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"Verantwortung" JA - "Wiedergutmachung" NEIN

Der Deutsche Bundestag lehnt Antrag auf Entschädigung für Völkermord an Herero und Nama ab. Dokumentation

Am 26. Juni debattierte der Bundestag über den Wiedergutmachungsanspruch Namibias wegen des von deutschen Kolonialtruppen vor 100 Jahren begangenen Völkermords an Herero und Nama. Ein entsprechender Antrag der Fraktion DIE LINKE wurde abgelehnt, ein moderater Antrag, in einen Dialog mit dem namibischen Parlament einzutreten, wurde schließlich angenommen.
Im Folgenden hierzu einen kurzen Artikel sowie die vollständige Dokumentation der - relativ kurzen - Penardebatte.



Keine Wiedergutmachung

CDU, SPD und FDP lehnen Entschädigung für Völkermord an Herero und Nama ab

Von Rolf-Henning Hintze *


Im Bundestag hätte es leicht eine Sensation geben können: Am Donnerstag abend waren – vermutlich wegen der EM – nicht einmal 30 Abgeordnete im Plenum, als über einen Antrag der Linken abgestimmt wurde, den Herero und Nama einen grundsätzlichen Wiedergutmachungsanspruch für den Völkermord an beiden Volksgruppen während der deutschen Kolonialzeit zuzuerkennen. Wäre nur die Hälfte der linken Abgeordneten erschienen, so hätten sie die kleine Zahl der Abgeordneten von CDU, SPD und FDP überstimmt. So aber wurde der Antrag – bei Stimmenthaltung der Grünen – abgelehnt.

Die Grünen brachten einen eigenen Antrag ein. Er sieht vor, einen deutsch-namibischen Parlamentarierdialog anzubieten, »der die mit dem Fortgang der Versöhnung zusammenhängenden Fragen gemeinsam bearbeitet«. Außerdem soll das Bundestagspräsidium beauftragt werden, nach Gesprächen mit Vertreten der namibischen Nationalversammlung »Vorschläge für das weitere Vorgehen« vorzulegen. Die Grünen reagierten damit auf einen einstimmigen Beschluß des namibischen Parlaments, der deutsche Wiedergutmachung fordert. Die Linksfraktion unterstützte den Antrag.

Für Die Linke wies der Abgeordnete Hüseyin Aydin darauf hin, daß von Adenauer bis Merkel keine deutsche Regierung den Völkermord von 1904 bis 1908 anerkannt habe. Er nannte es »erbärmlich«, daß Bundestagspräsident Lammert bei einem Besuch Namibias im April das Wort »Völkermord« nicht aussprechen mochte. Die Nachfahren der Opfer dieser Verbrechen würden nicht ruhen, sagte Aydin, bevor sie nicht aus dem Mund eines Regierungs- oder Staatschefs hörten: »Ich bitte im Namen des deutschen Volkes um Verzeihung«.

Abgeordnete von CDU, SPD und FDP vertraten die Ansicht, mit einer etwas höheren Pro-Kopf-Entwicklungshilfe für Namibia werde man der deutschen Verantwortung gerecht.

Zu Beginn der Debatte hatte Günter Gloser, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, erklärt, die Bundesregierung unterstütze Gespräche zwischen Parlamentariern. Er fügte jedoch warnend hinzu: »Wir sollten aber den Eindruck vermeiden, daß durch einen institutionalisierten Dialog mit dem namibischen Parlament eine Anerkennung etwaiger Entschädigungsforderungen verbunden ist.«

* Aus: junge Welt, 28. Juni 2008


D o k u m e n t a t i o n

Bundestagsdebatte am 26. Juni 2008 (Tagesordnungspunkt 17)

Es sprachen in dieser Reihenfolge:

Vizepräsidentin Petra Pau:

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 sowie Zusatzpunkt 7 auf:
17 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Hüseyin-Kenan Aydin, Heike Hänsel, Monika Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Anerkennung und Wiedergutmachung der deutschen Kolonialverbrechen im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika
- Drucksachen 16/4649, 16/8418 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Anke Eymer (Lübeck)
Brunhilde Irber
Marina Schuster
Monika Knoche
Kerstin Müller (Köln)

ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Dr. Uschi Eid, Ute Koczy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN
Angebot an die namibische Nationalversammlung für einen Parlamentarierdialog zur Versöhnungsfrage
- Drucksache 16/9708 -

Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Staatsminister Günter Gloser.

Günter Gloser, Staatsminister für Europa:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Deutschland ist sich seiner historischen und moralischen Verantwortung für Namibia bewusst. Der Deutsche Bundestag hat dies in seinen wegweisenden Entschließungen im März 1989 und Juni 2004 bekräftigt.

