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Stillschweigende Zustimmung? Pakistan und der geheime US-Drohnenkrieg

Ein Beitrag von Andreas Flocken in der NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien" *

Beginnen wollen wir .. mit der Diskussion über gezielte Tötungen durch bewaffnete Drohnen. Seit Jahren versuchen die USA auf diese Weise Terroranschläge zu verhindern. Vor allem in Pakistan kommt es immer wieder zu US-Drohnenangriffen. Und regelmäßig protestiert die pakistanische Regierung gegen diese Attacken und spricht von einer Verletzung der Souveränität. Beim Treffen mit US-Präsident Obama in der vergangenen Woche hat Staatspräsident Sharif dann auch dieses Thema angesprochen. Bei dem anschließenden kurzen Pressetermin zog er einen Zettel aus seiner Tasche, betonte die Zusammenarbeit mit den USA im Kampf gegen den Terrorismus und forderte öffentlichkeitswirksam ein Ende der US-Drohnenangriffe.

O-Ton Sharif
„I also brought up the issue of drones in our meeting, emphasizing the need for an end to such strikes.”

Das war’s. Offenbar vor allem eine Pflichtübung gegenüber der heimischen Bevölkerung. Denn die Drohnenangriffe werden von der pakistanischen Führung schon seit langem stillschweigend geduldet. Die WASHINGTON POST berichtete kurz vor dem Treffen der beiden Präsidenten, dass Pakistan die geheimen Drohnenangriffe seit Jahren sogar heimlich unterstützt. Pakistanische Stellen seien regelmäßig über den Umfang der Angriffe und das Ergebnis der Attacken unterrichtet worden. Die Zeitung beruft sich dabei auf zahlreiche geheime Dokumente. Der damalige stellvertretende CIA-Chef Michael J. Morell habe den pakistanischen Botschafter in den USA über die geheimen Drohnenoperationen gebrieft – mit Fotos und Kartenmaterial.

Im April hatte bereits die NEW YORK TIMES über den Beginn dieser geheimen Kooperation berichtet. Vor neun Jahren hatte eine US-Drohne in Süd-Waziristan auf Anforderung der pakistanischen Sicherheitskräfte gezielt einen einflussreichen Aufständischen getötet, der für Islamabad und keineswegs für die USA eine Bedrohung darstellte. Im Gegenzug wurde der CIA erlaubt, künftig in den pakistanischen Stammesgebieten Feinde der USA mit Drohnen auszuschalten. Dieser Geheimdeal machte den Weg frei für hunderte von Drohnenangriffen mit vermutlich mehr als tausend Toten. Unter ihnen auch viele Unbeteiligte. Pakistan wurde zum Experimentierfeld für gezielte Tötungen. Hierzu gehören auch die sogenannten Signature strikes. Gemeint sind damit Angriffe gegen verdächtige aber namentlich nicht bekannte Personen. Verdächtig kann eine Person in den Stammesgebieten bereits werden, wenn sie auf einer Reise mehrmals das Auto wechselt.

Aus Sicht von Amnesty International und anderer Kritiker sind manche dieser Angriffe als Kriegsverbrechen einzustufen. Doch rechtlich ist die Situation kompliziert. Niklas Schörnig von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung:

O-Ton Schörnig:
„Das Völkerrecht lässt gezielte Tötungen z.B. mit Drohnen, aber auch durch Soldaten, in bestimmten Situationen durchaus zu, und zwar wenn es sich um einen bewaffneten Konflikt handelt. Klassischer Weise wäre hier der zwischenstaatliche Krieg zu nennen. In so einer Situation sind gezielte Tötungen zulässig. Die Frage, die sich nun stellt, ist: Befinden sich die USA gerade in Pakistan, Jemen und Somalia in solch einem bewaffneten Konflikt mit Al Qaida? Die USA argumentieren: ja, wir stehen in einem solchen Konflikt, deshalb dürfen wir gezielt töten. Europäische Völkerrechtler sagen nein, es ist kein bewaffneter Konflikt. Entsprechend wären gezielte Tötungen unzulässig.“

Die USA sehen sich also in einem Krieg gegen den internationalen Terrorismus. Terroristen sind für sie, wie man in Washington sagt, „ungesetzliche Kämpfer“. Die meisten Europäer sehen das anders. Für sie sind Terroristen Verbrecher, die vor allem durch die Polizei und nicht durch das Militär dingfest gemacht werden müssen. Diese unterschiedliche Bewertung führt zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen und Maßnahmen. Bewaffnete Drohnen sind für die USA dabei ein geeignetes Instrument im asymmetrischen Kampf gegen Terroristen.

Pakistan beklagt nach außen den Einsatz der Drohnen in seinem Luftraum. Doch die Regierung könnte diese US-Militäroperationen schnell stoppen, wenn sie den politischen Willen dazu hätte. Nachdem im November 2011 bei einem NATO-Luftangriff im Grenzgebiet zu Afghanistan irrtümlich 25 pakistanische Soldaten getötet worden waren, hatte Islamabad angeordnet, dass die CIA einen Stützpunkt im Land verlassen musste. Die pakistanische Shamsi Air Base war vom US-Geheimdienst für Drohnenangriffe auf die Stammesgebiete genutzt worden. Innerhalb von zwei Wochen hatten die Amerikaner den Stützpunkt geräumt. Pakistans Präsident Sharif könnte ähnlich entschlossen einen Stopp der jetzt von Afghanistan ausgeführten US-Drohnenangriffe auf sein Land durchsetzen. Allerdings müsste er damit rechnen, dass die USA als Reaktion Pakistan sämtliche Finanzhilfen streichen würden.

* Aus: NDR Info: Das Forum STREITKRÄFTE UND STRATEGIEN, 2. November 2013; www.ndr.de/info


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