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CIA tötete deutsche Terror-Azubis

Geheimdienst-Gerüchte über Drohnen-Einsatz in Pakistan

Von René Heilig *

Der US-Geheimdienst CIA hat offenbar bei einem Drohnenangriff im pakistanischen Nord-Wasiristan abermals mutmaßliche Extremisten getötet. Diesmal vor allem deutsche.

Verschiedenste Geheimdienste streuen unterschiedliche Gerüchte. Offizielle Bestätigungen vor allem aus den USA fehlen. Möglicherweise sind bei der Attacke am Montag zwölf Menschen getötet und weitere verwundet worden. Je nach Quelle könnten vier, fünf oder acht der Toten aus Deutschland stammen. Einer soll sich Fayyaz genannt haben. Bei drei weiteren Toten handelte es sich um Pakistaner - oder doch »nur« um zwei Turkmenen? Augenzeugen berichteten jedoch von toten »Arabern«, konnten aber keine weiteren Angaben zu deren Identität machen.

Kein Protest aus Berlin, bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe heißt es, man wisse nur, »was man im Radio hört«. Aktuelle Ermittlungen, wer da illegal möglicherweise unter welchem Verdacht wann von wem getötet wurde, gebe es nicht. Nun müssten sich »erst einmal das Auswärtige Amt und die Nachrichtendienste um Fakten bemühen«, hieß es auf ND-Anfrage. Auch das Außenamt sagte: »Es gibt bisher keine Erkenntnisse.«

Die Angaben aus Pakistan sind auch vor Ort nicht nachprüfbar - nicht nur, weil die Taliban die Leichen umgehend fortgeschafft haben. Sicher scheint: Ein unbemanntes Fluggerät hat in der pakistanischen Region Nord-Wasiristan zwei Raketen auf das Haus eines Stammeschefs gefeuert. Ein pakistanischer Agent - der Geheimdienst ISI hat traditionell gute Beziehungen zu Taliban und Mudschaheddin - berichtete: »Die Raketen sind in ein Gehöft eingeschlagen, das dem Taliban Sher Maula Khan gehört.« Der hatte es »Deutschen« vermietet. Die waren angeblich zur Terrorausbildung im drei Kilometer entfernten und einschlägig bekannten Mir Ali angereist.

Ein leitender Beamter des ISI behauptet - laut Agentur AP -, dass sich mehrere Dutzend Personen mit europäischer Staatsangehörigkeit im gesetzlosen Grenzgebiet aufhalten. Daneben gebe es Tschetschenen, Usbeken, Araber und Türken - einer davon sei Ex-Pilot der türkischen Luftwaffe. Das britische Amt für Kommunikationsüberwachung vermutet unter den Extremisten bis zu 20 gebürtige Briten. Mobilfunkgespräche sind nach England zurückverfolgt worden, speziell in die »Midlands«, wo viele pakistanische Immigranten leben. Auch US-Bürger lassen sich drillen - so wie Faisal Shahzad aus dem US-Bundesstaat Connecticut, der am 1. Mai 2010 am New Yorker Time Square eine Autobombe zünden wollte. Gestern erging das Urteil: Lebenslänglich.

Beinahe täglich griffen im vergangenen Monat CIA-Drohnen Ziele jenseits der afghanischen Grenze an. Ein neuer Rekord, der möglicherweise auch mit den anstehenden US-Kongresswahlen zu tun hat, meinen Experten. Die »New York Times« berichtete unlängst sogar von Plänen für kurze US-Bodenoperationen in Pakistan. Verstärkt verbreitet werden derzeit Gerüchte über bevorstehende Al-Qaida-Anschläge in Europa, darunter in Deutschland. Befürchtet werden »swarm-attacs«, bei denen Terror-Teams mit automatischen Waffen Blutbäder anrichten. Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt haben angeblich Hinweise auf 70 Personen, die aus Deutschland nach Pakistan und Afghanistan gereist sind, um eine Terror-Ausbildung zu absolvieren. Ein Drittel sei zurückgekehrt.

Das Innenministerium bleibt dabei: Für »Alarmismus besteht jedenfalls zur Zeit kein Anlass«.

* Aus: Neues Deutschland, 6. Oktober 2010


Leichen verschwunden

Unklarheit über angeblichen Tod mehrerer Deutscher in Pakistan

Von Knut Mellenthin **


Nach einem Bombenanschlag auf einen Tanklaster im Nordwesten Pakistans am Dienstag blieb die Lage in dem für den Nachschub der NATO-Truppen in Afghanistan wichtigen Gebiet angespannt. Es war bereits der fünfte Anschlag auf die wichtige Versorgungsroute des westlichen Bündnisses seit der von Pakistan verfügten Schließung des Grenzübergangs Torkham für den NATO-Nachschub am vergangenen Donnerstag.

