Israel: Deutsche Waffen gegen Menschenrechte
Ein kritischer Bericht über die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung
Im Folgenden dokumentieren wir die Textfassung eines Beitrags aus der Monitor-Sendung vom 14. Februar 2002. Autoren des Berichts sind Jo Angerer, Georg Restle und Ralph Hötte. Die ARD-WDR-Sendung "Monitor" ist im Internet unter der Adresse www.monitor.de zu erreichen.
Sonia Mikich: "... Seit gestern sind wieder sechs Menschen in Israel bei Vergeltungsschlägen gestorben. Nun wollen
die Europäer stärker Einfluss nehmen auf einen Friedensprozess, den es nicht mehr gibt. Weg von der militärischen Konfrontation - so argumentiert Joschka Fischer, der heute nach Israel
gereist ist. Doch mit dieser Politik müsste der Außenminister zuhause anfangen. Denn nach wie vor
genehmigt die rot-grüne Bundesregierung Rüstungsexporte für die israelische Armee, die im
Palästinenser-Gebiet die Menschenrechte in Grund und Boden bombardiert. Vom Frieden reden und
Waffen liefern - Jo Angerer, Ralf Hötte und Georg Restle berichten."
Großdemonstration am vergangenen Samstag in Tel Aviv. "Imagine" singt die Sängerin, auf hebräisch
"Stell Dir vor". John Lennons Lied von Frieden und Gerechtigkeit. Für die Menschen, die hier gegen die
israelische Besetzung der palästinensischen Gebiete demonstrieren, ist diese Vision jedoch weiter
entfernt denn je.
Die Wirklichkeit, nur zwei Tage später: Bombenangriffe auf die palästinensische Stadt Gaza. Immer
härter schlägt die israelische Armee zu. Aus Selbstverteidigung, sagt die Regierung Sharon, gegen
die Selbstmordattentate von Palästinensern. Doch längst ist dies ein brutaler Krieg geworden, der
unzählige unschuldige Opfer fordert. Kinder und alte Menschen sterben durch Granaten und
Bombensplitter - fast täglich wie Israels bedeutendste Menschenrechtsorganisation "Gush Shalom"
kritisiert.
Adam Keller, "Gush Shalom" Tel Aviv: "Diese Bombenangriffe auf Gaza
sind wirklich schreckliche und jeder Hinsicht falsch. Sie töten und
verletzen Menschen, versetzen sie in Angst. Immer wieder werden
Kinder auf dem Weg zur Schule verletzt und getötet. Dies ist eine ganz
klare Verletzung des Völkerrechts und der Menschenrechte."
Die israelischen Angriffe auf Gaza - als Revanche auch für einen Raketen-Angriff von
palästinensischer Seite auf dieses Feld in Israel. Die Gewaltspirale in Israel - sie scheint kein Ende
zu nehmen.
Immer wieder marschierte die israelische Armee in den letzten Monaten in die Autonomiegebiete ein,
zumeist mit solchen Panzern vom Typ Merkava, eine israelische Produktion mit amerikanischen
Motoren. US-amerikanische Firmen sind die wichtigsten Partner Israels im Rüstungsgeschäft. Aber
auch die deutsche Rüstungsindustrie ist mit dabei, wenn es um den Bau der israelischen Panzer
geht.
Das Bundesausfuhramt in Eschborn. Hier wird der Export von Kriegswaffen und Rüstungsgütern
genehmigt. Aus dem neuesten Rüstungsexportbericht der Bundesregierung geht hervor: Israel gehört
zu den bevorzugten Exportländern deutscher Rüstungsfirmen. Genehmigt wurden im Jahr 2000 vor
allem Teile für Panzer und gepanzerte Fahrzeuge. Gesamtwert der Genehmigungen: 346,4 Millionen
Mark.
Michael Brzoska, Int. Konversionszentrum Bonn: "Für den Zeitraum
über den die Bundesregierung berichtet, ist Israel der wichtigste
Abnehmerstaat außerhalb der Nato. Besonders viel genehmigt worden
sind Bauteile im Bereich des Panzerbaus. Was auch nicht verwundern
kann, denn das ist einer der Bereiche, in denen die deutsche
Rüstungsindustrie besonders stark ist."
Mit deutschen Panzerteilen gegen die palästinensische Zivilbevölkerung? Israelische
Menschenrechtsorganisationen fordern jetzt einen sofortigen Stopp der deutschen Rüstungsexporte
nach Israel.
Adam Keller, "Gush Shalom" Tel Aviv: "Die deutsche Bundesregierung
sollte sich jetzt, gerade wegen ihrer historischen Verantwortung, für ein
umfassendes Verbot von Rüstungsexporten nach Israel aussprechen.
Solange bis die Menschenrechtsverletzungen in Israel ein Ende finden.