Wir können das Geschehene nicht ungeschehen machen, aber wir können Namibia auf seinem Weg in die Zukunft unterstützend begleiten. Dies tun wir eingedenk der gemeinsamen Vergangenheit mehr als in jedem anderen afrikanischen Land.

Bereits auf dem Weg in die Unabhängigkeit 1990 hat Deutschland als Mitglied der Fünfergruppe Namibia ganz wesentlich unterstützt. Wir pflegen besondere Beziehungen, die sich auf vielfältiger Ebene widerspiegeln. Der bilaterale Dialog ist umfassend und dicht. Dies gilt nicht nur für die Regierung und die Parlamente, die Bundesländer und die Kommunalebene. Auch auf privater und zivilgesellschaftlicher Ebene wurde ein engmaschiges Netz geflochten. Die deutschstämmige Minderheit ist als integraler Bestandteil der namibischen Gesellschaft akzeptiert. Sie ist einer der namibischen Stämme, so die Wortwahl des namibischen Staatspräsidenten Pohamba.

(Beifall bei der SPD)

Unsere Entwicklungshilfe für Namibia ist pro Kopf deutlich höher als für jedes andere afrikanische Land. Für 2007 bis 2008 haben wir 56 Millionen Euro zugesagt und damit unsere Pro-Kopf-Zahlungen für die knapp unter 2 Millionen Einwohner verdoppelt. Auch das sollte unterstrichen werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auch bei der Entwicklungszusammenarbeit legen wir im Einklang mit den namibischen Partnern Wert auf eine zukunftsgerichtete Gestaltung, die der namibischen Bevölkerung als Ganzem zugute kommt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Beschluss des namibischen Parlaments vom Oktober 2006 unterstützt die von der Herero-Partei aufgestellte Forderung nach Entschädigungen. Die namibische Regierung hat sich bis heute nicht offiziell zu diesem Beschluss geäußert. Sie hat lediglich mehr als ein Jahr nach dem Parlamentsbeschluss diesen Text kommentarlos übermittelt. Der namibische Parlamentspräsident hat Ende 2007 einen Parlamentarierdialog angeboten, in dem auch dieser Themenkomplex behandelt werden soll. Die Bundesregierung unterstützt selbstverständlich Gespräche zwischen Parlamentariern. Wir wollen aber den Eindruck vermeiden, dass durch einen institutionalisierten Dialog mit dem namibischen Parlament eine Anerkennung etwaiger Entschädigungsforderungen verbunden ist.

Wir haben gegenüber der namibischen Seite deutlich gemacht, dass unsere Zusammenarbeit zukunftsgerichtet ist. Dabei tragen wir den speziellen Bedürfnissen vor allem solcher Volksgruppen Rechnung, deren Vorfahren unter deutscher Kolonialherrschaft in besonderem Maße gelitten haben. So haben die Bundesregierung und die namibische Regierung im November 2007 diese Absichtserklärung über eine Sonderinitiative in den Siedlungsgebieten der Herero, Nama und Damara unterzeichnet. Diese Initiative hat einen Umfang von 20 Millionen Euro und soll die Lebensbedingungen in den betroffenen Gebieten verbessern. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Kommunalentwicklung. Die Projekte verfolgen einen regionalspezifischen Ansatz und werden allen Bewohnern der Region zugute kommen.

(Beifall bei der SPD)

Der namibischen Regierung liegen das sozialpolitische Gleichgewicht und die nationale Versöhnung im Vielvölkerstaat Namibia am Herzen. Mit unserem regionalspezifischen Ansatz der Sonderinitiative entsprechen wir diesem besonderen Anliegen der namibischen Regierung. Die Deutsche Botschaft Windhuk steht in regelmäßigem Kontakt mit den traditionellen Herero-Königshäusern, aber auch mit Repräsentanten und zivilgesellschaftlichen Vertretern der Herero. Gleiches gilt für Vertreter anderer Bevölkerungsteile. Hauptgesprächspartner der Bundesregierung ist aber die namibische Regierung.

Im Bewusstsein der gemeinsamen Vergangenheit und im Kontext der Gegenwart wollen wir zur Zukunft Namibias und all seiner Menschen beitragen. Ansätze, die die Vergangenheit in den Mittelpunkt unseres Handelns stellen wollen, verkennen die Erfolge unserer mit der namibischen Regierung eng abgestimmten Politik für die heute in Namibia lebenden Menschen.
Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat nun die Kollegin Marina Schuster für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Marina Schuster (FDP):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden hier und heute über den Umgang mit den Greueltaten, die in deutschem Namen vor mehr als 100 Jahren verübt wurden. Das ist kein einfaches Thema; ganz im Gegenteil. Das liegt an dem unendlichen Leid, das deutsche Kolonialtruppen im heutigen Namibia an den Volksstämmen der Herero und Nama damals angerichtet haben. Wer die Berichte von damals liest, ist auch heute noch tief erschüttert und tief betroffen über die Menschenverachtung, mit der die Kolonialtruppen gegen Teile der Bevölkerung, insbesondere gegen Herero und Nama, vorgingen. Es ist nicht das erste Mal, dass wir hier im Deutschen Bundestag darüber reden. Es ist bereits zu unterschiedlichen Zeitpunkten - der Herr Staatsminister hat es schon erwähnt - hier debattiert worden. Es ist richtig, dass wir uns wieder an die blutige Niederschlagung der Aufstände erinnern; denn die Erinnerung an diese Ereignisse darf nicht verblassen.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie der Abg. Monika Knoche [DIE LINKE])

