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Mädchenschule zerstört

Taliban trotz der US-Drohnen-Attacken in Nordwestpakistan aktiv

Von Hilmar König, Delhi *

In der pakistanischen Provinz Süd-Waziristan haben Aufständische eine Mädchenschule durch einen Anschlag vollkommen zerstört. Die Armee belegte daraufhin am Donnerstag Stellungen der Taliban mit Artilleriefeuer.

Auf die jüngste Serie von aus US-amerikanischen Drohnen abgefeuerten Raketen auf pakistanisches Gebiet hat die Regierung in Islamabad diesmal nicht mit Protesten reagiert. In der gleichen Region geht das pakistanische Militär nämlich massiv gegen den »gemeinsamen Hautfeind« - die Taliban - vor. Am Donnerstag gaben diese mit der Zerstörung einer Mädchenschule in Shin Warsak in der Nordwest-Grenzprovinz eine indirekte Antwort auf die Raketenangriffe des US-Militärs. Bereits zu Wochenbeginn hatten sie zwei Schulen in Peshawar und eine Schule in der Bajaur-Region attackiert.

Ein angebliches Taliban-Ausbildungslager sowie eine Begräbnisprozession in der nordwestlichen Region Süd-Waziristan waren am Dienstag mit Raketen angegriffen worden. Washington gab zu, dass dabei zwischen 20 bis 30 Menschen getötet worden waren. Örtliche Behörden sprachen von mindestens 60 Toten, mehr als die Hälfte davon Zivilisten.

Baitullah Mehsud, Chef der militanten »Tehrik-e-Taliban Pakistan« und Verbindungsmann zu Al Qaida, soll sich zum Zeitpunkt der Angriffe dort aufgehalten haben, kam aber offenbar mit heiler Haut davon. Er gilt auch als Drahtzieher des tödlichen Attentats von Ende Dezember 2007 auf Ex-Ministerpräsidentin Benazir Bhutto.

Die Sicherheitskräfte in Islamabad betrachten Mehsud als den Hauptverantwortlichen für die Kämpfe im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. Er soll etwa 20 000 Taliban-Kämpfer, darunter Hunderte Ausländer - Usbeken, Tadshiken, Tschetschenen, Uiguren und Araber - kommandieren. In den vergangenen Wochen waren sie vom pakistanischen Militär in schweren Gefechten aus dem Swat-Tal vertrieben worden, aus dem Hunderttausende Menschen flohen. Während die Bevölkerung mehrheitlich das militärische Vorgehen gegen die Taliban unterstützt, glaubt Oppositionsführer Fasl ur Rehman, Islamabad sei lediglich ein Erfüllungsgehilfe des Pentagons. Im Fernsehen erklärte er: »Der Krieg gegen den Terrorismus ist ein Krieg der USA, mit dem Pakistan nichts zu tun hat.« Sein Land sei »ein Werkzeug der USA geworden« und wolle sich nur »dem Boss andienen«. Rehman ist Generalsekretär der religiösen Allianz Muttahida Majlis-e-Amal.

Das Kriegsgeschehen im Nordwesten Pakistans verdrängte schnell wieder die gute Nachricht, auf die die Bevölkerung seit Jahren wartete: Die Kricket-Nationalmannschaft gewann am Sonntag in London im Endspiel gegen Sri Lanka den Weltpokal und löste damit einen patriotischen Taumel aus. Die Menschen zwischen Islamabad und Karachi hatte eine »unglaubliche Freude« erfasst, wie es die Zeitung »Daily News« beschrieb.

Die Medien schlugen den Bogen vom Sport zur Politik: Der Sieg vereine die Nation im Überlebenskampf gegen den Terrorismus, gegen die Attacken der Taliban und die Operationen der Qaida im Grenzgebiet zu Afghanistan. Das Kricketteam habe dem Volk aus der Depression geholfen, äußerte Premier Syed Jusuf Gilani.

* Aus: Neues Deutschland, 26. Juni 2009


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