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Drei Lahme Enten und viel Staffage

60 Jahre nach der UNO-Resolution 181 blieb auch Annapolis unverbindlich

Von Norman Paech *

Bush, Olmert und Abbas haben jeweils kaum die Hälfte ihrer Bevölkerung hinter sich und zwei von ihnen – Bush und Olmert – wollen nicht einmal das, was sie vorgeben, schaffen zu wollen: einen lebensfähigen palästinensischen Staat neben Israel. Mit historischem Bewusstsein haben sie den Annapolis-Termin wohl kaum gewählt – heute sind es auf den Tag 60 Jahre nach der berühmten UNO-Resolution 181, die Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat teilen sollte. Die Symbolik des unerledigten Auftrags wäre zu erdrückend. Was in 60 Jahren unter ständiger Verletzung des Völkerrechts in immer weitere Ferne gerückt wurde, kann mit einem solchen Konferenzspektakel nicht wiederhergestellt werden.

Die Teilungsresolution gab den Arabern 47 Prozent ihres Heimatlandes, auf dem sie seit Jahrhunderten gesiedelt hatten. Die Oslo-Verträge von 1993 sahen mit Gaza und dem Westjordanland nur noch 22 Prozent der ursprünglichen Fläche vor. Im Jahr 2000 bot Israels Premier Barak den Palästinensern dann drei Viertel von diesen 22 Prozent an, und Scharon reduzierte das Angebot noch einmal auf 42 der 80 Prozent seines Vorgängers. Im März 2006 veröffentlichte Olmert seinen Plan, 36,5 Prozent des Westjordanlandes – Jerusalem und das Jordantal nicht eingerechnet – für Israel zu behalten. Während dieser ganzen Zeit setzte sich der Siedlungsbau unvermindert fort. Waren es 1993 noch 126 900 Siedler, so sind es heute 267 500. Keiner der in Annapolis versammelten Staaten hat je etwas Wirksames unternommen, diese schleichende Enteignung des palästinensischen Territoriums aufzuhalten. Selbst die jetzt wieder aktivierte »Road map« vom April 2003 war für die USA-Regierung »allenfalls ein marginaler Plan, der nicht funktioniert«, wie Außenministerin Rice Scharons Berater Dov Weisglass im Vertrauen sagte.

Auch der Abzug der Siedler aus Gaza hatte ganz andere Ziele im Auge als die Entstehung eines palästinensischen Staates. Weisglass hat im Oktober 2004 sehr offen in der Zeitung »Haaretz« bekundet, so verhindere man vielmehr »die Errichtung eines palästinensischen Staates und eine Diskussion über die Flüchtlinge, die Grenzen und Jerusalem«. Der Abzug liefere das notwendige Formaldehyd (die Flüssigkeit, in der tote Körper aufbewahrt werden – d.A.), um »jeden politischen Prozess mit den Palästinensern zu stoppen«. Und um keine Zweifel aufkommen zu lassen, fügte er hinzu: »Im Ergebnis ist das ganze Paket, Palästinensischer Staat genannt, mit allem, was es enthält, auf unabsehbare Zeit von unserer Agenda gestrichen« – mit »(US)präsidentiellem Segen und der Ratifizierung beider Häuser des Kongresses«.

An dieser Einstellung hat sich offensichtlich bei Olmert nichts geändert – und bei Bush, trotz aller Bekundungen zu einer Zweistaatenlösung, auch nicht. Denn weder die konkreten Vorschläge der Genfer Initiative vom Dezember 2003 noch der Friedensplan der Arabischen Liga von 2002 haben auch nur entfernt Eingang gefunden in das nichtssagende Papier von Annapolis. Es enthält nichts außer einem neuen Termin, den 12. Dezember, für neue unverbindliche Gespräche zwischen den beiden Parteien, die schon seit längerem auf der einen oder anderen Ebene bestehen. Wie masochistisch muss man sein, dies auch noch als politischen Erfolg auszugeben. Viel schlimmer noch, sie nehmen den armen Abbas genauso in die Zange wie seinerzeit Clinton und Barak den unglücklichen Arafat. Sie spalten die Palästinenser und blockieren auch so den Friedensprozess. Auf Initiative des saudischen Königs Abdullah hatten sich Hamas und Fatah im Februar 2007 auf die Bildung einer gemeinsamen palästinensischen Regierung geeinigt. Doch die USA und Israel waren sich darin einig, die Hamas zu bekämpfen. Ein verheerendes Embargo wurde gegen Hamas errichtet, und die Koalition brach auseinander. Die »New York Times« berichtete damals aus Gaza: »Der Bürgerkrieg, von dem die Palästinenser behaupteten, dass er niemals geschehen könne, war nun da, ein Bürgerkrieg, gefördert von Israel und den USA im Namen des Antiterrorismus und der Stabilität.«

Sie wissen genau, dass ohne Hamas und die nach wie vor hinter ihr stehende palästinensische Bevölkerung kein Frieden geschlossen werden kann. Aber sie boykottieren sie weiterhin und strafen damit ihre eigenen Friedensbekenntnisse Lügen. Die einzige Hoffnung, die uns noch bleibt, ist, dass Annapolis der wirklich letzte Tiefpunkt der Heuchelei und Verlogenheit gewesen ist.

* Prof. Dr. Norman Paech ist Nahostexperte und Außenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag.

Aus: Neues Deutschland, 29. November 2007



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