Der Kern der Debatte zum Umgang mit der deutschen Kolonialvergangenheit konzentriert sich auf folgende Frage: Wie können wir unserer historischen Verantwortung am besten gerecht werden? Mehr als 100 Jahre nach den für uns so beschämenden Vorgängen der deutsch-kaiserlichen Kolonialherrschaft kann man diese Frage nicht so beantworten, als wäre diese Zeit erst gestern gewesen. Wir müssen für uns heute die Frage beantworten, wie wir am besten das heutige Namibia als Ganzes in seiner Entwicklung unterstützen. Wir wollen die Gesellschaft in Namibia nicht spalten. Das ist der ganzheitliche Ansatz für die Zukunft, für den sich meine Fraktion einsetzt, und das ist auch der geeignete Weg. Denn dass es gelungen ist, eine deutsch-namibische Freundschaft zu entwickeln, ist eine der großen kulturellen und auch politischen Leistungen unserer beiden Nationen und auch der jeweiligen Regierungen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die FDP hat sich in diesem Sinne immer für Namibia und ein gutes deutsch-namibisches Verhältnis eingesetzt. Namibia ist der jüngste Staat Afrikas, 1990 gegründet, und Deutschland spielte - der Herr Staatsminister hat es angesprochen - eine entscheidende Rolle bei dem Prozess der Unabhängigkeit, der fast elf Jahre gedauert hat. Die Resolution 435, die durch die intensive Unterstützung des damaligen Außenministers Hans-Dietrich Genscher zustande kam und nach langwierigen Verhandlungen von den Vereinten Nationen verabschiedet worden ist, hat die Grundlage hierfür gelegt.

1989 verabschiedete der Bundestag eine Erklärung, mit der die Bundesregierung aufgefordert wurde, ihrer besonderen Verantwortung für Namibia dadurch gerecht zu werden, dass sie es zu einem Modellfall deutscher Entwicklungszusammenarbeit macht. Wir bekräftigen heute diese besondere Verantwortung für die Geschichte, aber auch die besondere Verantwortung für die Gegenwart und die zukünftige Entwicklung Namibias.

In der Tat gibt es sehr viele Probleme zu bewältigen, mit denen Namibia zu kämpfen hat. Die Ursache hierfür einzig in der Kolonialvergangenheit zu sehen, wäre aber sicherlich zu kurz gesprungen. Eine HIV-Infektionsrate von 20 Prozent und der Rückgang der Lebenserwartung von 60 auf 38 Jahre sprechen eine deutliche Sprache. Welche Risiken und welche Bedeutung das für die Entwicklung Namibias hat, ist uns allen klar.

Noch ein Wort zu den vorliegenden Anträgen: Den Antrag der Linken werden wir ablehnen. Der Antrag der Grünen wird an den Auswärtigen Ausschuss überwiesen werden. Aber auch diesen Antrag sieht die FDP-Fraktion mit sehr großer Skepsis, weil er am Ende in eine ähnliche Richtung geht.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann legen Sie doch selber etwas vor! Sie können doch schreiben!)

Deutschland bekennt sich zu seiner besonderen Verantwortung für Namibia. Das muss auch so bleiben. Deshalb müssen wir bei der Bewältigung der heutigen und der kommenden Aufgaben unsere Unterstützung anbieten. Aber auch unsere historische Verantwortung entbindet uns nicht davon, klug abzuwägen, wie wir dieser im Sinne eines integrativen Ansatzes am besten gerecht werden können. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Erich G. Fritz [CDU/CSU])

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die Unionsfraktion hat jetzt die Kollegin Anke Eymer das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Anke Eymer (Lübeck) (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag legt wieder einmal den Fokus auf ein Thema, das wir in diesem Hause schon öfter besprochen haben. Es geht um die Frage der deutschen Verantwortung im heutigen Namibia. Noch konkreter: Es geht um die Geschehnisse in den drei Jahren von 1904 bis 1907. Wir reden also über das Vorgehen des Deutschen Kaiserreiches gegen die Herero, die Nama und die Damara vor 104 Jahren.

