"In arabischen Hauptstädten ist der Ärger groß"
Mit der Duldung der USA gegenüber Israels Besatzungspolitik verprellt Präsident Obama wichtige Verbündete
In der arabischen Welt wird der Streit zwischen der US-Administration
und der Regierung Netanjahu über den fortgesetzten israelischen
Siedlungsbau in Ost-Jerusalem mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Nur
wenige Beobachter aus der Region gehen allerdings von einer echten Krise
zwischen den beiden Mächten aus. Vielmehr wächst die Skepsis, dass es
tatsächlich zu tief greifenden Veränderungen in der US-Politik im Nahen
Osten kommen wird, wie sie Präsident Barack Obama am 4. Juni 2009 in
seiner Kairoer Rede in Aussicht gestellt hatte. Über die jüngsten
Entwicklungen an diesem Brennpunkt der Weltpolitik sprach Raoul Rigault für das "Neue Deutschland" (ND) mit dem in Amman ansässigen, unabhängigen politischen Analysten und Redakteur des »Middle East Report«, Mouin Rabbani.
ND: Nach dem offenen Schlagabtausch Anfang des Monats hat US-Präsident
Barack Obama den Tonfall gegenüber Israel wieder gemäßigt. Bedeutet das
bereits das Ende der »Krise« zwischen Washington und Tel Aviv?
Rabbani: Das ist keine echte Krise. Man sollte auf der Ebene der Staaten
eher von einem Streit unter Freunden sprechen, die den Nahen Osten aus
demselben Blickwinkel betrachten und identische Lösungen für die
vorhandenen Probleme anstreben. Sicherlich sind Benjamin Netanjahu und
Obama keine persönlichen Freunde, und es stimmt auch, dass die neue
US-Administration bei den Problemen einen in Teilen anderen Ansatz
gewählt hat als die von George W. Bush. Der Kern der US-amerikanischen
Außenpolitik hat sich in dieser Region und in Zentralasien allerdings
nicht verändert, seit Obama ins Weiße Haus einzog.
Was die israelische Besiedlung Ost-Jerusalems und des Westjordanlandes
anbelangt, existiert also kein wirklicher Gegensatz?
Die USA stellen die Siedlungspolitik nicht in Frage, weil diese
Regierung davon ausgeht, dass Israel bei einem Abkommen mit den
Palästinensern in jedem Fall die Kontrolle über ganz Jerusalem behalten
und die Teile des Westjordanlandes mit den wichtigsten jüdischen
Siedlungsblöcken annektieren wird. Die Anfang des Monats ausgebrochene
Kontroverse betrifft das Verhalten Netanjahus, der keine Gelegenheit
auslässt, um öffentlich zu erklären, dass seine Regierung in jedem Fall
tun wird, was sie für richtig hält, ohne sich dabei allzu sehr um ihren
weltweit wichtigsten Verbündeten zu kümmern.
Obama ließ im Gegenzug verlauten, dass der von Israel angekündigte Bau
von 1600 neuen Wohnungen im Ost-Jerusalemer Stadtteil Ramat Schlomo für
jüdische Siedler im Rahmen des Friedensprozesses nicht hilfreich sei. Er
sprach aber nicht von einem illegalen Akt oder von einer Verletzung
internationaler Resolutionen.
Wie wird Obama heute in der arabischen Welt gesehen?
Nach seiner
Kairoer Rede waren viele Araber überzeugt, dass dieser
US-amerikanische Präsident dank einer neutraleren Position im
israelisch-palästinensischen Konflikt die Karten neu verteilt habe.
Diese Erwartungen erfüllten sich jedoch nicht, und die Enttäuschung
darüber ist nicht nur unter den Massen spürbar, sondern auch innerhalb
der Führungsetagen der mit den Vereinigten Staaten verbündeten Regimes.
Länder wie Jordanien, Saudi-Arabien und Ägypten gingen davon aus, dass
die Regierung Obama sich für die bedingungslose Unterstützung der
US-Strategie seitens ihrer Länder sowie die Zustimmung zum Irak-Krieg
erkenntlich zeigen würde, und zwar in Form konkreter
Verhandlungsergebnisse in der Palästina-Frage. Sie erwarteten eine
politische Entschädigung der USA, um damit innenpolitisch der weit
verbreiteten Unzufriedenheit ihrer Bevölkerungen über die Situation der
Palästinenser unter der israelischen Besatzung etwas entgegenhalten zu
können. Zwar stehen die Bündnisse zwischen den USA und verschiedenen
arabischen Regimes nicht zur Diskussion, aber in diversen Hauptstädten
der Region ist der Ärger groß.
Der Präsident der Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, versucht, die Polemik
zwischen Israel und USA zu nutzen, um Zustimmung zu gewinnen. Wird ihm
das gelingen?
Ich fürchte, dass die kommenden Wochen Abu Mazens (Kampfname von Abbas - d. Red.) Schwäche und seinen Mangel an Glaubwürdigkeit bestätigen
werden. Wenn sich die Wolken verzogen haben, die die Beziehungen
zwischen Tel Aviv und Washington gegenwärtig trüben, werden die USA
Abbas zwingen, ohne Vorbedingungen an den Verhandlungstisch
zurückzukehren. In den Augen der Palästinenser wird das die
Haltlosigkeit der Linie der Autonomiebehörde und ihres Präsidenten
bestätigen, denn der hat schon häufig scheinbar standhaft Position
bezogen, um dann unversehens den Rückwärtsgang einzulegen.
* Aus: Neues Deutschland, 24. März 2010
Netanyahu trifft auf Obama
Der US-Präsident Barack Obama und Ministerpräsident Binyamin Netanyahu sind bei Netanyahus Aufenthalt in Washington zweimal im Weißen Haus zusammengetroffen.
Nach dem zweiten Treffen teilte der Sprecher von Netanyahu, Nir Chefetz, mit: „Präsident Obama und der Ministerpräsident haben sich für eineinhalb Stunden privat getroffen, es herrschte eine gute Atmosphäre.“ Die Berater der beiden Regierungschefs würden die bei den Treffen angesprochenen Themen und Ideen am Mittwoch (24.3.) aufgreifen und fortsetzen.
Auch die Vorgespräche mit US-Außenministerin Hillary Clinton und US-Vize-Präsident Biden am Montag (22. März) wurden in einer positiven Stimmung geführt.
Es ging inhaltlich um den Friedensprozess mit den Palästinensern und die Bauvorhaben von Wohneinheiten in dem jüdischen Stadtteil Ramat Schlomo in Jerusalem und darum, die darüber herrschenden Meinungsverschiedenheiten der israelischen und amerikanischen Seite zu überwinden.
Quelle: Mitteilung der israelischen Botschaft in Berlin, 24. März 2010
Lesen Sie auch die Rede Natanjahus vor der größten amerikanischen Israel-Lobbygruppe AIPAC (The American Israel Public Affairs Committee - America's Pro-Israel Lobby):
"Jerusalem ist keine Siedlung. Jerusalem ist unsere Hauptstadt"
Der israelische Ministerpräsident Netanjahu sprach vor der größten Pro-Israel-Lobby in den USA - Die ganze Rede im Wortlaut
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