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Bombengeschäft

US-Konzerne pumpen Waffen für Milliarden Dollar in den Nahen Osten

Von Knut Mellenthin *

Ein geplantes Waffengeschäft der USA mit Saudi-Arabien hat in Israel Besorgnis ausgelöst. Das behauptete zumindest das Wall Street Journal (WSJ) in seiner Sonntagsausgabe. Das Blatt ist ein Sprachrohr der US-amerikanischen Pro-Israel-Lobby und der Neokonservativen. Weder diese noch ihre führenden Vertreter im Kongreß oder die israelische Regierung hatten zuvor jedoch öffentlich Bedenken gegen den Deal geäußert. Der Bericht des WSJ beruft sich ausschließlich auf anonyme Quellen und scheint von interessierter Seite lanciert worden zu sein.

Dem Blatt zufolge plant die US-Administration den Verkauf von 84 Boeing-Kampfflugzeugen des Typs F-15 an die Saudis. Die ersten Maschinen dieses Typs wurden schon 1976 in Dienst gestellt. Es handelt sich im Grunde um ein Flugzeug, das sich schon in Ablösung durch Nachfolgemodelle befindet, auch wenn es im Laufe der Jahre immer mehr modernisiert und weiterentwickelt wurde. Laut WSJ sind die 84 Flugzeuge Teil eines auf zehn Jahre verteilten Rüstungspakets im Gesamtwert von 30 Milliarden Dollar. Vermutlich solle Saudi-Arabien auch mehrere Dutzend Kampfhubschrauber des Typs UH-60 Black Hawk kaufen. Dem Blatt zufolge hat die israelische Regierung »hinter den Kulissen« Bedenken gegen den Verkauf der F-15 angemeldet. Dabei hätten die Israelis erreicht, daß den Saudis nicht die modernste Version des Kampfflugzeugs geliefert werden soll. Insbesondere sei eine Ausstattung der Maschinen mit Langstreckenwaffen ausgeschlossen worden.

Die Idee riesiger Waffenverkäufe an die Saudis und andere Staaten der arabischen Halbinsel wurde schon unter Präsident George W. Bush entwickelt und wird von seinem Nachfolger Barack Obama weiterverfolgt. Als Standardbegründung dient die angebliche Bedrohung der gesamten Region durch den Iran, dessen Streitkräfte indessen keine nennenswerten Offensivkapazitäten haben. An den geplanten und teilweise schon begonnenen Waffenverkäufen verdienen die US-amerikanischen Rüstungskonzerne gleich doppelt. Nach Vereinbarungen, die schon vor vielen Jahren getroffen wurden, garantieren die USA bedingungslos und in alle Ewigkeit den militärischen Vorsprung Israels vor allen anderen Staaten der Region. Die Deals mit den arabischen Staaten bedeuten deshalb geradezu automatisch Waffenlieferungen im selben Umfang an Israel, die zum Teil aus der Staatskasse der USA bezahlt werden.

In Wirklichkeit scheint es bei der lancierten Meldung des Wall Street Journal hauptsächlich darum zu gehen, daß die israelische Regierung Vorteile für ihre eigenen Waffenwünsche herauszuschinden versucht. Israel plant den Erwerb von 75 Kampfflugzeugen des Typs F-35 Joint Strike Fighter, der selbst den modernsten Versionen der F-15 weit überlegen ist. Aus Kostengründen kann Israel aber zunächst nur 20 dieser Maschinen bezahlen. Die durch die WSJ ausgelösten öffentlichen Querschüsse gegen die geplanten Lieferungen an Saudi-Arabien könnten somit dem Zweck dienen, »als Ausgleich « eine größere Anzahl JSFs geschenkt zu bekommen.

Die offizielle US-amerikanische und israelische Kriegspropaganda gegen Iran operieren gern mit der angeblichen Angst der »gemäßigten Araber« vor dem Iran. Daß sich diese Legende höchstens auf die Haltung der arabischen Regimes stützen kann, von denen nicht ein einziges demokratisch legitimiert ist, zeigen jüngste Umfrageergebnisse. Die Untersuchung wurde von der US-amerikanischen Brookings Institution in Ägypten, Jordanien, Libanon, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten durchgeführt. 57 Prozent der Befragten gaben an, daß sie die Folgen eines hypothetisch angenommenen iranischen Atomwaffenerwerbs für die Region »eher positiv« beurteilen würden. Vor einem Jahr hatten nur 29 Prozent so geantwortet. Nur 20 Prozent befürworteten jetzt Druck auf Iran im Atomstreit. 2009 waren noch 40 Prozent dafür gewesen.

* Aus: junge Welt, 11. August 2010

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