Neuer Streit über Ost-Jerusalem
Indirekter Nahostdialog unter schlechten Vorzeichen
Unmittelbar nach Beginn eines neuen Nahostdialogs hat eine israelische
Menschenrechtsorganisation gravierende Missstände angeprangert, unter denen Palästinenser im arabischen Ostteil Jerusalems leiden.
Bereits einen Tag nach Aufnahme indirekter
Friedensgespräche streiten Israel und die Palästinenser schon wieder über den israelischen
Siedlungsbau in Ost-Jerusalem. Jassir Abed Rabbo, Führungsmitglied der Palästinensischen
Befreiungsorganisation, sagte dem palästinensischen Rundfunk am Montag (10. Mai), Baumaßnahmen im
Viertel Ras el-Amud seien der erste Verstoß gegen Vereinbarungen über die Aufnahme neuer
Friedensgespräche.
Die israelische Friedensorganisation Peace Now hatte am Sonnabend (9. Mai) einen Bericht veröffentlicht,
wonach israelische Siedler in dem arabischen Viertel Ras el-Amud in Ost-Jerusalem 14 neue
Wohnungen in einem ehemaligen Polizeigebäude bauen. »Wir werden uns sofort für einen Baustopp
einsetzen, weil wir nicht akzeptieren können, dass Verhandlungen als Deckmäntelchen für
Siedlungsaktivitäten dienen«, sagte Abed Rabbo. Man habe sich bereits bei den USA beschwert.
Ein israelischer Regierungsbeamter sagte dagegen am Montag, bei den Bauherren in Ras el-Amud
handle es sich um private Investoren. »Wenn Juden in Nachbarschaften in Jerusalem bauen wollen,
ist es nicht Aufgabe der Regierung, dies zu verhindern«, sagte er. »Wir sagen auch den Arabern
nicht, dass sie nicht in jüdischen Vierteln kaufen und bauen dürfen.« Die Palästinenser
beanspruchen den arabischen Ostteil Jerusalems als Hauptstadt eines eigenen Staates. Israel will
hingegen die ganze Stadt behalten.
Der israelische Regierungssprecher Mark Regev sagte am Montag (11. Mai), ein allgemeiner Baustopp in Ost-
Jerusalem komme nicht in Frage. »Wir werden entsprechende Forderungen der Palästinenser nicht
akzeptieren.«
Nach einem neuen Bericht werden in Ost-Jerusalem lebende Araber erheblich benachteiligt. Rund
65 Prozent der arabischen Familien in Ost-Jerusalem leben laut der Untersuchung des israelischen
Bürgerrechtsverbands unter der Armutsgrenze, während davon im Westteil der Stadt nur rund 31
Prozent der jüdischen Familien betroffen sind. Mehr als 160 000 Menschen - das ist mehr als die
Hälfte der rund 300 000 Araber in Ost-Jerusalem - haben keinen legalen oder brauchbaren
Anschluss an die Wasserversorgung.
Israelische Kampfflugzeuge bombardierten unterdessen in der Nacht zum Montag (10. Mai) zwei Ziele im
südlichen Gazastreifen. Dabei wurde niemand verletzt. Eine israelische Armeesprecherin erklärte,
es handele sich um eine Reaktion auf einen Raketenangriff auf Israel.
* Aus: Neues Deutschland, 11. Mai 2010
Erzwungenes Verhandeln
Von Roland Etzel **
Ungünstiger hätten die Vorzeichen für die neuen Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern kaum sein können. Die wichtigsten äußeren Beobachter der Nahostszenerie wie die USA und Westeuropa sind derzeit intensivst mit eigenen Problemen beschäftigt, und auch die Akteure selbst verbreiten vom ersten Tage an spürbare Unlust, miteinander zu reden; wenn auch aus sehr verschiedenen Gründen.
Israels Ministerpräsident Netanjahu gibt sich wenig Mühe zu verbergen, dass er mit der momentanen Situation sehr gut leben kann. Jedes denkbare Verhandlungsergebnis mit den Palästinensern betrachten er und die seine Regierung stützenden Parteien als unnötiges Zugeständnis, weil sie es auf Grund ihrer totalen militärischen Überlegenheit eben nicht eingehen müssen. Die Vision eines friedlichen Ausgleichs und eines darauf fußenden Friedens besitzt im Staate des friedensnobelpreistragenden Präsidenten Peres offenbar keine Lobby - jedenfalls was die staatstragenden Parteien betrifft.
Auch Abbas und die PLO gaben ihre Zusage erst nach heftigster US-amerikanischer Nötigung ab. Wochenlang verweigerten sie sich. Nun »verhandeln« sie doch, wohl wissend, dass sie ohne lautstarkes Schulterklopfen seitens der EU-Staaten nichts in der Hand haben, womit sie Netanjahu und Co. beeindrucken könnten. Seinen fast letzten Trumpf - mit dem Rücktritt zu drohen - hatte Abbas schon vor Monaten ausgespielt, folgenlos. Von den arabischen »Brüdern« hat der PLO-Präsident auch nichts zu erwarten. Die Staaten der Arabischen Liga haben zwar extra getagt und ihm das Plazet für Gespräche erteilt, aber nur, um sich anschließend sofort wieder aus dem virtuellen Verhandlungsraum zu verabschieden. Hoffnung auf Fortschritt hat da keine Nahrung.
** Aus: Neues Deutschland, 11. Mai 2010 (Kommentar)
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