Das wäre keinesfalls eine anti-israelische Maßnahme, sondern ein
großer Dienst, den man Israel erweisen würde. Um uns von einer Politik
abzubringen, die unsere Zukunft in diesem Land zerstört."
Anfang dieser Woche: Beerdigung einer israelischen Soldatin, die bei einem Anschlag von
Palästinensern getötet wurde. Selbst in der israelischen Armee regt sich mittlerweile Widerstand
gegen diesen Krieg, der nicht mehr zu gewinnen ist. Einige hundert Soldaten verweigerten allein in
den letzten Monaten den Dienst an der Waffe, fordern ein Ende der israelischen Besetzungspolitik und
einen Stopp der Rüstungsexporte nach Israel - auch aus Deutschland.
Ishai Menuhin, Reserveoffizier, israel. Armee: "Die israelische
Regierung zwingt uns zu einem dauerhaften Krieg gegen die
Palästinenser. Deutschland sollte keinerlei Waffen mehr nach Israel
exportieren, bis die Besetzung beendet ist. Wir setzen diese Waffen
gegen die Palästinenser ein, um die Besetzung aufrecht zu erhalten.
Deshalb fordern wir Deutschland auf, keine Waffen mehr nach Israel zu
schicken."
Einen Großteil der Infrastruktur hat die israelische Armee in den besetzten Gebieten schon zerstört.
Wie diesen Radiosender - gebaut auch mit deutschen Steuergeldern. Jetzt fordern sogar Vertreter der
Kirchen in Deutschland erstmals einen Stopp der Rüstungsexporte.
Bernhard Moltmann, Gemeinsame Konferenz Kirche u. Entwicklung:
"Die Forderungen nach einem Stopp von deutschen
Rüstungslieferungen nach Israel sind berechtigt, wenn man sich die
Zerstörungen ansieht, die der gegenwärtige Krieg - und es handelt sich
um einen Krieg - in Israel und in diesen palästinensischen Gebieten
anrichtet. Es werden Dinge zerstört, die unter anderem mit deutschem
Geld aufgebaut worden sind. Es werden Menschen getroffen, die mit
dem Kriegsgeschehen nichts zu tun haben."
Panzerteile aus Deutschland. Eigentlich dürfte die Bundesregierung keine einzige Waffenlieferung
nach Israel mehr genehmigen. In den Rüstungsexportrichtlinien hatte die Bundesregierung ein klares
Verbot festgelegt, für Waffenlieferungen gerade in Krisengebiete:
"Genehmigungen für Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern werden
grundsätzlich nicht erteilt, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass diese zur
internen Repression oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen
Menschrechtsverletzungen missbraucht werden."
Doch diese Richtlinien sollen für Israel offenbar nicht gelten. Vorsichtige Kritik, erstmals auch von der
CDU.
Karl Lamers, Aussenpolitischer Sprecher, CDU:"Die Kritik an den
Rüstungsexporten nach Israel verstehe ich sehr gut. Und es kann auch
wenig Zweifel sein, dass die Bundesregierung längst die
Konsequenzen aus ihren eigenen Rüstungsexportrichtlinien und den
der Europäischen Union gezogen und den Rüstungsexport nach Israel
eingestellt hätte, wenn nicht eben Israel ein Sonderfall wäre."
Außenminister Joschka Fischer ist heute in Israel eingetroffen. Wir wollten von ihm wissen, ob er
Rüstungsexporte nach Israel trotz der jüngsten Entwicklungen noch für gerechtfertigt hält.
Reporter: "Israelische Menschenrechtsorganisationen fordern einen Stopp deutscher Waffenexporte
nach Israel. Was sagen Sie dazu?"
Joseph Fischer, Außenminister: "Wir haben gute Beziehungen zu Israel
auf allen Ebenen und wir sind der Meinung, dass wir diese
fortentwickeln wollen. Wir engagieren uns sehr stark für den Frieden.
Über alle anderen, praktischen Details bin ich nicht befugt, öffentlich zu
reden."
Ein Außenminister, der nicht befugt ist, sich zu Rüstungsexporten zu äußern? Im
Wirtschaftsministerium erhalten wir eine eindeutigere Antwort. Einen Ausfuhrstopp werde es nicht
geben. Es bleibe bei Einzelfallprüfungen. Genehmigungen für Rüstungsexporte nach Israel sind
damit auch weiterhin möglich.
Bernhard Moltmann, Gemeinsame Konferenz Kirche u. Entwicklung:
"Sich angesichts der zugespitzten Situation in Israel auf das Argument
zurück zu ziehen, man werde weiterhin Einzelfälle prüfen und dann
entscheiden, ist für mich ein Zeichen von politischer Schwäche. Was
jetzt nötig wäre, wäre ein deutliches politisches Signal, etwa in Gestalt
eines Stopps von Rüstungsexporten. Und dieses politische Signal
müsste deutlich machen, dass Frieden nicht durch Rüstung und durch
Krieg erreicht wird, sondern durch Friedensverhandlungen."
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