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Putin schließt den Dialog mit Hamas nicht aus

Abbas in Moskau - Russland will palästinensische Einheit

Von Marianna Belenkaja *

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am vergangenen Dienstag (31. Juli) Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Kreml empfangen. Am selben Tag reisten US-Außenamtschefin Condoleezza Rice und US-Verteidigungsminister Robert Gates in den Nahen Osten.

Zwei Mitglieder des Nahost-Quartetts unternahmen praktisch gleichzeitig Bemühungen, um die Nahost-Lösung aus der Sackgasse zu holen. Moskau und Washington haben dasselbe Ziel: Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaates und sichere Existenz Israels. Ihre Strategien unterscheiden sich jedoch prinzipiell voneinander.

Besonders auffällig war das in diesen Tagen bei der Erörterung von Problemen zur Wiederherstellung der Palästinensereinheit und der Abhaltung einer Nahost-Friedenskonferenz auf Vorschlag von US-Präsident George W. Bush.

Wozu ist Abbas nach Moskau gekommen? Formell, um von Moskau Unterstützung für humanitäre Hilfe zu bekommen. Das hätte er aber auch ohne diesen Aufwand haben können. Die Zukunft der palästinensisch-israelischen Verhandlungen liegt heute in den Händen Washingtons - und das auch nur zu einem gewissen Teil. Einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der palästinensischen Wirtschaft leistet beispielsweise die Europäische Union.

Was aber Russland anbelangt, so könnte es eine Vermittlerrolle zwischen Fatah und Hamas spielen. Der Konflikt zwischen den beiden rivalisierenden Palästinenserlagern ist derzeit eines der Hauptprobleme der Region und ein wesentliches Hindernis für die Nahostregelung. Es ist zweifellos nicht einfach, was die bisherigen Vermittlungsbemühungen gezeigt haben. Erfolglos waren auch die Bemühungen Saudi-Arabiens: Die von Fatah und Hamas in Mekka unterzeichneten Abkommen hatten nur wenige Monate bestanden.

Heute haben die USA und Israel die Machteroberung im Gaza-Streifen durch die Hamas und den nahezu irreparablen Konflikt zwischen den beiden Palästinensergruppen zum Anlass genommen, um das Islamistenlager völlig zu ignorieren. Offensichtlich ist aber, dass von der Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaates ohne Wiederherstellung der politischen und der territorialen Einheit der Palästinenser keine Rede sein kann. Gerade davon geht Russland aus.

"Die Durchsetzung einer nationalen Einheit in Palästina ist die Hauptvoraussetzung für die Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaats", erklärte Russlands Vizeaußenminister Andrej Denissow nach Abschluss der Verhandlungen zwischen Putin und Abbas.

"Wir wissen von den komplizierten Beziehungen zwischen Fatah und Hamas, deshalb stellen wir die Frage wie folgt: Was können wir bei unseren Kontakten mit beiden Seiten unternehmen, damit sie einen Nutzen sehen?" fügte er hinzu.

Wie russische Diplomaten betonen, haben sie nicht vor, sich in die inneren Angelegenheiten der Palästinenser einzumischen. Sie rechtfertigen die Hamas nicht, sind aber bereit, beide Seiten bei der Suche nach Kompromissen zu unterstützen. Nach den Erklärungen von Abbas in Moskau zu urteilen, ist ein Kompromiss möglich. In seinem Interview für die "Nesawissimaja Gaseta" stellte der Chef der palästinensischen Autonomiebehörde fest, dass erst von einer Regelung der Beziehungen mit der Hamas die Rede sein kann, wenn sie auf die Ergebnisse ihres Putsches im Gaza-Streifen verzichtet. Als Realist und Pragmatiker schließt er also einen Dialog mit der Hamas nicht aus. Es geht also nur um die Bedingungen sowie darum, ob die USA und Israel die Fatah nicht übermäßig unter Druck setzen, womit die eventuellen Verhandlungen mit den Islamisten im Voraus zum Scheitern verurteilt werden. In dem Fall werden die Kräfte, die hinter Abbas stehen, keinen anderen Weg mehr haben als der Hamas offen einen Krieg zu erklären. Ob das die Palästinenser jedoch nötig haben? Vor diesem Hintergrund kann jedoch von der Gründung eines Palästinenserstaates keine Rede sein - obgleich US-Präsident George W. Bush versprochen hat, dieses Problem noch bis zum Abschluss seiner Amtszeit zu regeln.

Darin besteht auch der grundlegende Unterschied in den Positionen Moskaus und Washingtons. Russland bewertet die regionalen Realitäten objektiv, während die USA bemüht sind, sie ihren Klischees und Wahlkampagnen anzupassen. Die Ignoranz gegenüber der Hamas ist hier nicht das einzige Beispiel. Eine ähnliche Situation entsteht mit dem Vorschlag Bushs, eine internationale Nahost-Friedenkonferenz im Herbst abzuhalten. Diese Idee hatte Präsident Putin bereits 2005 unterbreitet, damals wurde sie aber von Israel und den USA nicht unterstützt.

Der Unterschied zwischen Russland und den USA für ein solches Treffen besteht darin, dass Moskau vorgeschlagen hat, Möglichkeiten für eine umfassende arabisch-israelische Regelung zu erörtern. Gleichzeitig soll sich nicht auf das Palästina-Problem beschränkt werden, worauf Washington den Schwerpunkt legt.

Im Zusammenhang mit Bushs Initiative ist die problematische Frage über den Teilnehmerkreis eines solchen Treffens entstanden. In erster Linie geht es um eine Teilnahme Syriens, die die USA vermeiden möchten. Ohnehin hätte Damaskus trotz Einladung keine Vertreter zum Treffen geschickt, wenn die syrisch-israelischen Beziehungen nicht auf der Tagesordnung stehen würden. Kann man denn aber das Palästina-Problem ohne Syrien regeln, wo viele Palästinenser leben und sich das Hamas-Hauptquartier befindet? Dies ist nur eines der Probleme, die mit der Veranstaltung der Konferenz zusammenhängen.

Bislang ist es aber auch nicht klar, dass ein solches Treffen wirklich stattfinden wird. Unklar ist, wer die Palästinenser dabei vertreten soll. Eine Regierung, die die Interessen aller einflussreichen politischen Kräfte oder nur eines Teils vertritt? Ohne eine Einigung zwischen den Palästinensern werden alle Treffen nutzlos sein. Deshalb setzt Moskau auf Abbas' Weisheit und hofft darauf, wie Präsident Putin betonte, dass er alles nur Mögliche für die Wiederherstellung der Einheit des Palästinenservolkes unternehmen wird. Widrigenfalls wird den Palästinensern niemand helfen können.

Die Meinung der Verfasserin muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Quelle: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 2. August 2007;
http://de.rian.ru



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