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Aufbruch nach Hause

Palästinenser in der arabischen Welt streiten für ihr Recht auf Rückkehr. "Tag der Trauer" nach der Erschießung von 16 Menschen durch israelische Soldaten

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Mit Tränengas und scharfer Munition ist die ägyptische Polizei in der Nacht zu Montag (16. Mai) gegen Hunderte Demonstranten vorgegangen, die in Kairo vor der israelischen Botschaft ihre Solidarität mit den Palästinensern zeigen wollten. Mindestens 240 Menschen wurden verletzt, 186 Personen nach offiziellen Angaben festgenommen. Die Demonstranten steckten vor der Botschaft eine israelische Fahne in Brand und forderten die Ausweisung des Botschafters sowie die Schließung der Vertretung.

Bereits am Sonntag (15. Mai) waren bei Protesten 16 Palästinenser von der israelischen Armee erschossen worden, als sie an der Grenze zu Israel ihr Recht auf Rückkehr einforderten. Den gestrigen Montag hatten die Palästinenser zum »Tag der Trauer« erklärt. In den besetzten Gebieten und in Gaza blieben am vormittag Geschäfte geschlossen.

In den Flüchtlingslagern Al-Bass, Burj Al-Shemali, Mieh Mieh und in Ain Al-Hilwah im südlichen Libanon wurden am Montag (16. Mai) zehn Tote beerdigt. Hisbollahführer Hassan Nasrallah erklärte, die »furchtlosen« Demonstranten und die Toten hätten der »Nakba eine neue Bedeutung« gegeben. In Jordanien hatte die Polizei Proteste von rund 5000 Palästinensern an der Grenze bei Karameh unterbunden. Mindestens 25 Personen wurden dabei verletzt. »Das Volk will Palästina befreien«, war einer der Slogans, mit denen die jungen Leute aufgebrochen waren. »Wir sind bereit, für Jerusalem zu sterben, das Recht auf Rückkehr ist unantastbar.«

In Damaskus wurden am Montag (16. Mai) zwei Männer aus dem Flüchtlingslager Jarmuk beerdigt, sie waren am Sonntag auf dem Golan von der israelischen Armee erschossen worden.

Eine israelische Armeesprecherin beschuldigte am Sonntag die syrische Regierung, die Proteste auf dem Golan »organisiert« zu haben, um von den Unruhen im eigenen Land abzulenken. Das syrische Außenministerium verurteilte die Gewalt der israelischen Armee und erklärte, Tel Aviv trage die volle Verantwortung für das Geschehen. Die »palästinensische Volksbewegung heute ist das Ergebnis davon, daß Israel weiterhin legitime, internationale Resolutionen und Rechte verletzt, Gebiete besetzt hält und Forderungen nach einem gerechten und nachhaltigen Frieden ausweicht«, hieß es in der Stellungnahme.

Beflügelt von den Protestbewegungen in anderen Teilen der arabischen Welt, ist den palästinensischen Flüchtlingen offenbar die Geduld ausgegangen. Jahrzehntelang wurden sie von internationalen Organisationen und westlichen Regierungen hingehalten, die palästinensischen Parteien haben sich als zu schwach erwiesen, glaubwürdige Lösungen zu erreichen. Mit ihren entschlossenen Märschen auf die Grenzen Israels scheint nun eine neue palästinensische Generation ihr Schicksal selber in die Hand zu nehmen. Unterstützt wird sie dabei von einer immer größer werdenden internationalen Bewegung gegen die israelische Besatzung, die mit einer Vielzahl von Aktionen den Druck auf die Besatzungsmacht erhöht. Die internationale Boykottkampagne gegen Israel wird selbst im Land unterstützt. Die Free-Gaza-Bewegung plant, Ende Mai neue Hilfslieferungen mit einer Flotte von Schiffen nach Gaza auf den Weg zu schicken. Mit der Parole »Willkommen in Palästina« soll am 8.Juli eine Masseneinreise über Israel in die besetzten palästinensischen Gebiete und nach Gaza stattfinden, um Solidarität mit den Palästinensern zu zeigen.

* Aus: junge Welt, 17. Mai 2011


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