Ramallah bereitet Obama kühlen Empfang
Palästinenser nehmen Friedensbotschaften des USA-Präsidenten nicht für bare Münze
Von Oliver Eberhardt, Jerusalem *
Nach einer warmen Begrüßung in Israel
ist US-Präsident Obama am Donnerstag
in Palästina kühl empfangen
worden: Sein Bekenntnis zum Friedensprozess
stößt bestenfalls auf
Skepsis. Viele Palästinenser sind sogar
der Ansicht, dass man sich gar
nichts mehr zu sagen hat.
»Bla bla bla«, sagt Abu Hassan und
fuchtelt wütend mit den Armen,
»Wir haben doch diese Sprüche
schon tausendmal gehört, und
tausend Mal ist alles noch viel
schlimmer geworden.« Man müsse
sich doch nur mal umschauen,
fügt der Besitzer eines kleinen Supermarktes
in der Nähe des Manara-
Platzes im Zentrum von Ramallah
hinzu. »Die Leute werden
immer ärmer, das Militär marschiert
einfach bei uns ein, wenn
es Lust hat, und verhaftet Leute;
Tausende sitzen im Knast. Und
was macht Obama? Stellt sich neben
Netanjahu und schwört ewige
Freundschaft. Denkt der wirklich,
dass wir ihm noch glauben, wenn
er von Frieden erzählt?«
Es ist eine Aussage, die man an
diesem Donnerstag überall im
Westjordanland zu hören bekommt.
Gerade ist Obama in der
Mukata, dem Sitz des palästinensischen
Präsidenten Mahmud Abbas,
eingetroffen, doch Begeisterung
ist nirgendwo zu spüren –
ganz im Gegenteil: Im Stadtzentrum
demonstrieren mehrere hundert
Palästinenser für ein Ende der
Besatzung und gegen die ihrer Ansicht
nach proisraelische Haltung
Obamas, bewacht von einem massiven
Polizeiaufgebot. Es hatte Befürchtungen
gegeben, dass die
Stimmung in offene Aggression
und Gewalt umschlägt, womit Israels
Regierung eine Begründung
geliefert worden wäre, selbst die
kleinsten Bemühungen um Fortschritte
zu blockieren.
Eine Begründung, für die dann
allerdings die Hamas im Gazastreifen
sorgte: Von dort aus wurden
bis zum Nachmittag fünf Raketen
auf Israel abgeschossen. Ein
Sprecher der Organisation, die mit
der in Ramallah regierenden Fatah
verfeindet ist, warf Obama und
Abbas vor, sie seien Marionetten
Israels. Dessen Regierung reagierte
und erklärte mit Verweis
auf die andauernden Bemühungen
um eine palästinensische Einheitsregierung,
Abbas mache alle
Friedensbemühungen zunichte,
solange er den Schulterschluss mit
solchen »Terroristen« suche.
Dass Abbas und die Mitglieder
der palästinensischen Regierung
die Meinung der Menschen auf der
Straße teilen, ist deutlich sichtbar,
als Obama dem eigens aus den
USA herantransportierten Hubschrauber
Marine One entsteigt
und sich Funktionären mit versteinerten
Gesichtern gegenüber
sieht – ein krasser Kontrast zu der
herzlichen Begrüßung, die dem
US-Präsidenten tags zuvor in Israel
zuteil wurde. Wobei das eine
zum anderen beigetragen haben
dürfte: »Die Freundlichkeit, mit
der Obama auf Netanjahu zugegangen
ist, hat uns schon überrascht
«, sagt Saeb Erekat, der palästinensische
Chefunterhändler.
Man habe sich vor dem Hintergrund
der Haltung der neuen israelischen
Regierung in der Friedensfrage
und den tagtäglichen
Problemen in Palästina mehr Distanz
erhofft.
Zwei Stunden sprechen die USamerikanischen
und palästinensischen
Delegationen miteinander;
worüber genau, dazu liefert auch
die gemeinsame Pressekonferenz
von Obama und Abbas keine Aufschlüsse.
Tags zuvor in Jerusalem
hatte Obama ewige Freundschaft
geschworen und betont, man sei
in der Iran-Frage gar nicht so weit
auseinander.
Jetzt in Ramallah erklärt er, er
verstehe die Demonstrationen gegen
ihn. Seine Regierung betrachte
die Siedlungsaktivitäten durchaus
»nicht als konstruktiv, als angebracht,
als etwas, das den Friedensprozess
voranbringen kann«. Dennoch, mahnte er, sollten die
Palästinenser einen Baustopp
nicht zur Bedingung für Verhandlungen
machen: »Verhandlungen
haben keinen Sinn, wenn alles bereits
vorher festgelegt werden
muss.« Der Friedensprozess, versprach
er, werde eine Priorität in
der Arbeit seines Außenministers
John Kerry sein.
Draußen, in Ramallahs Stadtzentrum,
wird sehr schnell deutlich,
dass diese Aussagen nicht
dazu geeignet sind, die Skepsis der
Barack Obama erhält wenigstens Applaus von Mahmud Abbas Foto: AFP/Ngan Menschen zu zerstreuen.
* Aus: neues deutschland, Freitag, 22. März 2013
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