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Bomben ohne Pause

Israelische Friedensgruppe Gush Shalom zum Gaza-Krieg - und andere Beiträge



Die israelische Friedensgruppe Gush Shalom veröffentlichte am Dienstag (30. Dezember 2008) in der Zeitung Haaretz einen Text zum Gaza-Krieg:

Waffenstillstand jetzt! Dieser Krieg ist unmenschlich, überflüssig und schädlich. Er bringt für Israel nichts Gutes mit sich. Die Tötung Hunderter Palästinenser und die Zerstörung der lebenswichtigen Infrastruktur des Gaza­streifens sind abscheuliche Verbrechen. Diejenigen, die sich davon Nutzen bei den Wahlen erhoffen, täuschen sich gewaltig. Eine Invasion von Bodentruppen wird noch mehr Unheil bringen, wird zerstören, was von Gaza übriggeblieben ist und viele weitere Menschenleben fordern – Israelis und Palästinenser, Soldaten und Zivilisten. Falls es der israelischen Armee gelingt, nach harten Kämpfen die Ruinen von Gaza zu erobern, wird dies höchstens dazu führen, daß Hamas in den Untergrund geht und sich ihr Einfluß im Gazastreifen wie im Westjordanland vergrößert. (…)

Im Namen Tausender Israelis, die in den Straßen Tel Avivs schon in den ersten Stunden nach Kriegsbeginn demonstriert haben, fordern wir, den Angriff auf Gaza sofort zu beenden, einen Waffenstillstand vorzuschlagen – und einzuhalten –, der das Ende aller Gewaltaktionen beider Seiten, die wirkliche Öffnung der Grenzen und die Beendigung der Blockade gegen die Bevölkerung des Gazastreifens umfaßt, sowie in den Dialog mit Hamas einzutreten. Hamas ist ein integraler Bestandteil der palästinensischen Gesellschaft und des palästinensischen politischen Systems. Ohne ihre Beteiligung sind alle Verhandlungen und Übereinkünfte sinnlos.

Übersetzung aus dem Englischen: Hermann Kopp



Olmert besteht auf "eiserner Hand"

Schon über 400 Todesopfer bei israelischer Offensive in Gaza / Diplomatie bislang erfolglos *

Seit Beginn der israelischen Luftangriffe im Gazastreifen sind nach Angaben palästinensischer Rettungskräfte über 400 Menschen ums Leben gekommen. Die seit sechs Tagen andauernde »Operation Gegossenes Blei« ist die blutigste Offensive der israelischen Armee seit dem Sechs-Tage-Krieg von 1967.

Tel Aviv/Gaza (Agenturen/ND). Im Nahen Osten ist auch zu Beginn des neuen Jahres kein Ende der Gewalt in Sicht. Knapp eine Woche nach dem Start der blutigen Offensive Israels im Gazastreifen warten jetzt die Bodentruppen auf ihren Einsatzbefehl. Die israelische Luftwaffe tötete am Donnerstag erstmals ein Mitglied des engsten Führungszirkels der radikal-islamischen Hamas sowie dessen Frau und acht Kinder. Gleichzeitig setzten militante Palästinenser ihre Raketenangriffe auf israelische Städte fort. Als Folge der Gewalt sind bislang mindestens 410 Palästinenser und vier Israelis getötet worden.

Unterdessen gehen die diplomatische Bemühungen um eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas weiter. Der UN-Sicherheitsrat hatte Israel und die Hamas in den letzten Stunden des alten Jahres noch einmal eindringlich zu einer Waffenruhe aufgerufen. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas (Fatah) will sich dafür jetzt direkt beim Sicherheitsrat einsetzen. Abbas werde so lange in New York bleiben, bis es eine Resolution mit einer klaren Zeitvorgabe für ein Ende der Gewalt gebe, sagte Abbas-Sprecher Jassir Abed Rabbo in Ramallah.

Am Rande eines Treffens der Arabischen Liga in Kairo betonten Diplomaten, die arabischen Staaten hätten ihre internen Konflikte beiseite geräumt, um das Blutvergießen im Gazastreifen zu stoppen. Sie schlugen die Entsendung einer internationalen Schutztruppe in den Gazastreifen vor.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wird am Montag (5. Januar) zu Vermittlungsgesprächen in Israel erwartet. Israel hatte einen französischen Vorschlag über eine 48-stündige Waffenruhe abgelehnt.

Der ehemalige palästinensische Ministerpräsident von der Hamas, Ismail Hanija, hatte am Mittwoch während einer Fernsehansprache Gesprächsbereitschaft mit Israel signalisiert. Als Vorbedingung verlangte er das sofortige Ende der Militäroperation, die Aufhebung der Blockade des Gazastreifens und die Öffnung der Grenzübergänge. Hanija hält sich wie andere Hamas-Führer versteckt.