Seitdem hat sich doch manches bewegt und verändert. Die kurze deutsche Kolonialzeit ging mit dem Kaiserreich 1918 zu Ende. Die Folgen der europäischen Kolonialzeit, die bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts reichten, sind bis heute für viele aktuelle Probleme zahlreicher afrikanischer Länder mitverantwortlich.

Das alles ist bekannt, und zwar nicht erst seitdem die vorliegenden Anträge geschrieben wurden. Wir wissen sehr wohl um unsere koloniale Vergangenheit. Aus diesem Wissen heraus erkennen wir die Verantwortung besonders in der Zusammenarbeit mit Namibia. Denn es geht darum, eine zukunftsgewandte bilaterale Politik mit Namibia fortzuentwickeln. Es geht darum, an den guten und freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Namibia weiterzuarbeiten. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass auch die Regierung in Namibia das so sieht.

Daher hat die Entschließung des Deutschen Bundestages von 1989 bis heute nichts an Bedeutung und Aktualität verloren. Schon zu diesem Zeitpunkt hat Deutschland die Bereitschaft zu einem besonderen Engagement deutlich gemacht. Das entsprach und entspricht der historischen Verbindung unserer Länder. Es entspricht außerdem der ausgezeichneten bilateralen und partnerschaftlichen Zusammenarbeit, die wir pflegen.

Erinnern möchte ich an die Debatte, die wir hier im Deutschen Bundestag anlässlich des 100. Gedenktages der Schlacht am Waterberg geführt haben. Wenn also der Eindruck erweckt werden sollte, über die deutschen Verbrechen an den Herero und Nama würde offiziell nicht gesprochen, so ist das absoluter Humbug.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Natürlich wurde darüber gesprochen und wird darüber gesprochen. Es wird auch debattiert. Es wird verhandelt. Hier im Bundestag war das, wie schon erwähnt, mehrfach der Fall. Öffentlicher geht es wohl kaum.

Die zuständige Bundesministerin, Frau Wieczorek-Zeul, hat in Namibia im Jahr 2004 ebenfalls ganz eindeutig dazu Stellung bezogen. Es ist nicht bei einer Aussage geblieben.

Auch wenn Sie von der Linken 1989 noch nicht in diesem Haus vertreten waren

(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war schön! - Dr. Stephan Eisel [CDU/CSU]: Das war schön! - Gegenruf des Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Langweilig war es wahrscheinlich!)

- ich beachte die Zwischenrufe: das war schön; das waren noch Zeiten -, so können Sie in den Protokollen des Bundestages doch nachlesen, was zwischen der Bundesrepublik und Namibia im Besonderen schon ganz offiziell besprochen wurde. Bis zu dem vorliegenden Antrag der Linken ist wohl niemand so schnell und unkritisch bereit gewesen, sich einer Argumentation anzuschließen, ohne den viel größeren eigentlichen Zusammenhang sehen zu wollen. Es ist auffällig, dass die Verantwortlichen der Herero eine auf ihre Bevölkerungsgruppe besonders konzentrierte Entwicklungszusammenarbeit ablehnen und nach 104 Jahren auf Ausgleichszahlungen bestehen.

Die Forderung nach einseitiger Aufarbeitung deutscher Geschichte ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Es geht, so möchte ich vermuten, nicht nur um die Forderungen einzelner Bevölkerungsgruppen nach massiver finanzieller Wiedergutmachung; es geht vor allem auch um ein drängendes Problem der namibischen Innenpolitik. Den Hintergrund bildet die gesellschaftliche Krise, die droht, wenn Namibia seine Landreform nicht zügig und erfolgreich umsetzen kann. Es ist das Interesse vieler Beteiligter, sich hierbei gut zu positionieren.

Es geht wohl auch um die Frage: Wem gehört das Herero-Land heute, und wem soll es zukünftig gehören? Wer kann es sich leisten, den Grund und Boden heute zu kaufen, Herero, Nama, San oder Ovambo oder Weiße oder andere?

Das ist der Hintergrund, vor dem auch die Entscheidung der Nationalversammlung im Oktober 2006 und die geänderte Position der Regierung beleuchtet werden kann. Sich für diesen Prozess der Landreform mit ordentlichen Finanzmitteln auszustatten, ist etwas ganz anderes als die geforderte moralische Aufarbeitung deutscher Geschichte.

Diese aktuellen Hintergründe in Namibia in einem Antrag und einer Debatte nicht zu nennen, wäre dumm und kurzsichtig. Die Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern sollte nicht so einseitig und kurzsichtig sein. Wenn überhaupt, dann geht es um eine Entwicklungszusammenarbeit mit dem Ziel, die Zukunftschancen der namibischen Bevölkerung insgesamt zu verbessern.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Partikularinteressen zu bedienen, ist nicht verantwortbar.

