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Obama zeigt Abbas die kalte Schulter

Sarkozy schlägt in UNO Zwischenlösung vor *

Die Bemühungen der Palästinenser um eine UN-Vollmitgliedschaft haben den Auftakt der jährlichen Generaldebatte der UN-Vollversammlung dominiert. Während US-Präsident Obama der palästinensischen Initiative am Mittwoch erneut eine Absage erteilte, brachte Frankreichs Staatschef Sarkozy eine Aufwertung des bisherigen Beobachterstatus der Palästinenser als Alternative ins Gespräch.

Im Streit um eine UN-Vollmitgliedschaft für die Palästinenser sind die Fronten vor der für den heutigen Freitag erwarteten Übergabe des Aufnahmeantrags verhärtet geblieben. US-Präsident Barack Obama bekräftigte am Rande der Generaldebatte der UN-Vollversammlung in New York seine Ablehnung gegenüber den Plänen von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas.

In New York kam Obama am Mittwoch (21- Sept.) eine Stunde lang mit Abbas zusammen. Dabei habe er Abbas mitgeteilt, dass er das palästinensische Vorhaben, sich für eine UN-Vollmitgliedschaft an den Sicherheitsrat zu wenden, ablehne, sagte Abbas' Sprecher Nabil Abu Rudeina. Bereits zuvor hatte Obama bei einer Rede vor der Vollversammlung gesagt, im Nahostprozess gebe es keine »Abkürzungen«.

Israels Außenminister Avigdor Lieberman lobte Obamas Haltung. Er hoffe, dass Obamas Äußerungen die Palästinenser überzeugen würden, »zur Realität zurückzukehren« und wieder Friedensverhandlungen mit Israel aufzunehmen. In Ramallah im Westjordanland demonstrierten dagegen rund tausend Palästinenser gegen Obama. Abbas will den Antrag auf Anerkennung einer UN-Vollmitgliedschaft am Freitag an Generalsekretär Ban Ki Moon übergeben, damit dieser ihn an den Sicherheitsrat weiterleitet.

Für eine Aufwertung des Beobachterstatus hatte sich am Mittwoch Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy ausgesprochen und diesen Weg als Zwischenlösung bezeichnet, um mehr Zeit für ein »endgültiges Abkommen« zwischen Israelis und Palästinensern zu gewinnen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle reagierte zurückhaltend auf Sarkozys Äußerungen: Die Rede sei »keine Überraschung« gewesen.

Ban forderte den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu bei einem Treffen in New York auf, »mit Verantwortung, Zurückhaltung und Weisheit« zu reagieren, wenn die Palästinenser ihren Antrag einreichten.

* Aus: Neues Deutschland, 23. September 2011


»Ja, aber...« heißt Nein

Von Roland Etzel **

An Palästina kam keiner vorbei. Alle bisherigen Redner der UNO-Vollversammlung sahen sich veranlasst, zum Begehren des Palästinenser-Präsidenten nach Anerkennung der geplanten Staatsproklamation Stellung zu nehmen. Und mehr als das. Die Mehrheit der Staaten hat überhaupt kein Problem damit, den Wunsch, den Abbas heute unterbreiten will, mit Ja zu beantworten. Kinderrechte kennen keine Herkunft

Das hat zur Folge, dass sich selbst jene Regierungen, die sich der – bislang – kompromisslos ablehnenden Linie Israels und der USA verpflichtet haben, um ein Nein herumdrücken und hinter einem »Ja, aber...« verstecken. Deutschland zählt dazu, die Fadenscheinigkeit der auch von Westerwelle vorgebrachten Argumente ist allerdings mit Händen zu greifen und spottet der brutalen Realität im Nahen Osten. Die israelischen Einwände werden zudem beinahe jeden Tag von seinen maßgeblichen Politikern selbst ad absurdum geführt. Aber in Berlin ist Staatsraison nun mal Staatsraison, jedenfalls im von der Kanzlerin verordneten Sinne. Dann stört es auch plötzlich überhaupt nicht, dass man sich mit der Hamas in einer Ablehnungsfront befindet.

Abbas wird seine Erwartungen trotz großen Zuspruchs nicht ins Kraut schießen lassen. Er wird mit wenig zufrieden sein müssen. Wenn sich Israel aber als Folge der Debatte nach mehr als einem Jahrzehnt Verweigerung erstmals wieder zu tatsächlichen Verhandlungen bereit finden müsste, wäre das der erste echte Erfolg seiner Politik – und dennoch wenig genug 37 Jahre nachdem bereits sein Amtsvorgänger Arafat vor dem gleichen Gremium eine baldige Lösung für Palästina forderte.

