Bombenanschlag auf Markt in Peshawar
Mehr als 90 Todesopfer in pakistanischer Großstadt / Taliban-Angriff auf Kabuler UNO-Gästehaus
Bei zwei verheerenden Anschlägen in Pakistan und Afghanistan sind am Mittwoch (28. Okt.) mehr als 100 Menschen getötet worden. In Peshawar starben bei einer Bombenexplosion zu Beginn des Pakistan-
Besuchs von US-Außenministerin Clinton mindestens 90 Menschen. In Kabul griffen Taliban-
Kämpfer ein Gästehaus der Vereinten Nationen an und töteten neun Personen, unter ihnen sechs
UN-Mitarbeiter.
Ein verheerender Bombenanschlag mit mehr als 90 Toten hat am
Mittwoch (28. Okt.) den Besuch von US-Außenministerin Hillary Clinton in Pakistan überschattet. In der
Großstadt Peshawar im Nordwesten des Landes explodierte auf einem belebten Markt eine
Autobombe, die meisten Opfer waren nach Angaben von Rettungskräften Frauen und Kinder.
Clinton, die kurz zuvor zu Gesprächen in Islamabad angekommen war, verurteilte die »brutalen
Anschläge«.
Der Informationsminister der Nordwest-Grenzprovinz, Mian Iftikhar Hussain, gab die Zahl der Toten
mit 80 an. Außerdem seien bei der Explosion mehr als 200 Menschen verletzt worden.
Rettungskräfte befürchteten, dass die Zahl der Opfer weiter steigen könnte, da viele Menschen noch
unter Trümmern verschüttet seien.
Zuvor hatte Clinton die pakistanische Armee zu einem konsequenten Vorgehen gegen Al Qaida und
die Taliban aufgefordert. »Wir wissen, dass Al Qaida und ihre Verbündeten noch immer auf der
Suche nach radioaktivem Material sind«, sagte die Außenministerin. Schon mit einer kleinen Menge
könnten die Terroristen einen Anschlag »mit sehr fürchterlichen politischen und psychologischen
Folgen« ausführen. Die US-Außenministerin will noch bis Freitag in Islamabad und Lahore
Gespräche führen.
In der afghanischen Hauptstadt Kabul haben zehn Tage vor der Stichwahl um das afghanische
Präsidentenamt vor dem Morgengrauen drei als Polizisten verkleidete Angreifer ein Gästehaus der
UNO im Geschäftsviertel Schar-e-Now gestürmt. Es entwickelte sich ein mehrstündiges
Feuergefecht, an dessen Ende auch die drei Angreifer tot waren. Nach heftigen Explosionen stand
das Gebäude in Flammen.
Nach Angaben der Vereinten Nationen kamen bei dem Angriff sechs ausländische UN-Mitarbeiter
ums Leben, neun weitere wurden verletzt. Eines der Todesopfer stammte aus den USA; die
Nationalität der anderen wurde nicht bekannt. Auch drei Sicherheitskräfte wurden getötet.
Zu dem Angriff bekannten sich die Taliban. Die Attacke sei nur der erste Schritt einer Kampagne der
Gewalt gegen die zweite Runde der Präsidentenwahl, sagte Taliban-Sprecher Sabihullah
Mudschahed gegenüber AFP
* Aus: Neues Deutschland, 29. Oktober 2009
AFPAK in Flammen
Von Olaf Standke **
Salutschüsse aus Anlass von Staatsvisiten sind eine alte Tradition. Für Hillary Clinton sorgten die Taliban in Pakistan gestern für einen besonders perfiden Donnerhall: Beim schwersten Terroranschlag seit zwei Jahren starben mindestens 90 Menschen. Fast zeitgleich stürmten radikale Islamisten im Zentrum der afghanischen Hauptstadt Kabul ein UN-Gästehaus, sechs ausländische Mitarbeiter starben. Drastischer konnte der US-amerikanischen Außenministerin das Scheitern der von der Washingtoner Regierung im Frühjahr präsentierten neuen »AFPAK-Strategie« kaum demonstriert werden.
