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Die Erwartungen liegen niedriger als das Tote Meer

Iran ist zwar nicht eingeladen, aber wichtiger Gesprächsgegenstand

Von Max Böhnel, New York *

Unmittelbar vor dem Nahost-Gipfel in Washington und Annapolis war USA-Präsident George Bush bemüht, Zweifel an seiner Ernsthaftigkeit auch durch Dutzende Einladungen zu zerstreuen. Die Tatsache, dass 49 Staaten und Organisationen – darunter ein Vertreter Syriens – zusammenkommen, zeige die internationale Entschlossenheit, »diese Chance zu ergreifen und Freiheit und Frieden im Nahen Osten voranzubringen«. Nach Einzelgesprächen zwischen Bush, Israels Premier Olmert und Palästinenserpräsident Abbas sollte der Gipfel am Montagabend (Ortszeit) im Washingtoner Außenministerium mit einer Gala eröffnet werden. Am Dienstag stehen in Annapolis Reden und Gespräche unter Ausschluss der Medien auf der Tagesordnung, gefolgt von Nachmittagsrunden zu den Themen palästinensisch-israelische Friedensbemühungen, Wirtschaft und Institutionen eines palästinensischen Staates sowie Regionales, darunter die Zukunft der israelisch besetzten Golan-Höhen und Liba-nons. Am Mittwoch wird sich Bush erneut zu Einzelgesprächen mit Abbas und Olmert treffen.

Die Erwartungen, in der Hauptstadt des Bundesstaates Maryland würde es zu einem Durchbruch kommen, seien »niedriger als das Tote Meer«, sagte David Makovsky vom »Washington Institute for Near East Policy«. Denn weder der israelische Premier noch der palästinensische Präsident kämen aus einer Position innenpolitischer Stärke in die USA. Bestenfalls sei eine formale »Road map« für weitere Verhandlungen zu erwarten.

David Wurmser, der Rechtsaußen-Berater von Vizepräsident Dick Cheney, äußerte die Befürchtung, der Gipfel würde vor allem Iran in die Hände spielen. Der einzig nicht eingeladene Gast aus der Region wird nach Auffassung politischer Beobachter der wichtigste Gesprächsgegenstand sein. Es gehe darum, dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad »Syrien und die palästinensische Karte aus der Hand zu nehmen«, hieß es. Dennis Ross, der ehemalige Nahostvermittler der Clinton-Regierung, meinte, die zunehmende regionale Hegemonie Teherans könne »etliche regionale Parteien« zu bislang nicht da gewesenen Zugeständnissen zwingen. Schon die Tatsache, dass Damaskus seinen stellvertretenden Außenminister entsandt hat, sei ein wichtiges Zeichen dafür, dass die »syrisch-iranisch fundamentalistische Front« aufzubrechen sei.

Aus Sicht der »New York Times« ist der Gipfel, der nach sieben Jahren völligem Stillstand einen diplomatischen Neuanfang verspricht, vor allem der USA-Außenministerin Condoleezza Rice zu verdanken. Sie habe Bush davon überzeugt, dass ein Jahr vor der auslaufenden Amtszeit und angesichts des Irak-Kriegsdesasters an der israelisch-palästinensischen Front doch noch Lorbeeren zu holen seien. Beobachter sind sich darüber einig, dass das Kalkül der Bush-Regierung – mit Ausnahme des rechten Hardliner-Flügels um Dick Cheney – lautet: Ein israelisch-palästinensisches Aufeinanderzugehen kann die Isolation Irans nur noch verstärken.

Annapolis

Annapolis wurde von britischen Siedlern 1649 gegründet und ist Hauptstadt des US-Bundesstaates Maryland. Das beliebte Ausflugsziel der Washingtoner hat 36 000 Einwohner und einen idyllischen Jachthafen. Vor 300 Jahren diente das Städtchen kurzzeitig sogar als Hauptstadt der Vereinigten Staaten, heute beherbergt es immerhin das »Presidential Pet Museum« über die diversen Haustiere der USA-Präsidenten. Ganz in der Nähe befindet sich die US Naval Academy, die Marine-Akademie, in der die Nahost-Gespräche stattfinden.

Hintergrund

Der letzte große Nahost-Gipfel fand am 4. Juni 2003 in der jordanischen Hafenstadt Akaba statt. Der damalige israelische Ministerpräsident Scharon und sein palästinensischer Kollege Abbas stimmten einem neuen Stufenplan für den Frieden zu. Diese »Road Map« für zwei unabhängige Staaten war 2002 vom »Nahostquartett« (USA, EU, Russland, UN) erarbeitet worden. Doch umgesetzt wurde sie nicht. Scharon schied 2006 wegen eines Schlaganfalls aus dem Amt. Abbas ist heute Palästinenserpräsident, hat aber nur noch Machtbefugnisse im Westjordanland, nachdem die radikalislamische Hamas 2007 Wahlen im Gazastreifen gewann.

Die Kernprobleme für einen Nahostfrieden bestehen weiter: Die Palästinenser verlangen, dass ihr Staat alle 1967 besetzten Gebiete umfasst - das Westjordanland, Gaza und Ost-Jerusalem. Das lehnt Israel ab und hat außerdem zur »Terrorabwehr« eine Sperranlage aus Zäunen und Mauern gebaut, die zum Teil auf palästinensischem Gebiet verläuft. Israel beharrt unter Hinweis auf die Geschichte vor allem darauf, dass das ungeteilte Jerusalem einschließlich des annektierten Ostteils seine Hauptstadt sei. An dieser Statusfrage ist 2000 der Gipfel in Camp David gescheitert. Streit gibt es auch um die nach 1967 im Westjordanland errichteten 120 Siedlungen, in denen inzwischen 270 000 Israelis leben. Für die Palästinenser ist die Besiedlung völkerrechtlich illegal. Sie fordern zudem, dass ihre über vier Millionen Flüchtlinge wieder in die verlorene Heimat zurückkehren dürfen. Olaf Standke



* Aus: Neues Deutschland, 27. November 2007

Israel will mit Abbas verhandeln

Unmittelbar im Anschluß an die Nahostkonferenz in Annapolis will der palästinensische Präsident Mahmud Abbas mit Israel Verhandlungen über ein Friedensabkommen beginnen. Bereits am Mittwoch wollten beide Seiten formell Gespräche über die bislang ungelösten Endstatusfragen aufnehmen, bei denen es um einen künftigen Palästinenserstaat gehen solle, sagte der palästinensische Unterhändler Jasser Abed Rabbo am Montag (26. Nov.) in Washington. Dabei sollen die künftigen Grenzen eines Palästinenserstaats, der Status von Jerusalem sowie das Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge verhandelt werden. In einer gemeinsamen israelisch-palästinensischen Erklärung, die ursprünglich am Montag abend verabschiedet werden sollte, soll der Rahmen für die künftigen Friedensverhandlungen abgesteckt werden.

Israelis und Palästinenser haben sich nach eigenen Angaben am Dienstag (27. Nov.) auf ein gemeinsames Grundlagendokument für die Nahost-Konferenz in Annapolis geeinigt. Bis kurz vor Beginn der Konferenz am Dienstag hatte es so ausgesehen, als ob sich beide Seiten nicht auf eine einheitliche Plattform verständigen könnten.

Agenturmeldungen, 26. und 27. November 2007




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