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"Konflikte werden von Menschen verursacht, und sie können auch von Menschen beendet werden"

George Mitchell ist neuer Nahost-Beauftragter des US-Präsidenten - Porträt und Meldungen

Zwei Tage nach seiner Amtsübernahme, hat US-Präsident Barack Obama sich mit der Ernennung eines angesehenen Vermittlers in den Nahostkonflikt eingeschaltet. Er stellte am 22. Januar 2009 George Mitchell als seinen Nahostbeauftragten vor. Obama forderte Israel zur Öffnung der Grenzübergänge zum Gaza-Streifen auf. Mit dieser Maßnahme müsse internationale Hilfe für das Palästinensergebiet ermöglicht werden. Auch Handel müsse wieder möglich sein, forderte Obama.
Den Leserinnen und Lesern dieser Website ist Mitchell kein Unbekannter. Unter seiner Regie entstand 2001 der sog. "Mitchell-Report" einer Internationalen Kommission über die Gewalteskalation im israelisch-palästinensischen Konflikt. Der Bericht wurde von den Palästinensern positiv aufgenommen, von Israels Regierung abgelehnt.
Hier gibt es entsprechende Informationen:


Der Vermittler

»Aktiv und aggressiv« will der neue USA-Präsident Barack Obama das Ziel einer umfassenden Friedenslösung im Nahen Osten verfolgen. Eine wichtige Rolle soll dabei George Mitchell spielen, als Sonderbeauftragter Washingtons. Der ehemalige Senator gilt als gewiefter Vermittler, EU-Chefdiplomat Javier Solana hat seine Ernennung am Freitag »wärmstens begrüßt« und darauf verwiesen, dass er den Politiker seit dem »Mitchell-Report« aus dem Jahr 2000 als ausgezeichneten Kenner der Nahost-Lage schätze. Der 75-Jährige leitete damals eine internationale Kommission, die die Ursachen der Gewalt in der Region untersuchte. Einen Namen auf der diplomatischen Bühne hatte sich der passionierte Baseball-Fan aber schon Mitte der 1990er Jahre gemacht, als er die Friedensregelung für Nordirland vermittelte.

Diese beiden Regionen sind gleichsam auch mit seiner eigenen Familiengeschichte verbunden: Mitchell wurde 1933 als jüngster Sohn einer libanesischen Mutter und eines Vaters irischer Abstammung in Waterville (US-Bundesstaat Maine) geboren und später als Waise von einer libanesischen Familie adoptiert. Daheim sprach man Arabisch, erzogen wurde er in einfachen Verhältnissen als maronitischer Christ. Auch das Jura-Studium an der Georgetown Universität in Washington musste sich Mitchell nach seinem Militärdienst – u.a. bei einer Spionageeinheit in Westberlin – mit Nebenjobs verdienen. Er machte Karriere als Staatsanwalt und Bundesrichter, bevor er in die Politik ging und 1980 für die Demokratische Partei in den Senat einzog. Über viele Jahre hinweg war er Mehrheitsführer im Oberhaus des Parlaments. Der Krisenmanager Mitchell war auch gefragt, als es um die Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit der Vergabe der Olympischen Winterspiele 2002 an Salt Lake City ging.

Im Vorjahr platzierte ihn das »Time«-Magazin auf die Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Welt. »Es ist meine Überzeugung, dass es keinen Konflikt gibt, den man nicht beenden kann«, sagte Mitchell bei seiner Berufung am Donnerstag (22. Jan.). »Konflikte werden von Menschen verursacht, und sie können auch von Menschen beendet werden«, so sein Credo, das auf Geduld, Toleranz und Pragmatismus baut.

Olaf Standke

* Aus: Neues Deutschland, 24. Januar 2009


Mitchell zu Nahost-Besuch erwartet



Tel Aviv. Der neue US-Nahost-Vermittler George Mitchell wird in den kommenden Tagen zu einem Besuch in Israel und den Palästinensergebieten erwartet. Ein Sprecher des israelischen Außenministeriums bestätigte dies am Sonntag. Ein genaues Programm liege allerdings noch nicht vor, sagte Jigal Palmor. Erwartet werde, dass Mitchell mit israelischen Repräsentanten über eine Wiederbelebung des Nahost-Friedensprozesses sowie die Lage im Gazastreifen sprechen wolle.