Hinter dem Akronym verbirgt sich die aus Sicht des Weißen Hauses sicherheitspolitische Problemzone Nr. 1. Und wie die islamistischen Grenzgänger sind es auch die USA, die mit dieser vor allem auf das Pentagon setzenden Strategie aus Afghanistan und Pakistan gleichsam siamesische Zwillinge im »Anti-Terrorkrieg« machen. Mit 7,5 Milliarden Dollar unterstützt Washington Islamabad, das meiste davon ist Militärhilfe. Doch die Offensiven der pakistanischen Armee haben den Terror nicht eingedämmt, sondern nur noch angeheizt. Und der ausgeweitete Einsatz US-amerikanischer Drohnen trifft zu oft unschuldige Zivilisten. Die allgegenwärtige Gewalt höhlt so nicht nur in Afghanistan die Staatlichkeit aus. Auch Pakistan befindet sich längst im Kriegszustand.
** Aus: Neues Deutschland, 29. Oktober 2009 (Kommentar)
CIA fördert Drogenhandel
Von Rainer Rupp ***
»Nirgendwo auf der Welt gibt es einen namhaften Drogenhandel, bei dem die CIA nicht mitmischt«. Diese Binsenweisheit ist nach einem Bericht der New York Times erneut bestätigt worden. Ging es früher um Mauscheleien mit Drogenbaronen in Lateinamerika oder in Südostasien, so hat sich die Agency diesmal laut der Zeitung als Teil der organisierten Kriminalität im Kriegsgebiet am Hindukusch erwiesen. Nach Aussagen aktiver und ehemaliger US-Geheimdienstler steht ausgerechnet der wegen seiner Rolle als Schlüsselfigur im afghanischen Drogengeschäft bekannte Ahmed Wali Karsai, der Bruder des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, auf den Lohnlisten der CIA, und das seit fast acht Jahren. Absurd mutet es daher an, daß US-amerikanische Politiker und Medien Präsident Karsai verurteilen, weil er bisher nicht gegen seinen Bruder Ahmed strafrechtlich vorgegangen ist.
Die Kampagne begann vor etwa einem Jahr, nachdem man sich im Weißen Haus dazu entschlossen hatte, eine Alternative zu Präsident Karsai aufzubauen. Aber offensichtlich wußte bisher die eine Hand in Washington nicht, was die andere tut. Dabei wird Karsais Bruder laut Geheimdienstquellen als wertvoller Mitarbeiter der CIA eingeschätzt. Als Paschtune ist Ahmed Auge und Ohr des Geheimdienstes auch tief in den von den Taliban kontrollierten paschtunischen Stammesgebieten, wohin er dank seines kriminellen Netzwerkes vielfältige Verbindungen hat. Zugleich hilft Ahmed der Agency bei der Kontaktaufnahme zu Stammesführern, die entweder mit den Taliban sympathisieren oder die Seiten wechseln wollen. Zugleich können CIA-Spezialeinheiten die weit verstreuten Besitztümer Ahmeds für ihre verdeckten Operationen nutzen. Im Gegenzug hat die CIA dem Bruder des Präsidenten in mindestens zwei Fällen geholfen, lästige Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. So wurde der Polizeichef von Kandahar, Matiullah Qati, im Juni 2009 von einer CIA-Spezialeinheit »irrtümlich« erschossen, und die Geschäfte des Drogenbarons Hajji Bashir Noorzai, der dank Ahmeds Hilfe 2005 in eine amerikanische Falle getappt war, sind anscheinend von ihm übernommen worden. Als Gipfel der Naivität bzw. der Apologie der US-Politik in Afghanistan meint dazu die New York Times: »Die CIA-Praktiken legen nahe, daß die USA nicht alles in ihrer Macht Stehende tun, um den lukrativen Drogenhandel in Afghanistan ausmerzen.«
Derweil nehmen die Kämpfe in Afghanistan weiter zu. Mit 55 Toten ist acht Jahre nach Beginn des Krieges der Oktober zum blutigsten Monat für die US-Besatzer geworden. Der zweitschlimmste war der vergangene August mit 51 Toten. Zugleich scheinen sich die Voraussagen zu bewahrheiten, daß die bewaffneten Gegner der Besatzung auch in der bisher relativ sicheren Hauptstadt Kabul immer ungenierter operieren können. Davon zeugt der Angriff am Mittwoch morgen auf ein als absolut sicher geglaubtes Gästehaus der Vereinten Nationen im Regierungsviertel. Dabei starben neun Menschen, darunter sechs ausländische UN-Mitarbeiter. Zugleich unterstreicht dieser Angriff das totale Versagen der UNO, denn in Afghanistan ist sie unter dem Druck der USA und weiterer NATO-Länder zum Handlanger der Besatzer und somit zur Zielscheibe für die Aufständischen geworden.
*** Aus: junge Welt, 29. Oktober 2009
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