Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

18 Tote bei US-Raketenangriffen

Pakistan erneut bombardiert. Unter Präsident Obama mehr Attacken als unter Bush

Von Knut Mellenthin *

Bei drei Angriffen US-amerikanischer Drohnen auf Ziele in Nordwestpakistan sind am Montag mindestens 18 Menschen getötet worden. Die Militärschläge, die im Abstand von mehreren Stunden erfolgten, richteten sich gegen zwei Gebäude und ein Fahrzeug in verschiedenen Teilen der Region Südwasiristan. Es waren die schwersten Angriffe seit dem 17. März, als bei koordinierten Attacken der vom Geheimdienst CIA gesteuerten unbemannten Flugkörper 35 Menschen starben. Die Opfer waren hauptsächlich Dorfbewohner, die an einer Stammesversammlung teilgenommen hatten.

Weder die CIA noch andere Dienst- und Regierungsstellen der USA äußern sich jemals über Zweck, Ziele und Ergebnisse der Drohneneinsätze. Barack Obamas unerklärter Krieg in Pakistan stützt sich auf eine generelle Vollmacht, die der Kongreß seinem Vorgänger George W. Bush nach dem 11. September 2001 erteilte. Sie gibt dem Präsidenten das formale Recht zu Mordaktionen auf der ganzen Welt, soweit er sie mit dem »Kampf gegen den Terror« begründet.

Es wäre indessen falsch, diese Angriffe als »gezielte Tötungen« zu bezeichnen: In den meisten Fällen wissen die Auftraggeber der Drohnenschläge überhaupt nicht, wer sich im Zielgebiet befindet. Eine besonders infame Taktik besteht darin, nach einiger Zeit einen zweiten Angriff zu führen, wenn die Dorfbewohner in Nachbarschaftshilfe dabei sind, die Opfer zu bergen und die Trümmer aufzuräumen.

Am Freitag voriger Woche (3. Juni) soll der CIA mit der Tötung eines bekannten Führers der militanten Islamisten, Ilyas Kashmiri, ein bedeutender Erfolg gelungen sein. Bisher hat allerdings keine US-Dienststelle den Tod Kashmiris bestätigt, und die Menge der ihm zugeschriebenen Überfälle und Anschläge ist sachlich nicht fundiert.

Friedensnobelpreisträger Obama hat seit seiner Amtsübernahme die Zahl der Drohnenattacken massiv steigern lassen. Im Jahr 2009 ließ er über 50 Angriffe fliegen – mehr als Bush in seiner achtjährigen Präsidentschaft. Im vorigen Jahr wurden bei rund 130 Angriffen nach vorsichtigen Schätzungen 670 Menschen getötet. Die gestrigen Luftschläge waren die zwölften seit der angeblichen Erschießung Osama bin Ladens am 2. Mai.

* Aus: junge Welt, 7. Juni 2011


Pakistaner sehen USA als Bedrohung

»Überraschende« Ergebnisse einer Umfrage / Wieder starben Zivilisten bei Drohnenangriff **

Die USA stellen inzwischen nach einer Umfrage für mehr als ein Drittel der Pakistaner die größte Bedrohung der südasiatischen Atommacht dar.

Washington wird damit in der nicht repräsentativen Befragung von 500 Pakistanern durch die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) gefährlicher wahrgenommen als die Wirtschaftskrise, der Terrorismus oder der Erzfeind Indien.

Auf die Frage nach der größten Bedrohung für Pakistan nennen 38 Prozent die USA, gefolgt von der Wirtschaftskrise (31 Prozent) und von Terroristen (22 Prozent). Nur noch neun Prozent halten die benachbarte Atommacht Indien für die größte Gefahr. KAS-Landeschef Babak Khalatbari nannte die Ergebnisse »überraschend«.

Nach der am Montag (6. Juni) veröffentlichten Umfrage glaubt fast jeder Dritte (31 Prozent), dass Al-Qaida- Chef Osama bin Laden noch am Leben ist. Fast drei Viertel der Befragten gehen davon aus, dass Bin Laden zumindest nicht bei der eigenmächtigen US-Operation Anfang Mai im nordpakistanischen Abbottabad getötet wurde.

»72 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Personen sind der Meinung, dass er schon vorher getötet wurde, an einem Nierenleiden verstarb oder aber noch am Leben ist«, so Khalatbari.

Angeheizt haben den Antiamerikanismus besonders die mit Pakistan nicht abgestimmte Operation gegen Bin Laden und der Fall des CIA-Agenten Raymond Davis. Davis hatte im vergangenen Januar auf offener Straße zwei Pakistaner erschossen und war danach unter dubiosen Umständen aus der Haft entlassen worden.

Auch die US-Drohnenangriffe werden von weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnt. Die von US-Spezialisten ferngesteuerten Flugzeuge nehmen zumeist Aufständische und Terroristen ins Visier. Immer wieder kommen aber auch Zivilisten ums Leben. Im vorigen Jahr starben nach pakistanischen Angaben insgesamt etwa 700 Menschen bei den Angriffen. Bei der jüngste Attacke im Stammesgebiet Süd-Waziristan kamen am Montag mindestens 20 Menschen ums Leben.

** Aus: Neues Deutschland, 7. Juni 2011


Bumerang in Pakistan

Von Olaf Standke ***

Es ging gestern Schlag auf Schlag in Pakistan. Binnen weniger Stunden haben drei US-amerikanische Drohnen im Stammesgebiet Süd-Waziristan, einer wichtigen islamistischen Rückzugszone, 20 mutmaßliche Aufständische getötet. Schon am Freitag hatte der Angriff eines ferngesteuerten Kampfjets im Grenzgebiet für Schlagzeilen gesorgt, weil vermutlich ein wichtiger Al-Qaida-Führer ums Leben kam. Doch sind diese Flüge in der völkerrechtlichen Grauzone ein zweischneidiges Schwert. Während sie von der Regierung in Islamabad zwar kritisiert, aber geduldet werden, ist die Ablehnung in der Bevölkerung massiv, sterben dabei doch immer wieder Zivilisten. Allein im Vorjahr etwa 700 Menschen.

Kein Wunder also, dass die USA laut einer neuen Umfrage inzwischen für mehr als ein Drittel der Pakistaner die größte Bedrohung bilden und gefährlicher wahrgenommen werden als jener Terrorismus, den man auf diese Weise doch bekämpfen will. Nicht zuletzt die mit Islamabad nicht abgestimmte Liquidierung Osama bin Ladens habe den Antiamerikanismus angeheizt. Für die USA allerdings war sie Anlass, die Angriffe auszuweiten – während in Washington zugleich die Forderung immer lauter wird, die nichtmilitärische Hilfe für Pakistan einzustellen. Eine fatale Kombination, wie auch das »Center for Global Development« meint. Es empfiehlt vielmehr eine neue Entwicklungspolitik, mit »Geduld und Transparenz«. Eigenschaften, die Kampfdrohnen kaum auszeichnen.

*** Aus: Neues Deutschland, 7. Juni 2011 (Kommentar)


Zurück zur Pakistan-Seite

Zur Seite "Drohnen, UAV"

Zurück zur Homepage