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USA suchen Marionetten

Von Knut Mellenthin *

Barack Obamas neues »Zentrum des Kriegs gegen den Terror«, Afghanistan und Pakistan – im Washingtoner Landserjargon zu »AfPak« verkürzt – steht in dieser Woche auf der Tagesordnung zweitägiger Gespräche im Weißen Haus. Die Präsidenten der beiden Länder, Hamid Karsai und Asif Ali Zardari, die am Mittwoch in den USA eintreffen, werden ihrem amerikanischen Kollegen sinnbildlich gesprochen auf sehr niedrigen Stühlen gegenübersitzen, denn von gleicher Augenhöhe kann von vornherein überhaupt keine Rede sein. Der Afghane, auch als »Bürgermeister von Kabul« verhöhnt, ist bereits ganz offensichtlich eine US-Marionette, während Zardari von dieser Rolle nicht mehr sehr weit entfernt ist.

Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch voriger Woche gab sich Obama »tief besorgt« über die Stabilität der pakistanischen Regierung. Ein Vertreter des Pentagon bezeichnete am Freitag Präsident Zardari als »sehr, sehr schwach«. US-Medien zitierten am Donnerstag den Chef des für die Region zuständigen Kommandos Mitte, David Petraeus, mit der Prognose, daß die pakistanische Regierung in den nächsten zwei Wochen zusammenbrechen könnte, wenn sie bis dahin die Taliban im Nordwesten des Landes nicht militärisch geschlagen hat. Der Spruch schlug in Pakistan hohe Wellen und wurde am Sonnabend vom Sprecher des State Department nur sehr schwach und wenig überzeugend dementiert.

Am Sonnabend (2. Mai) berichtete die New York Times, offensichtlich aufgrund gezielter Hinweise aus Washington, daß die Obama-Administration vorhabe, sich stärker auf Zardaris Hauptrivalen, den Oppositionsführer Nawaz Scharif, zu orientieren. Ein anonymer Vertreter des US-Verteidigungsministeriums wurde mit der Aussage zitiert: »Die Idee dabei ist, die Popularität von Scharif mit den Dingen zu verbinden, von denen wir meinen, daß sie getan werden müssen, wie dem Umgang mit den Taliban.«

Tatsächlich steht Scharifs Moslem-Liga den militanten Islamisten näher als die Volkspartei von Zardari. Scharif, der 1999 durch den Militärputsch des von den USA unterstützten Generals Pervez Musharraf entmachtet wurde, hatte sogar erwogen, die Scharia, die islamische Justiz, für das ganze Land verbindlich zu machen. Über 80 Prozent der Pakistanis äußern sich derzeit positiv über Scharif, während die Zustimmung zur Politik Zardaris nur zwischen zehn und 20 Prozent liegt. Die Vorstellung, den Opposi­tionsführer als Zugpferd vor den Karren der Obama-Regierung zu spannen, ist freilich absurd: In dem Moment, wo er sich darauf einließe, würde er an Popularität enorm einbüßen und weitgehend seine Fähigkeit verlieren, islamistische Kräfte zu integrieren.

Der Fraktionsführer der Moslem-Liga im Parlament, Chaudhry Nisar Ali Khan, hat Spekulationen dieser Art sofort eine Absage erteilt. Trotz aller Meinungsverschiedenheiten mit der regierenden Volkspartei werde die Liga keiner auswärtigen Macht erlauben, sich in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen. Dem US-Präsidenten warf er vor, sich gegen Pakistan einer Sprache zu bedienen, wie sie nicht einmal gegenüber Irak und Afghanistan jemals benutzt worden sei.

Unterdessen hat John Bolton, unter George W. Bush Vertreter der USA bei der UNO, eine weitere Option ins Spiel gebracht: In einem Kommentar des Wall Street Journal plädierte er für amerikanische Zustimmung zu einer Machtübernahme durch das Militär.

* Aus: junge Welt, 4. Mai 2009


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