Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Putschistenbesuch unerwünscht

Opposition im Bundestag kritisiert Einladung des Außenministers von Paraguay / Proteste in Berlin

Von Harald Neuber *

Ein Staatsbesuch in Deutschland führt zu massiven Protesten. Der Außenminister von Paraguay hält sich seit Mittwoch auf Einladung der Bundesregierung in Berlin auf, obwohl seine Regierung nach dem Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten Fernando Lugo international isoliert ist.

Während seines sechstägigen Aufenthalts kommt Außenminister José Felix Fernández Estigarribia, Politiker der liberalen Partei PLRA, vor allem mit FDP-Politikern zusammen, darunter Außenminister Guido Westerwelle. Oppositionsparteien griffen die Bundesregierung deswegen scharf an. Offenbar wolle die FDP ihrer Schwesterpartei in Paraguay Beistand leisten. In dem südamerikanischen Land finden am 21. April Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt.

Deutschland ist damit der erste europäische Staat, der den Außenminister der demokratisch nicht legitimierten Regierung Paraguays empfängt. International hingegen steht die De-facto-Regierung unter Führung des Politikers Federico Franco nach wie vor alleine da. Sie hatte die Macht ergriffen, nachdem Präsident Fernando Lugo am 22. Juni vergangenen Jahres von einer rechtsgerichteten Parlamentsmehrheit binnen weniger Stunden abgesetzt wurde. Paraguay wurde daraufhin aus allen relevanten Staatenbündnissen der Region ausgeschlossen. »Bis zur Wiederherstellung der Demokratie«, wie es in mehreren Erklärungen heißt.

Die deutsche Bundesregierung hat offenbar andere Maßstäbe. Während des Aufenthalts in Berlin wird Fernández Estigarribia mit zahlreichen Vertretern der Bundesregierung zusammenkommen. Mit der FDP-Staatsministerin im Auswärtigen Amt Cornelia Pieper unterzeichnete der Minister am Mittwoch ein Abkommen zur Gründung einer Privatuniversität in Asunción. Und nach einem Mittagessen am heutigen Donnerstag ist ein Besuch der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung geplant.

Allerdings stieß der 72-jährige bereits auch auf seine Kritiker. Aktivisten des Demokratiebündnisses Paraguay Resiste empfingen ihn gestern Mittag mit Protestplakaten und Sprechchören vor dem Auswärtigen Amt. Kurz zuvor hatten sich alle Oppositionsfraktionen des Bundestags in seltener Geschlossenheit gegen die Hofierung des Chefdiplomaten der Putsch-Regierung gewandt. In einem Schreiben wies ein Dutzend Abgeordnete von SPD, Grünen und Linkspartei darauf hin, dass die Naumann-Stiftung bereits in Honduras politische Kräfte unterstützt hat, die für einen Staatsstreich verantwortlich sind.

Nur zwei Tage nach dem Sturz von Präsident Lugo hatte Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) das Geschehen in Paraguay im vergangenen Juni als rechtmäßig bezeichnet. »Ich bin kein Experte für Verfassungsrecht dieses Landes, aber als Politiker weiß ich, dass das Ergebnis der Abstimmung in der Abgeordnetenkammer eine klare politische Botschaft ist«, zitierte die Tageszeitung La Nación den in der Hauptstadt Asunción weilenden liberalen Minister. Die schon damals einsetzende Kritik der Opposition brandet nun neu auf. Der Besuch des Außenministers sei »eine Ohrfeige für alle Demokraten in Lateinamerika«, sagte Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion. Der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Thilo Hoppe, mahnte, die De-facto-Regierung Paraguays dürfe »nicht aufgewertet werden«. Sascha Raabe, der entwicklungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, bezeichnete den Empfang des Ministers als »sehr fragwürdig«. Am Mittwochnachmittag sorgte das Thema in einer aktuellen Stunde des Bundestags für anhaltende Debatten.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 14. März 2013


Zurück zur Paraguay-Seite

Zur Seite "Deutsche Außenpolitik"

Zurück zur Homepage