Hier einen Versöhnungsdialog voranzubringen, in dem alle Beteiligten zu Wort kommen, das arbeitet Geschichte sinnvoll auf. Hier Entwicklungszusammenarbeit auszuweiten, Berufschancen und Infrastruktur zu fördern, gemeinsame Strategien gegen die drohende Aidspandemie voranzutreiben, das sichert Zukunftschancen. Das ist der große Rahmen, in den die heutige Debatte eigentlich gehört. Das ist ein Feld, in dem die Bundesrepublik Gesprächs- und Handlungsangebote gemacht hat und weiterhin macht.

Sich einseitig zu einem Zahlmeister für wenige machen zu lassen und deutsche Geschichte nicht in einem größeren Zusammenhang europäischer Kolonialgeschichte und deren Aufarbeitung zu sehen, das ist der falsche Ansatz. Bei den afrikanischen Partnern - nicht nur in Namibia - gibt es einen wichtigen Konsens. Für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit und für ein erstarkendes afrikanisches Selbstbewusstsein ist das offene Eingestehen von Fehlern wichtig und unverzichtbar. Dazu zählen auch die grausamen Verbrechen deutscher Truppen in den wenigen Jahren deutscher Kolonialzeit ebenso wie die der anderen europäischen Länder. Dabei wird von afrikanischer Seite diesem offenen Eingestehen von Fehlern weit mehr Bedeutung beigemessen als partiellen materiellen Forderungen.

Ich bin überzeugt, Deutschland wird sich auch weiterhin seiner Verantwortung gegenüber Namibia bewusst sein. Ich zweifle nicht daran, dass die Frage einer gemeinsamen Geschichtsaufarbeitung auch vor dem Hintergrund der Entscheidung der namibischen Nationalversammlung vom 26. Oktober 2006 in einem partnerschaftlichen Dialog zu lösen sein wird.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Hüseyin Aydin ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Australien, in Kanada und gestern in Neuseeland haben sich die Regierungschefs bei den Ureinwohnern ihres Landes für erlittenes Unrecht entschuldigt. Das wurde in den deutschen Medien weithin berichtet. Nur eines bekommen wir nicht zu hören, nämlich dass sich die Bundesregierung zu den Kolonialverbrechen bekennt, die im deutschen Namen verübt worden sind. Keine Regierung von Adenauer bis Merkel hat bis heute anerkannt, dass an den Völkern der Herero und Nama in den Jahren 1904 bis 1908 ein Völkermord verübt wurde.

(Brunhilde Irber [SPD]: Da irren Sie sich!)

Völkermord ist ein Verbrechen, das die gemeinsame Aufarbeitung aller Demokraten erfordert. Deshalb haben wir im November 2006 allen anderen Fraktionen vorgeschlagen, einen gemeinsamen Antrag zur Aufarbeitung der Kolonialverbrechen einzubringen. Keine Fraktion hat darauf reagiert. Das zeigt Ihre Ignoranz gegenüber der deutschen Geschichte.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist gut, dass sich nun die Grünen bewegen und einen Antrag zur Aufnahme eines deutsch-namibischen Parlamentsdialogs eingebracht haben. Das unterstützen wir. Allerdings ist es schon etwas peinlich, wenn Frau Eid darin als diejenige hochstilisiert wird, die als Leiterin der SADC-Parlamentariergruppe bereits 1995 den Völkermord anerkannt habe. Tatsächlich findet sich im Protokoll ihres damaligen Namibia-Besuches kein Wort vom Genozid. Stattdessen heißt es dort, Wiedergutmachungsforderungen seien - Zitat - "nicht akzeptabel".

Im April hielt sich Bundestagspräsident Lammert in Namibia auf. Selbst auf Nachfrage mochte auch er das Wort "Völkermord" nicht einmal aussprechen. Warum verleugnen Bundestagspräsident, Bundesregierung und Bundestag die historische Wahrheit? Sie haben Angst, dass daraus rechtliche Wiedergutmachungsforderungen abgeleitet werden könnten. Das zeigt doch nur eines, nämlich dass diese Forderungen berechtigt sind. Warum sollten Sie sich sonst weigern, über etwas zu sprechen, das längst historisch bewiesen ist?

(Christoph Strässer [SPD]: Machen wir!)

Unser Antrag zwingt Sie, sich im Bundestag zu äußern. In der ersten Lesung hatten die Regierungsparteien nur die üblichen Ausreden wie heute parat. Angeblich habe sich der Bundestag 1989 und 2004 in einstimmig angenommenen Anträgen mit dem Thema beschäftigt.

(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Natürlich!)

Das ist falsch. In beiden Anträgen wurde zwar die besondere Verantwortung für Namibia bekräftigt. Nur dazu, woraus sich diese Verantwortung ableitet, sagten Sie nichts. Von einem Völkermord ist darin nicht die Rede. Auch der Vernichtungsbefehl des Generals von Trotha wurde verschwiegen. Ich sage: Diese Anträge sind kein Beitrag zur Aufarbeitung der Kolonialverbrechen, sondern eine Beleidigung der Völker der Nama und Herero.

