Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Ringen um Einheit

Versöhnungsgespräche Hamas–Fatah erneut vertagt. Kern des Streits ist das Recht auf bewaffneten Widerstand

Von Karin Leukefeld *

Die innerpalästinensischen Versöhnungsgespräche in Kairo sind nur einen Tag nach Beginn der dritten Verhandlungsrunde am vergangenen Wochenende erneut vertagt worden. Seit Anfang März verhandeln die zerstrittenen Fraktionen Fatah und Hamas gemeinsam mit anderen Gruppen über eine Regierung der nationalen Einheit, die als Übergangsregierung sowohl die Hamas-Regierung im Gazastreifen als auch die Fatah-Regierung in der Westbank ersetzen soll. Die neue Regierung soll die allgemeinen Wahlen Anfang 2010 vorbereiten und den Wiederaufbau des zerstörten Gazastreifens beaufsichtigen. Die internationale Geberkonferenz in Scharm el Scheich Anfang März hatte zwar 4,5 Milliarden US-Dollar Wiederaufbauhilfe für den Gazastreifen beschlossen, doch vor allem die westlichen Staaten hatten eine Auszahlung des Geldes an die Bedingung geknüpft, daß das Geld nicht von der Hamas verwaltet werden dürfe.

Der bisherige Ministerpräsident Salam Fayyad und seine Regierung hatten ihre Ämter bereits für Ende März zur Verfügung gestellt, doch der Amtsantritt einer neuen Regierung wird noch dauern. Drei Wochen lang solle intern über »neue kreative Vorschläge« beraten werden, sagte Nabil Shaath von der Fatah. Das Aussetzen der Gespräche sei »weder eine Niederlage noch ein Erfolg«.

Ein wesentlicher Streitpunkt ist, daß die Hamas nicht bereit ist, sich auf frühere Vereinbarungen mit der israelischen Regierung zu verpflichten, was wiederum von der Fatah und dem sogenannten Nahostquartett, bestehend aus Rußland, den USA, den Vereinten Nationen und der EU, gefordert wird. Der Versöhnungsprozeß unter den Palästinensern werde durch Bedingungen behindert, die den Palästinensern von außen aufgezwungen würden, kritisierte der im syrischen Exil lebende politische Führer der Hamas, Khaled Meshaal. Man werde keine politischen Konzessionen machen, hieß es in einer Hamas-Erklärung zum Abbruch der Verhandlungen. Solange die israelische Regierung die Rechte der Palästinenser nicht respektiere, seien die früheren Vereinbarungen zwischen Israel und der PLO ein Mißbrauch der palästinensischen Interessen. Die Forderungen des Nahostquartetts bezeichnete Hamas-Sprecher Taher Al-Nouno als »unfair«. Die Hamas fordert, eine neue Regierung müsse das Recht auf bewaffneten Widerstand gegen die Besatzung akzeptieren, was die Fatah ablehnt.

Der ehemalige Minister für die Angelegenheiten der palästinensischen Gefangenen, Qaddoura Faris vom Revolutionsrat der Fatah, bezeichnete es als »Illusion«, daß eine Regierung, die sich um das Wohl der Bevölkerung kümmern müsse, irgendeinen Widerstand unterstützen könne. Präsident Mahmud Abbas solle eine Lösung finden, so Faris. Das könnte eine Empfehlung des ägyptischen Unterhändlers und Geheimdienstchefs Omar Suleiman sein, der vorgeschlagen hat, Abbas solle selbst eine Übergangsregierung bilden, die von der internationalen Gemeinschaft akzeptiert werden könnte. Wer von den palästinensischen Fraktionen wolle, könne sich anschließen, über Forderungen aber werde nicht verhandelt. Die Fatah soll den Vorschlag sofort akzeptiert haben, Präsident Abbas, der sich zur Zeit zu einem Staatsbesuch im Irak aufhält, äußerte sich noch nicht. Der stellvertretende Führer der Hamas, Ali Barakat, erklärte hingegen, man sei nicht bereit, einer (Übergangs-)Regierung das Vertrauen auszusprechen, die die israelische Besatzung anerkenne, das sei ein Bruch internationalen Rechts. Der von den Israelis in Isolationshaft festgehaltene Führer der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), Ahmed Saadat, forderte (im Gespräch mit einer Anwältin), eine neue Regierung müsse sich für die Wiedereinsetzung der PLO als einziger, legitimer Vertretung der Palästinenser einsetzen. Die Verhandlungen sollen am 26. April in Kairo fortgesetzt werden.

* Aus: junge Welt, 7. April 2009


Zurück zur Palästina-Seite

Zurück zur Homepage