Gerüchte über den Tod von mehreren deutschen »Dschihadisten« in Pakistan blieben am Dienstag bis Redaktionsschluß unbestätigt. Die britische Nachrichtenagentur Reuters hatte am Montag zunächst gemeldet, daß bei einem Drohnenangriff in Mir Ali (Nordwasiristan) acht Deutsche ums Leben gekommen seien. Angeblich hatten zwei Raketen des unbemannten Flugkörpers eine Moschee getroffen, in der sich die Opfer zum Gebet aufhielten. Spätere Berichte sprachen zwar auch von acht Toten, unter denen aber nur fünf Deutsche seien. Außerdem war nunmehr nicht mehr von einer Moschee, sondern von einem Haus die Rede, das angeblich einem Stammesführer mit Verbindungen zu den Taliban gehört habe.

Am Dienstag (5. Okt.) war die Zahl der getöteten Deutschen auf vier gesunken, so jedenfalls der britische Sender BBC, der aber nach wie vor von insgesamt acht Toten und einer unbekannten Zahl von Verletzten sprach. Alle Leichen seien kurz nach dem Angriff von Stammeskriegern weggetragen und beigesetzt worden.

Ob sich überhaupt Deutsche unter den Opfern des Angriffs befanden, war am Dienstag völlig offen. Alle von den Nachrichtenagenturen verbreiteten Meldungen beruhten auf Behauptungen anonymer pakistanischer Beamter, von denen offenbar niemand eigene Informationen hatte. Das ist gängige Praxis, da die örtlichen Taliban nach Drohnenattacken meist die getroffene Gegend abriegeln.

Zuständig für die Einsätze unbemannter Flugkörper gegen Pakistan ist der US-Auslandsgeheimdienst CIA. Der Angriff am Montag stand offenbar in Zusammenhang mit Spekulationen über geplante Anschläge von Al-Qaida in Europa, die schon seit Tagen die Runde machen. Nach vorherrschenden, aber nicht bestätigten Vermutungen gehen diese Gerüchte hauptsächlich auf angebliche Aussagen des Deutschen Ahmad Sidiqi zurück, der von US-amerikanischen »Verhörspezialisten« schon seit Juli auf dem berüchtigten Stützpunkt Bagram in Afghanistan bearbeitet wird.

** Aus: junge Welt, 6. Oktober 2010


Nur nichts wissen müssen

Von Richard Claus ***

Schon vier Tage, nachdem die USA per fliegendem Roboter in Pakistan mutmaßliche deutsche Islamisten umgebracht haben, wissen die Anti-Terror-Spezialisten des Bundesinnenministeriums - gar nichts. Oder nur das, was die Zeitungen so schreiben. Und warum sind die Spezialisten so ahnungslos? Weil die US-Verbündeten ihnen nichts sagen.

Stimmt, die CIA »zieht ihr Ding durch« und entscheidet von Fall zu Fall, ob sie Verbündete ins Vertrauen zieht, wenn es um Mord und ähnliche ungeniert verübte Verbrechen geht. Doch damit allein lässt sich die deutsche Ahnungslosigkeit nicht begründen. Es herrscht offenbar ein stilles Einverständnis mit der CIA. Unsere Regierung und nachgeordnete Beamte wollen gar nichts wissen. Sonst wären sie amtshalber zu weiteren Ermittlungen verpflichtet. Schon weil niemand einfach deutsche Bürger umbringen darf - nicht einmal, wenn sie böse Terroristen sind.

Nur mal angenommen, unsere Regierung würde sich aus gegebenem Anlass doch um US-Drohnenattacken kümmern. Dann wäre es nur fair, die Verbündeten auf den Unsinn ihrer Vorfeldverteidigung hinzuweisen. Jeder Polizeifahnder weiß, dass es wenig Sinn macht, nach Rambo-Art beispielsweise gegen Handelsplätze von Drogendealern vorzugehen. Die nämlich suchen sich dann einfach ein neues Revier, um ungestörter denn je ihrem Geschäft nachzugehen. So ähnlich ist das auch mit der Bande, die man Al Qaida nennt. Die Top-Terroristen haben längst halbwegs sichere Basen in Somalia, Jemen oder im Maghreb eingerichtet. Oder sie sind bereits unter uns. Das behauptet jedenfalls das BKA - und es könnte ja sein, dass man dort ausnahmsweise doch mal etwas weiß.

*** Aus: Neues Deutschland, 8. Oktober 2010 (Kommentar)


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