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Hilfe für palästinensische Gebiete schwierig

Nichtregierungsorganisationen beklagen israelische Restriktionen

Von Mel Frykberg, Ramallah (IPS) *

Mit geld- und zeitraubenden Auflagen für die Durchführung von Entwicklungsprojekten in den palästinensischen Gebieten verursacht Israel europäischen und US-amerikanischen Steuerzahlern jährliche Zusatzkosten in Höhe von insgesamt fünf Millionen US-Dollar. Dies geht aus einem neuen Bericht von Nichtregierungsorganisationen (NGO) hervor, der umfangreiche Bewegungsfreiheiten für die Helfer fordert. Die Restriktionen hindern NGO und andere internationale Organisationen an der Durchführung von Hilfsprojekten, wo sie am dringendsten benötigt werden. Das gilt vor allem für den Gazastreifen, wo Armut und Elend endemisch sind, und für einige Teile des Westjordanlandes.

»Die Einschränkungen berauben die Menschen vor Ort ihrer reellen Chance, ihre Lebenssituation zu verbessern. Schließlich ist die Bevölkerung des Gazastreifens zu 80 Prozent von humanitärer Hilfe abhängig«, kritisiert Kathy Joubeh von der Hilfsorganisation »Medizinische Hilfe für Palästinenser« (Medical Aid for Palestinians – MAP). »Daß Mitarbeiter und Materialien nicht immer nach Gaza reinkommen, bedeutet eine unselige Verschwendung von Zeit und unser Geld.«

MAP ist eines von Dutzenden Mitgliedern der »Internationalen Entwicklungsagenturen« (AIDA), die den Bericht »Eingeschränkte Hilfe: Die Herausforderungen, Hilfe in den besetzten palästinensischen Gebieten zu leisten« (Restricting Aid: The Challenges of Delivering Aid in the Occupied Palestinian Territory) herausgegeben haben. Darin werden die Schwierigkeiten geschildert, die den Hilfsorganisationen bei der Versorgung von Palästinensern in den von Israel besetzten Gebieten in den Weg gestellt werden.

Eine im Gazastreifen tätige Hilfsorganisation sah sich 2008 zum Ausstieg aus mehreren Wasser- und Sanitärprojekten genötigt, weil sich ihr Personal vor Ort nicht frei bewegen konnte und ihre Hilfsgüter festgehalten wurden. Eine weitere Organisation berichtete davon, daß Pumpen und andere Komponenten für den Bau von Brunnen mit einer Verspätung von acht bis zwölf Monaten ihren Bestimmungsort erreicht hätten.

Weitere fünf Hilfsgruppen prangerten Verzögerungen von bis zu sechs Monaten beim Import von landwirtschaftlichem Equipment, Saatgut, Werkzeugen, Büchern, Spielzeug, mobilen Wasserpumpen, medizinischer Ausrüstung und Nahrungsmittelpaketen an. AIDA-Mitglieder berichteten ferner, daß Israels Einkaufs-, Beschaffenheits- und Mengenbeschränkungen eine Reihe nachhaltiger Entwicklungsprojekte zunichte gemacht hätten. So sahen sich Hilfsorganisationen gezwungen, den Wiederaufbau zerstörter Gebäude und Abwässerkanäle nach den letzten Militärangriffen auf den Gazastreifen einzustellen und statt dessen Kinder und Familien psychologisch und sozial zu betreuen.

Im Jordantal und in Gebiet C im Westjordanland – beide Regionen stehen vollständig unter israelischer Kontrolle – führten die Einschränkungen dazu, daß Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur ausblieben. Für viele AIDA-Mitglieder hieß dies, daß sie nur noch kurzfristige Hilfsprojekte durchführen konnten. »Derzeit gibt es Hürden, die uns nicht erlauben, das Leben von Kindern und ihren Familien in solchen Gebieten zu retten, die von Gesundheitseinrichtungen, Schulen und Agrarland abgeschnitten sind«, berichtet Salam Kanaan, Landesdirektor des Kinderhilfswerks »Save the Children«. »Es ist inakzeptabel, daß wir Hilfe nur in Gebieten leisten können, in die man uns hineinläßt. Die Hilfe sollte dorthin gehen, wo sie am stärksten gebraucht wird.«

Auch die Helfer selbst sehen sich in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. So werden ihnen häufig Einreise-, Projekt- und Arbeitsgenehmigungen verweigert. Einige der Dörfer, die in der »Randzone« zwischen der grünen Linie und dem Trennungszaun liegen, sind für sie gar nicht zu erreichen. In der Ortschaft Barta im Norden vom Westjordanland leben 5400 Menschen innerhalb der »Randzone« hinter einem Elektrozaun. Israel hat AIDA-Mitgliedern, die sich ein Bild von den Zuständen des Dorfes machen wollten, sogar einen Kurzbesuch untersagt. »Barta ist kein Einzelfall«, sagt dazu Pauline Nunu vom Hilfsprojekt für ökumenische Begleitung in Palästina und Israel (EAPPI). »Es gibt so viele Fälle, in denen Menschen grundlegende Leistungen vorenthalten werden. Die Hilfsorganisationen sind angesichts der ihnen auferlegten Bewegungsbeschränkungen machtlos.«

* Aus: junge Welt, 18. Juni 2011


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