Rückzug Israels nicht in Sicht
Palästinenser in den besetzten Gebieten erinnern an den "Tag der Katastrophe"
Von Peter Schäfer, Ramallah *
Gestern jährte sich die israelische Staatsgründung zum 59. Mal. Für Palästinenser ist das Datum der
»Tag der Katastrophe«, auf Veranstaltungen wird an die Vertreibung von 750 000 Landsleuten im
Jahr 1948 erinnert. Das öffentliche Interesse an solchen Zusammenkünften ist jedoch seit Jahren
minimal, so auch gestern.
Hoffnungslosigkeit ist unter den Palästinensern weit verbreitet. »Menschen setzen sich doch nur für
Veränderung ein, wenn darauf überhaupt Hoffnung besteht«, sagt ein Palästinenser, der nicht mehr
zu den Demonstrationen geht, gegenüber dem ND. »Aber es besteht weder eine Chance auf die
Rückkehr der Flüchtlinge noch darauf, dass Israel an einer realistischen Friedenslösung interessiert
ist.«
Die Basis dafür, der vollständige israelische Abzug aus den vor fast 40 Jahren besetzten Gebieten
Westjordanland, einschließlich Ost-Jerusalems, und Gaza-Streifen ist Gegenstand der Arabischen
Friedensinitiative. Die Arabische Liga bietet Israel die Anerkennung für die Räumung der 1967
besetzten Gebiete. Darüber diskutierte Israels Außenministerin letzten Donnerstag mit Vertretern der
Arabischen Liga. In den palästinensischen Medien wurde über das Treffen berichtet, einen
Kommentar war es jedoch nicht wert.
»Wozu kommentieren«, fragt Issa Kukali aus Betlehem, »hier sieht doch jeder, dass Israel sich nicht
zurückziehen wird.« Kukali wohnt in Betlehem, studiert in Ramallah und macht die Fahrt dorthin
wöchentlich. Durch den Bau der israelischen Sperranlagen und Siedlungen dauert der vormalige 30-
Minuten-Trip jetzt dreimal so lange, im Idealfall. »Ich habe auch schon fünf Stunden gebraucht«,
erzählt Kukali, der wie die meisten Pendler die Fahrt mit dem Sammeltaxi macht.
Dabei ist der gerade Weg durch Ost-Jerusalem Palästinensern aus den besetzten Gebieten verstellt.
Betlehem ist nach Norden und Westen hin vollständig von Mauern, Stacheldraht und Wachtürmen
umgeben. Die israelischen Soldaten lassen nur noch Touristen und andere Ausländer durch das
acht Meter hohe Metalltor nach Jerusalem passieren. Issa Kukali hingegen fährt in einem großen
Bogen und im Zick-Zack um Ost-Jerusalem herum nach Ramallah. Der Trip führt ihn durch zwei fest
installierte Militärkontrollen und meistens zwei sogenannte »fliegende Checkpoints«. Das ist ein
Jeep mit vier Soldaten, die Fahrzeuge mit grüner palästinensischer Nummer stoppen und die mit
gelber israelischer durchwinken.
Vom Gesetz her darf das israelische Militär Palästinenser höchstens zwei Stunden lang zur
Identitätsprüfung festhalten. »Ich musste mich mit anderen Männern aber auch schon länger in einer
Reihe an die Seite stellen«, erzählt der Student. »An Beleidigungen bin ich zwar schon gewöhnt. Die
Soldaten schlagen uns aber auch. Und beim kleinsten Anzeichen von Gegenwehr nehmen sie dich
in Haft.«
Die Reise führt vorbei an der israelischen Riesensiedlung Maale Adumim mit ihren vielen
Baukränen, die der Idee eines israelischen Rückzugs eine Absage erteilen. Ost-Jerusalem oder gar
die Altstadt mit Al-Aksa-Moschee und Grabeskirche bekommt der Fahrgast sowieso nicht mehr zu
sehen. Eine hohe Betonmauer teilt die palästinensischen Stadtteile, die Israel behalten möchte, von
den anderen.
Der Fahrer kann jetzt Gas geben, braust vorbei an der einzigen Zufahrtsstraße zum Dorf Jaba,
unzugänglich gemacht wie so viele durch einen Schotterhaufen. Erst nach einem weiteren Stopp an
einer dauerhaften Militärsperre erreicht der Reisende Ramallah. Die Weltbank, die kürzlich die
wirtschaftliche Wiederbelebung der palästinensischen Gebiete in Angriff nahm, musste letzte Woche
die Unmöglichkeit dieses Plans bestätigen. »Israelische Behinderungen teilen das Westjordanland in
zehn wirtschaftlich voneinander isolierte Enklaven und verhindern palästinensischen Zugang zu
etwa 50 Prozent des Gebiets«, besagt der am 9. Mai veröffentlichte Bericht. Das Sperren- und
Straßensystem ziele auf »Schutz und Förderung der Bewegungsfreiheit der israelischen Siedler und
die territoriale und wirtschaftliche Ausbreitung der Siedlungen auf Kosten der Palästinenser«.
»Die Wiederbelebung der palästinensischen Wirtschaft funktioniert nur in einer integrierten
ökonomischen Einheit«, weiß Weltbank-Landesdirektor David Craig, »mit Bewegungsfreiheit
zwischen dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen, sowie innerhalb des Westjordanlands
selbst.«
* Aus: Neues Deutschland, 16. Mai 2007
Zurück zur Palästina-Seite
Zur Israel-Seite
Zurück zur Homepage