Der neue US-Präsident Barack Obama hatte am Donnerstag das Ziel einer umfassenden Friedenslösung in Nahost bekräftigt, das er mit "aktiven und aggressiven" Schritten verfolgen wolle. Er berief als erste Maßnahme den krisenerfahrenen früheren Nordirland-Vermittler Mitchell zum Nahost-Beauftragten. ANZEIGE

Der israelische Rundfunk meldete am Sonntag, die israelische Außenministerin Zipi Livni habe vor einem Zerwürfnis zwischen Jerusalem und Washington gewarnt, sollte bei den Wahlen am 10. Februar in Israel eine rechtsorientierte Regierung an die Macht kommen. Sollte eine Koalition gewinnen, die nicht für eine Zwei- Staaten-Lösung eintrete, werde die US-Regierung stärkeren Druck auf Jerusalem ausüben, sagte Livni dem Bericht zufolge.

Vertreter des rechtsorientierten Likud sagten dem Sender hingegen, Livni fürchte nur eine Niederlage bei den Parlamentswahlen. Der Likud-Vorsitzende Benjamin Netanjahu sei sehr wohl in der Lage, gute Beziehungen mit den USA zu unterhalten. Netanjahu gilt nach jüngsten Umfragen weiter als Favorit bei den Wahlen, mit einem knappen Vorsprung vor Livni. (dpa)

dpa-Meldung, 25. Januar 2009




Ein Hauch Kritik

Obama und der Nahe Osten

Von Rainer Rupp **


Am Donnerstag (22. Jan.) hat Barack Obama zum ersten Mal als US-Präsident zu Gaza Stellung genommen. In einer Rede vor Mitarbeitern des amerikanischen Außenministeriums erklärte er seine Absicht, sich »aktiv und aggressiv für einen dauerhaften Frieden« im Nahen Osten einzusetzen. Die Dringlichkeit unterstrich er durch die Ernennung des ehemaligen Senators George Mitchell, des »Friedenstifters von Nordirland«, zum Sondergesandten für die Region. Um die zionistische Lobby jedoch nicht mit seiner Friedensinitiative zu verschrecken, bekräftigte ­Obama: »Damit es klar ist, Amerika ist der Sicherheit Israels verpflichtet und wird immer Israels Recht auf Selbstverteidigung gegen legitime Bedrohungen unterstützen.«

Von der demokratisch gewählten Hamas fordert Obama, daß sie »Israels Existenzrecht anerkennt, der Gewalt abschwört und sich an getroffene Abkommen hält«. Das soll sie offenbar tun, auch wenn Israel zuerst gegen Abkommen verstößt. Ansonsten will Obama nur mit der palästinensischen Regierung in Ramallah verhandeln, obwohl das Mandat von Präsident Mahmud Abbas seit 9. Januar 2009 abgelaufen ist.

Insbesondere zeigte Obama viel Verständnis für Israel. Er meinte: »Keine Demokratie kann tolerieren, daß ihre Bürger solchen Gefahren (den Hamas-Raketen) ausgesetzt sind.« Bereits vor sechs Monaten hatte er beim Besuch der israelischen Stadt Sderot gesagt: »Wenn jemand Raketen auf mein Haus schießt, in dem meine beiden Töchter schlafen, dann würde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um das zu beenden«. Damit hatte auch er grünes Licht für den Gaza­krieg gegeben. Daß Kinder geschützt werden sollen, ist selbstverständlich. Aber es fehlt die ganze Geschichte des »Hauses«, nämlich daß es gestohlen und der rechtmäßige Eigentümer verjagt wurde, und seit 60 Jahren wie ein Hund behandelt wird.

Allerdings klang auch ein Hauch von Kritik an Israel an, als Obama sagte: »Genauso inakzeptabel wie das ständige Raketenfeuer auf unschuldige israelische Zivilisten, ist es auch inakzeptabel, daß die Zukunft der Palästinenser ohne Hoffnung ist.« Über »das große Leid und die humanitäre Notlage in Gaza« sei er »tief besorgt«, die Versorgung palästinensischer Zivilisten, »die schon viel zu lang in erstickender Armut leben«, mit Lebensmitteln, sauberem Wasser und Medikamenten sei dringend notwendig. Deshalb müßten als Teil eines »dauerhaften Waffenstillstandes die Grenzübergänge für Hilfsgüter und Handel geöffnet werden«, natürlich »unter Kontrolle der internationalen Gemeinschaft unter Beteiligung der Palästinabehörde«, um die Wiederbewaffnung der Hamas verhindern. Zugleich – so Obama – werden die USA eine Geberkonferenz zur schnellen Hilfe und zum langfristigen Wiederaufbau für Gaza unterstützen. Die Hilfe soll von der korrupten Palästinenserbehörde verteilt werden. Die Vergangenheit zeigt aber, daß jeder Friedensprozeß, der darauf abzielt, Hamas auszugrenzen, zum Scheitern verurteilt ist.

** Aus: junge Welt, 24. Januar 2009


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