Schließlich gibt es die Legende, die Herero seien in dieser Frage selbst zerstritten und Chief Riruako sei isoliert. Auch das ist falsch. Die Deutsche Botschaft in Windhuk wies die Bundesregierung im letzten Herbst ausdrücklich darauf hin, dass sich der im Diplomatendeutsch als gemäßigt bezeichnete Chief Maharero offen hinter die Forderung nach Wiedergutmachung gestellt hat - ebenso wie die Vertreter der Nama. Seit Dezember 2007 gibt es dazu ein gemeinsames Positionspapier der Repräsentanten beider Völker.

Kurzum: Die Taktik der Bundesregierung, die Opfer des deutschen Kolonial- und Vernichtungskrieges gegeneinander auszuspielen, ist am Ende. Nama-Chief Frederick klagte im vergangenen Monat öffentlich an - Zitat -: "Meine Großmutter wurde erschossen, als sie ihr Baby an sich drückte. Auch das Baby wurde von den Deutschen ermordet." Ich sage Ihnen: Die Nachfahren der Opfer dieser Verbrechen werden nicht ruhen, bevor sie aus dem Mund einer Kanzlerin oder eines Kanzlers oder des Bundestages hören: "Ich bitte im Namen des deutschen Volkes um Verzeihung."

(Beifall bei der LINKEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Die Kollegin Kerstin Müller gibt ihre Rede zu Protokoll. Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Brunhilde Irber für die SPD-Fraktion.

Brunhilde Irber (SPD):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mehr als 100 Jahre sind seit der blutigen Niederschlagung der Aufstände im damaligen Deutsch-Südwestafrika vergangen. Die Ereignisse von damals bestimmen nach wie vor unsere Beziehungen zur heutigen Republik Namibia. Dass sich die Beziehungen zwischen Deutschland und Namibia seit der namibischen Unabhängigkeit im Jahre 1990 trotzdem so freundschaftlich und umfassend entwickelt haben, liegt unter anderem daran, dass sich Deutschland stets zu seiner historischen Verantwortung bekannt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Umso ärgerlicher ist es, dass die Linke heute versucht, aus der Vergangenheit politisches Kapital zu schlagen. Herr Kollege, ich finde es nicht in Ordnung, wie Sie das hier vorgetragen haben.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allem die, die aktuelle Völkermorde nicht verhindern wollen!)

Ich möchte daher heute Abend die Gelegenheit nutzen, um das deutsche Engagement für Namibia zu würdigen und offensichtliche Missverständnisse auszuräumen.

Grundstein für die positive Entwicklung des deutsch-namibischen Verhältnisses ist die Namibia-Entschließung des Deutschen Bundestages von 1989. Der Bundestag forderte die Bundesregierung also bereits vor der nominellen Unabhängigkeit Namibias auf, mit dem neuen Staat eine Sonderbeziehung zu entwickeln und zu pflegen. Ergänzt wurde diese Entschließung im Jahre 2004 durch eine Vereinbarung, in der die besondere Verantwortung Deutschlands gegenüber Namibia ausdrücklich anerkannt wird. Deutschland hat somit seiner kolonialen Vergangenheit im Einverständnis mit der namibischen Regierung Rechnung getragen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Dieses Einverständnis findet seinen Ausdruck in der Form einer besonders intensiven Entwicklungszusammenarbeit. So hat Namibia seit seiner Unabhängigkeit im Vergleich zu anderen afrikanischen Partnerländern sehr hohe finanzielle Zuwendungen erhalten. Die Bundesrepublik ist seit der Unabhängigkeit im Jahre 1990 der größte bilaterale Geber des Landes. Pro Kopf erhält Namibia die meisten deutschen Entwicklungshilfemittel von allen Ländern in Afrika.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Kennzeichnend für das deutsche Engagement ist aber nicht nur die staatliche Entwicklungshilfe, sondern auch eine Vielfalt privater Initiativen und Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen. Das Gesamtvolumen aller deutschen finanziellen Zusagen an Namibia seit der Unabhängigkeit beträgt mehr als 500 Millionen Euro. Darüber hinaus leistet Deutschland als maßgeblicher Finanzier der Gemeinschaftshilfe der EU sowie den multilateralen Entwicklungsorganisationen indirekt weitere finanzielle Unterstützung.

