel sowie 100 Laptops, Möbel, Spielzeuge und Motorräder für
eine Schule. Offenbar sollen die in konservativen Medien als »Wilde«
stigmatisierten Indigenen auf diese Weise wie früher mit Glasperlen
besänftigt werden. Denn die gerade laufenden Verhandlungen über einen
Freihandelsvertrag zwischen Peru und der Europäischen Union stehen kurz
vor einem »erfolgreichen« Abschluß. Der soll nicht gefährdet werden.
* Aus: junge Welt, 8. Oktober 2009
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