Der amtierende israelische Ministerpräsident Ehud Olmert bekräftigte am Donnerstag (1. Januar), Israel wolle mit »eiserner Hand« gegen Hamas vorgehen. »Ich hoffe, dass wir unsere Ziele so schnell wie möglich erreichen«, sagte Olmert bei einem Besuch in Beerschewa. Ein israelischer Armeesprecher sagte erstmals öffentlich, Ziel der Offensive sei nicht der Sturz von Hamas, sondern eine Abschreckung gegen künftige Raketenangriffe auf Israel zu schaffen.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier warb bei Israel um eine konstruktive Haltung zu arabischen Bemühungen um eine Beruhigung des Konflikts. In einem Telefonat mit Außenministerin Zipi Livni äußerte er nach Angaben des Auswärtigen Amts von Donnerstag in Berlin »seine große Sorge über das Andauern der Kampfhandlungen«.

* Aus: Neues Deutschland, 2. Januar 2009


Bomben ohne Pause

Von Karin Leukefeld **

Am Donnerstag, dem sechsten Tag der israelischen Militäroffensive gegen Gaza, gab die Hamas bekannt, daß eines ihrer hochrangigen Mitglieder bei einem Luftschlag des Aggressors getötet wurde. Nizar Rayyan wird als »Kontaktmann« zum militärischen Flügel der Hamas bezeichnet und soll sich zum Zeitpunkt des Angriffs in seinem Haus im Flüchtlingslager Jabalia aufgehalten haben. Mit ihm seien seine Frau und die acht gemeinsamen Kinder getötet, 30 weitere Personen seien verletzt worden. Israels Luftwaffe und Marine hätten in der Neujahrsnacht 30 Ziele angegriffen, erklärte Armeesprecherin Major Avital Leibovitz. 22 Raketen seien derweil wieder in Israel eingeschlagen und hätten in Ashdod, einer der größten Städte Israels, einen Wohnblock getroffen. Niemand sei zu Schaden gekommen. Seit Beginn des israelischen Überfalls auf Gaza wurden vier Israelis getötet, im Gazastreifen wurde die Zahl der Toten am Neujahrstag mit 400 angegeben. 2000 Menschen seien zum Teil lebensgefährlich verletzt. Die humanitäre Situation in Gaza bleibe »alarmierend«, erklärte John Holmes, der stellvertretende Generalsekretär und UN-Koordinator für Humanitäre Angelegenheiten und Notfallhilfe. Es sei sehr schwierig, sich einen genauen Überblick über die Zahl der Toten und Verletzten zu verschaffen, in jedem Fall »ist dies eine sehr blutige Operation; das Ausmaß der ständigen Angst kann kaum übertrieben dargestellt werden«. Die Angriffe in Gaza erfolgten etwa im Abstand von 20 Minuten, »sowohl am Tag als auch in der Nacht«.

Auf der Bühne der internationalen Politik herrscht derweil weitgehend Stillstand. Trotz Sitzungen, Gesprächen, Händeschütteln und Reisediplomatie allerorten geht der Krieg gegen Gaza weiter. In New York konnte sich der UN-Sicherheitsrat erneut nicht einigen, Israel mit einer bindenden Resolution aufzufordern, die Bombardements einzustellen und die Grenzübergänge zu öffnen. Der Entwurf, der in der Neujahrsnacht von Libyen und Ägypten eingebracht worden war, wurde von den USA und Großbritannien als »unausgewogen« zurückgewiesen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich erneut »tief beunruhigt«, daß die Aufforderung der UN zu einem Ende der Angriffe bislang keine Beachtung gefunden habe. Eine zwölfstündige Sitzung der Außenminister der Arabischen Liga ging in Kairo mit der Forderung nach einem Waffenstillstand zu Ende. Außerdem soll eine Delegation zum UN-Sicherheitsrat in New York geschickt werden. Sollte es dort weiter keine Lösung geben, werde man erneut in Doha (Katar) zusammenkommen.

Der zukünftige US-Präsident Barack Obama, der sich bisher nicht zu dem Vorgehen Israels gegen Gaza geäußert hat, wird aufgefordert, sich vorrangig dem Frieden im Mittleren Osten zu widmen. In Richtung der Hamas ergriff der saudische Außenminister Prinz Feisal die Gelegenheit, die Palästinenser für ihre Uneinigkeit zu kritisieren. Das habe den Angriff Israels auf Gaza erst möglich gemacht. Nicht erwähnt wurde, daß Saudi-Arabien gemeinsam mit den meisten Staaten der westlichen Welt und Jordanien bisher einseitig die Fatah und Mahmud Abbas stützten. Am späten Donnerstagnachmittag traf in Paris die israelische Außenministerin Zipi Livni zu Gesprächen mit dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy zusammen. Dieser will am kommenden Montag zu einem zweitägigen Blitzbesuch nach Jerusalem, Ramallah, Damaskus und Beirut aufbrechen. Sarkozy und sein Außenminister Bernard Kouchner hatten Israel eine 48stündige Waffenruhe vorgeschlagen, um notwendige Hilfsgüter nach Gaza zu bringen und Gespräche für einen neuen Waffenstillstand mit der Hamas aufnehmen zu können. Israel hatte den Vorschlag umgehend zurückgewiesen.

** Aus: junge Welt, 2. Januar 2009


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