Deutschland hat es nicht bei der finanziellen Unterstützung belassen. Wohl wissend, dass Geld allein das während der Kolonialzeit erlittene Unrecht nicht ungeschehen machen kann, hat die Bundesregierung gemeinsam mit dem Deutschen Bundestag bereits vor vier Jahren eine Versöhnungsinitiative auf den Weg gebracht. Anlässlich der Gedenkfeiern zum 100. Jahrestag des Herero-Aufstands im Jahre 2004 bat Bundesministerin Wieczorek-Zeul im Namen der Bundesregierung die Opfer offiziell um Vergebung:

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die damaligen Gräueltaten waren das, was heute als Völkermord bezeichnet würde ... Wir Deutschen bekennen uns zu unserer historisch-politischen, moralisch-ethischen Verantwortung und zu der Schuld, die Deutsche damals auf sich geladen haben. Ich bitte Sie im Sinne des gemeinsamen "Vater unser" um Vergebung unserer Schuld. Ohne bewusste Erinnerung, ohne tiefe Trauer kann es keine Versöhnung geben.

So damals die Bundesministerin.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dies könnte man mit dem Kniefall Willy Brandts in Warschau vergleichen. Es war eine Verneigung vor dem namibischen Volk.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre eine Chance für Frau Merkel, da mal hinzufahren!)

Die SPD hat diese Initiative zur Versöhnung von Anfang an unterstützt. Bereits im Juni 2004 brachte sie in der bereits erwähnten Entschließung ihr tiefes Bedauern und ihre Trauer gegenüber den Nachkommen der Opfer zum Ausdruck. Deshalb befürworten wir konsequent die Bereitstellung von 20 Millionen Euro für die deutsche Versöhnungsinitiative. Diese Mittel werden - wie Herr Staatsminister Gloser bereits ausgeführt hat - allen Volksgruppen zugutekommen, vor allem denen, die einst in besonderem Maße von der deutschen Kolonialherrschaft betroffen waren. Die Fraktion Die Linke blendet diese positiven Zeichen offensichtlich aus.

So wirft die Linke der Bundesregierung unter anderem vor, dass die von den Herero vorgebrachten Klagen gegen deutsche Unternehmen, die an der kolonialen Ausbeutung beteiligt waren, ohne Folgen blieben. Tatsächlich haben im September 2001 200 Herero auf der Grundlage des Alien Tort Claims Act vor dem Bezirksgericht in Columbia, USA, drei deutsche Unternehmen verklagt. Allerdings vergisst die Linke, dass alle Klagen entweder zurückgenommen oder rechtskräftig abgewiesen wurden.

Anstatt auf das uns Trennende zu verweisen, wäre es mir ein besonderes Anliegen, unsere Verbindungen mit Namibia zu stärken. Ich wünsche mir daher für die Zukunft einen intensiven Dialog zwischen dem Deutschen Bundestag und unseren Kollegen im namibischen Parlament.

Ein solcher parlamentarischer Dialog, der auch Vertreter der damals betroffenen Bevölkerungsgruppen einbeziehen muss, wäre ein wichtiger Impuls zu einem umfassenden gesellschaftlichen Dialog zwischen Deutschen und Namibiern. Wir von der SPD sind hierzu bereit.
Herzlichen Dank! Herr Präsident, auch Ihnen herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Ich schließe die Aussprache.
Da der Kollege Aydin vorhin ausdrücklich auf meinen Besuch in Namibia vor wenigen Wochen Bezug genommen hat, erlaube ich mir den Hinweis, dass die gerade zitierten damaligen Äußerungen der Bundesministerin Wieczorek-Zeul in Namibia auf alle führenden Repräsentanten dieses Staates offenkundig mehr Eindruck hinterlassen haben als auf Sie, Herr Kollege Aydin.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel "Anerkennung und Wiedergutmachung der deutschen Kolonialverbrechen im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika". Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/8418, den Antrag der Fraktion Die Linke auf der Druck-sache 16/4649 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen aller Fraktionen mit Ausnahme der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.

Wir kommen zu Zusatzpunkt 7. Hier wird interfraktionell die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/9708 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie hiermit einverstanden? - Das ist offenkundig der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Anlage 5

Zu Protokoll gegebene Rede

Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Der Völkermord an den Herero, Nama und anderen Volksgruppen Namibias ist eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Kolonialgeschichte, dessen Aufarbeitungszeit mehr als 100 Jahren überfällig ist.

Der systematische Vernichtungskrieg, der zwischen 1904 bis 1907 auf Befehl der deutschen Reichsregierung von der sogenannten deutschen Schutztruppe geführt wurde, kostete Zehntausende Herero, Nama und Angehörige anderer Volksgruppen das Leben. Erstmals wurden sogenannte Konzentrationslager eingerichtet, in denen viele Menschen zu Tode gequält wurden.

Viel zu lange hat es gedauert, bis sich die Bundesrepublik zur Verantwortung zu dem Völkermord deutscher Kolonialtruppen bekannt hat.

Erst die rot-grüne Bundesregierung hat 2004, vertreten durch die damalige Entwicklungshilfeministerin, Frau Wieczorek-Zeul, offiziell um Vergebung gebeten.

