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Brennpunkt des Widerstands

Israelische Armee dringt in palästinensischen Ort ein und macht Gefangene

Von Karin Leukefeld *

Erneut ist die israelische Armee (IDF) in den palästinensischen Ort Bil'in eingefallen und hat zwei Palästinenser verhaftet. Wie Abdullah Abu Rahama vom »Volkskomitee gegen die Mauer und den Siedlungsbau« mitteilte, waren in den frühen Morgenstunden am vergangenen Samstag rund 40 israelische Soldaten in zwei Wohnhäuser eingedrungen, wo sie Ashraf Mohammad Jamal Tofik Al-Khatib (29) und Hamru Hisham Bornat (24) festnahmen. Als Haitham Al-Khatib, der als Kameramann arbeitet, die Festnahme seines Bruders mit der Kamera dokumentieren wollte, wurde er gewaltsam vom Ort des Geschehens entfernt, geschlagen und bedroht, falls er nicht aufhöre zu filmen. Ausländische Friedensaktivisten, die den beiden Männern zu Hilfe eilen wollten, wurden ignoriert, geschubst oder mit Waffen bedroht. Auf die Frage, mit welcher Berechtigung sie in die Ortschaft und die Privathäuser eindrängen, erklärten die Soldaten die Häuser und das gesamte Dorf kurzerhand zur »militärischen Sperrzone«, ohne allerdings eine schriftliche Anordnung dafür vorweisen zu können. Die Soldaten waren von zwei Nachbardörfern und durch das Tor der israelischen Sperrmauer gleichzeitig mit Jeeps und Humvees in Bil'in eingefallen, Humvees sind in den USA hergestellte Panzerfahrzeuge. Die beiden Festgenommenen wurden in den Fahrzeugen durch die Mauer abtransportiert.

Seit fast fünf Jahren ist Bil'in Brennpunkt des gewaltlosen palästinensischen Widerstandes gegen die anhaltende israelische Landnahme, die Zerstörung von Olivenhainen und Obstplantagen und gegen die Mauer. Jeden Freitag demonstrieren die Einwohner von Bil'in mit ausländischen Unterstützern gegen die israelische Besatzung, worauf die IDF mit Tränengas, Stink- und Schallbomben und immer neuen Schikanen antwortet. Die nächtlichen Razzien haben nach Angaben der Einwohner von Bil'in seit Juni zugenommen und finden meist nach den freitäglichen Demonstrationen statt. Anfang August wurde einer der Koordinatoren der Proteste, Mohammad Khatib, festgenommen. Mehr als 50 Prozent des Bil'iner Ackerbodens, Felder, Gärten und Plantagen werden durch den Bau der Mauer de facto annektiert. Am 4. September 2007 entschied der Oberste Gerichtshof Israels, daß der Verlauf der Mauer bei Bil'in illegal sei und sie eingerissen werden müsse, die Entscheidung blieb bisher ohne Konsequenzen.

»Die Lektion, die Israel aus dem Holocaust lernen muß, ist, daß es niemals Sicherheit durch Zäune, Mauern und mit Gewehren erreichen wird«, erklärte der südafrikanische Erzbischof und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu in einem Interview mit der israelischen Tageszeitung Haaretz. Tutu hatte in der vergangenen Woche mit einer Delegation von The Elders Israel und die besetzten palästinensischen Gebieten der Westbank besucht und sich dabei auch über die Auswirkungen der Mauer informiert. Mit seiner Äußerung bezog Tutu sich auf die Erklärung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Deutschland, Israel habe aus dem Holocaust gelernt, daß es sich immer verteidigen müsse. Die Araber und die Palästinenser müßten heute für das bezahlen, was die Deutschen den Juden einst angetan hätten, so Tutu.

Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana bereist derweil den mittleren Osten. Sein viertägiger Aufenthalt in der Region begann am Sonntag in Damaskus, wo Solana mit Präsident Bashar Assad zusammentraf. Der erklärte, Syrien sei bereit, mit Israel Frieden zu schließen, wenn es die UN-Resolution 242 einhalten und alle besetzten arabischen Gebiete räumen würde. Syriens Außenminister Walid Mou'allem fügte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Solana hinzu, Israel müsse den illegalen Siedlungsbau einstellen und die Blockade von Gaza aufheben.

* Aus: junge Welt, 1. September 2009


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