** Aus: Neues Deutschland, 23. September 2011


Obama eiert

Der UN-Antrag der Palästinenser und der Wahlkampf in den USA

Von Karin Leukefeld ***


In einem Gespräch mit US-Präsident Barack Obama am Mittwoch /21. Sept.) hat der amtierende Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmud Abbas, sich möglicherweise bereit erklärt, dem UNO-Sicherheitsrat »mehr Zeit« zu geben, um sich mit dem Antrag auf die staatliche Anerkennung eines palästinensischen Staates zu befassen. Der Fatah-Politiker Nabil Shaath, der zur palästinensischen UNO-Delegation gehört, sagte Medienberichten zufolge, man könnte den Antrag am Freitag in der Vollversammlung nicht einbringen, sondern erst dem UNO-Sicherheitsrat zur Prüfung vorlegen. Das würde bedeuten, daß sich der Sicherheitsrat Monate oder auch Jahre damit beschäftigen könnte, der Antrag wäre aus der Öffentlichkeit weg und auf die lange Bank geschoben.

Als alternative »Lösung« wird in den Medien die sogenannte Vatikan-Option gehandelt, die der französische Präsident Nicolas Sarkozy ins Spiel gebracht hat. Danach würden die Palästinenser in ihrem bisherigen Status zum Nichtmitgliedsstaat mit Beobachterstatus heraufgestuft. Sie könnten Mitglied in allen UNO-Organisationen werden, auch im Internationalen Strafgerichtshof. Eine Zustimmung im UNO-Sicherheitsrat wäre dafür nicht erforderlich. Jedem Antrag der Palästinenser dürfte die notwendige Mehrheit in der UNO-Vollversammlung gewiß sein, denn nur eine Minderheit der 193 UNO-Mitgliedsstaaten lehnt einen palästinensischen Staat heute noch ab.

Ob Abbas und Obama sich bei ihrem Treffen am Mittwoch abend auf eine der beiden Vorgehensweisen geeinigt haben, ist unklar. Es gab keine gemeinsame Stellungnahme. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitskomitees im Weißen Haus, Ben Rhodes, sagte nach dem Treffen, Obama habe Abbas deutlich gemacht, daß die USA im UNO-Sicherheitsrat dem Antrag »widersprechen und notfalls auch ein Veto einreichen müsse«. Außenministerin Hillary Clinton hatte schon zuvor den Palästinensern mit der Einstellung aller Hilfszahlungen gedroht, sollten sie ihren Antrag nicht zurückziehen.

In seiner Rede vor der UNO-Vollversammlung hatte Präsident Obama betont, ein palästinensischer Staat könne nur Ergebnis von Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern sein, es gebe keine »Abkürzungen im Nahostfriedensprozeß«. Beide Seiten müßten sich auf zentrale Fragen wie die Grenzen, das Rückkehrrecht für Flüchtlinge, den Status von Jerusalem und die Sicherheit Israels einigen, sagte Obama. Frieden werde »nicht durch Erklärungen und Resolutionen bei der UNO« gemacht. »Wäre es so einfach, wäre er längst erreicht.« Positiv äußerte sich Obama zum »arabischen Frühling« und versprach dafür großzügige Unterstützung seitens der USA.

Jasser Abd Rabbo, Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), kritisierte die Äußerungen Obamas. Freiheit müsse es in der ganzen Region geben, sagte er vor Journalisten in New York. Es klaffe aber eine Lücke in der Rede Obamas »zwischen dem Lob für den Freiheitskampf der Araber und der abstrakten Aufforderung an uns, mit den Israelis zu verhandeln«. Die »fortgesetzte Annexion« palästinensischen Bodens durch Israel müsse gestoppt werden.

Der UN-Antrag der Palästinenser ist längst zu einer inneramerikanischen Auseinandersetzung im Vorfeld der nächsten Präsidentschaftswahlen geworden. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Rick Perry, Neokonservative und die reaktionäre Tea-Party-Bewegung machen gemeinsam mit israelischen Lobbygruppen massiv Stimmung gegen Obamas Nahostpolitik. Sowohl Obama als auch sein Gegenspieler dächten derzeit nur an die Präsidentschaftswahlen 2012, kommentierte am Mittwoch ein ARD-Korrespondent: »Und die gewinnt niemand, der als Freund der Palästinenser gilt.«

*** Aus: junge Welt, 23. September 2011


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