Auch ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich sagen: Wir Grüne bekennen uns zur deutschen Verantwortung für den Völkermord an Hereros, Namas und Angehörigen anderer Volksgruppen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang aber betonen, dass eine nur symbolische Übernahme von Verantwortung ohne konkrete und vor allem der historischen Sonderbeziehung angemessene Versöhnungsschritte wenig wert ist.

Ich frage deshalb die Bundesregierung heute: Was ist dieser Geste der Entwicklungsministerin im Jahr 2004 gefolgt? Wo sind ihre konkreten Schritte für eine angemessene Aussöhnung zwischen Namibia und Deutschland?

Bemühungen der namibischen Regierung, die bereits 2006 von der namibischen Nationalversammlung den Auftrag erhielt, mit der Bundesregierung in Verhandlungen über Entschädigungen zu treten, sind bislang weitgehend ins Leere gelaufen.

Zwar haben sie im November 2007 eine sogenannte Versöhnungsinitiative mit der namibischen Regierung verabschiedet. Doch umfasst diese Initiative bislang nur Zusagen über weitere Entwicklungsgelder in Höhe von 20 Millionen Euro für die Regionen, in denen die betroffenen Volksgruppen leben.

Sie sagen damit vorweg ohne Dialog, was ihnen "die Versöhnung" wert ist. Das stößt zurecht auf Widerspruch auf der namibischen Seite der Hereros und andere. Und das sieht fast so aus, als wollte die Bundesregierung sich von ihrer - wie Frau Wieczorek-Zeul es 2004 nannte - "historisch-politischen" und "moralisch-ethischen" Verantwortung freikaufen.

Ich meine: Das ist eher ein unmoralisches und völlig unzureichendes Angebot für eine Aussöhnung.

Notwendig ist endlich ein umfassender und ergebnisoffener Dialog zur gemeinsamen Aufarbeitung der Vergangenheit, aus dem dann gemeinsame Initiativen zur Versöhnung erwachsen können. Wir können doch nicht mit einer großen Rede Erwartungen auf der namibischen Seite schüren und dann 20 Millionen Euro anbieten. So ist keine Versöhnung möglich. So verstärken wir nur die Enttäuschung und überbrücken gerade nicht die bestehenden Gräben. Im Gegenteil: Wir laufen Gefahr, sie sogar noch zu vertiefen.

Nicht dass sie mich falsch verstehen: Es geht mir gerade nicht um Geld - oder um mehr Geld. Es geht uns in unserem Antrag darum: Endlich einen breit angelegten Dialog auf Ebene des Parlamentes - nicht der Regierung - zu beginnen. Einen Dialog, der erst mal ergebnisoffen ist und der versucht, viele Ebenen der gesellschaftlichen Versöhnung einzubeziehen. Bei dem es aber eben nicht sofort und unmittelbar um materielle Wiedergutmachung gehen soll, wie sie es vorschlagen.

Auch ihr Antrag widerspricht einer wirklich partnerschaftlich entwickelten Agenda, weil er schon jetzt einseitig konkrete Vorgaben nennt - sich festlegt auf das, was vor allem eine Seite, nämlich Chief Riruako und seine Anhänger wollen.

Wir greifen mit unserem Antrag die Initiative des Präsidenten der namibischen Nationalversammlung, Theo-Ben-Gurirab, auf und wollen der namibischen Nationalversammlung einen unfassenden deutsch-namibischen Parlamentarier-Dialog anbieten, auf unserer Seite hochrangig geführt durch das Präsidium des Deutschen Bundestages.

Deshalb hätte ich mir auch sehr gewünscht, dass wir diesen Antrag hier interfraktionell verabschiedet hätten - Leider waren sie dazu nicht bereit. Sie - meine Damen und Herren - von der Koalition nicht, weil sie Angst haben, es könnten mehr als 20 Millionen dabei herauskommen. Und sie von der Linken, weil sie sich schon jetzt festgelegt haben, dass es mehr sein muss. Auch wenn ich festhalten will, dass sie immerhin über ihren Antrag hinaus zu solch einem Dialog bereit gewesen wären.

Ich finde das alles beschämend. Die namibische Seite wartet auf einen ehrlichen und ernstgemeinten Dialog, der nicht nur die Chance bietet, den begangenen Völkermord in das geschichtliches Bewusstsein der deutschen Gesellschaft zu bringen, sondern vielleicht auch zur Aussöhnung zwischen den verschiedenen Volksgruppen auf der namibischen Seite beitragen kann.

Noch ist es für einen solchen Dialog nicht zu spät. Lassen sie uns auf diesem Wege unserer Verantwortung Rechnung tragen.

Quelle: Website des Deutschen Bundestags; http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/pp/172/index.html


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