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Gedämpfte Erwartungen

Obama konnte Netanjahu und Abbas zum "Dreiergipfel" überreden - mehr als gute Worte waren aber nicht drin

Im Folgenden dokumentieren wir zwei Artikel, die sich mit dem bevorstehenden "Dreiergipfel" zwischen Obama, Netanjahu und Abbas am Rand der UN-Vollversammlung in New York am 22. September 2009 befassen. Aus ihnen spricht die Skepsis, ob dieser Gipfel überhaupt ernsthafte Fortschritte im Friedensprozess bringen könne. Zuvor aber die ersten Agenturmeldungen über den erfolgten "Gipfel".

Obama bringt Netanjahu und Abbas an einen Tisch

US-Präsident Barack Obama hat Israelis und Palästinenser zu stärkeren Anstrengungen für einen Frieden im Nahen Osten aufgefordert. Beide Seiten müssten direkte Verhandlungen ermöglichen, sagte er zu Beginn eines Dreiergipfels mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas am Dienstag (22. Sept.) in New York. Ein Durchbruch wurde von dem Treffen nicht erwartet.

Abbas und Netanjahu begrüßten sich zögerlich mit Handschlag, nachdem Obama ihnen zuvor zur Begrüßung die Hand geschüttelt hatte. Es war das erste Treffen zwischen den beiden Kontrahenten, seit Netanjahu im März Regierungschef wurde. Vor dem Dreiertreffen am Rande der UN-Vollversammlung hatte Obama mit Abbas und Netanjahu unter vier Augen gesprochen. Deshalb verzögerte sich der Beginn der Dreierrunde um etwa eine Stunde.

Direkte Friedensverhandlungen zwischen Abbas und Netanjahu scheiterten bislang an der israelischen Weigerung, den Ausbau jüdischer Siedlungen in Ostjerusalem und im Westjordanland zu stoppen. Daran werde Netanjahu auch weiter festhalten, hatte sein Medienberater Nir Hefetz noch am Montag im israelischen Militärrundfunk gesagt.

Trotz aller Hindernisse müsse ein Weg nach vorn gefunden werden, sagte Obama am Dienstag. Er forderte die palästinensische Seite auf, mehr zu tun, um den Terror gegen Israel zu stoppen. Die Israels rief Obama auf, im Streit um den Siedlungsbau einzulenken.

Ein Berater des palästinensischen Präsidenten, Jassir Abed Rabbo, erklärte, Abbas habe dem dem Dreiertreffen die Forderung nach einem vollständigen Baustopp jüdischer Siedlungen bekräftigt. Netanjahu wiederum habe von den Palästinensern die Anerkennung Israels als jüdischer Staat verlangt.

Obamas Initiative war ein diplomatischer Rückschlag vorangegangen: Sein Nahost-Sondergesandter George Mitchell kehrte in der vergangenen Woche ohne Ergebnisse von einer Reise in die Region zurück. Es war ihm nicht gelungen, beide Seiten an einen Tisch zu bringen. Zudem widersetzte sich Israel dem Wunsch der USA nach einem Stopp der Besiedlung besetzter palästinensischer Gebiete.

Die USA bemühen sich derzeit, eine Annäherung beider Seiten zu vermitteln, um so eine Rückkehr zu Verhandlungen über die eigentlichen Knackpunkte zu erreichen. Dazu gehört die Frage des künftigen Grenzverlaufs, des Status von Jerusalem, der Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge und der Zukunft der jüdischen Siedlungen.

Nachrichtenagenturen AP und AFP, 22. September 2009


Zum Dreiergipfel in New York

Von Aluf Benn *

Die meisten Israelis lieben Amerika, aber können sich nicht mit dem amerikanischen Charakter anfreunden. Hier improvisiert man und stellt sich nicht hinten an, und dort verabredet man sich mit Freunden lange im Voraus und liest die Gebrauchsanleitung, bevor man ein Elektrogerät benutzt. So auch in der Diplomatie: In Israel beschließt man nach einer zweistündigen Diskussion in den Krieg zu ziehen und schlägt mutige Friedenspläne ohne Debatten und Beratungen vor, und in Amerika braucht man Monate für die Vorbereitung eines jeden diplomatischen und militärischen Schrittes.

Der Dreiergipfel, den US-Präsident Barack Obama heute mit Ministerpräsident Binyamin Netanyahu und dem palästinensischen Präsident Mahmoud Abbas in New York veranstaltet, macht diese Mentalitätsunterscheide zwischen Jerusalem und Washington deutlich. In Israel hat man erwartet – sei es mit Hoffnung, sei es mit Sorge -, dass Obama einen Friedensplan zückt und Netanyahu und Abbas zu schnellen Verhandlungen über seine Einzelheiten drängt. Als klar wurde, dass die Erwartungen übertrieben waren, wurden sie von Verachtung abgelöst, und „offizielle Vertreter in Jerusalem“ stellten den Gipfel in den israelischen Medien als überflüssige Veranstaltung dar.

Aber die Amerikaner folgen einem anderen Rhythmus als die Israelis. Obama hat nicht versichert, eine schnelle Lösung für den israelisch-arabischen Konflikt zu repräsentieren. Er hat versichert, stärker als sein Vorgänger George Bush involviert zu sein und auf die Wiederbelebung des diplomatischen Prozesses hinzuwirken. Bis jetzt hat Obama auch Wort gehalten: Er hat George Mitchell zum Sondergesandten ernannt, und heute wird er die Führer beider Seiten treffen, erstmals seit Netanyahu an die Macht zurückgekehrt ist. Netanyahu und Abbas waren nicht begeistert, aber konnten sich Obama auch nicht verweigern. Die Zeit, die bis zum Gipfel verstrichen ist, wurde nicht verschwendet; sie wurde zur Verbesserung der Situation im Westjordanland genutzt, der Räumung von Kontrollposten und der Stärkung der Sicherheitskoordinierung zwischen den Israelischen Verteidigungsstreitkräften (ZAHAL), der Allgemeinen Sicherheitsbehörde (SHABAK) und den Sicherheitsorganen der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA).

Der politische Zeitplan Obamas ist anders als der von Netanyahu oder Abbas. Seine Amtszeit ist auf vier Jahre festgelegt, an deren Ende er vielleicht wiedergewählt werden wird. Er ist nicht von einer Koalition abhängig, deren Mitglieder zum Großteil gegen seine diplomatischen Schritte sind, wie Netanyahu, oder von rechtlichen Tricks, die ihn nach Ablauf seiner Amtszeit an der Macht halten, wie Abbas. Dies gibt Obama Zeit, beharrlich, aber schrittweise vorzugehen. Das ist auch der Stil Mitchells: Noch ein Treffen, noch ein Gespräch, noch eine Vorbereitung - Hauptsache, es wird Vertrauen geschaffen, und die Seiten nähern sich den Entscheidungen an, die da kommen werden. Die Amerikaner haben die gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen Israel und den Palästinensern für das Scheitern des Prozesses und die verpassten Gelegenheiten aufgesogen, und haben ihre Arbeit weiter gemacht.

Daher muss man den New Yorker Gipfel als Schritt in einem Prozess sehen, der zur Wiederaufnahme der Verhandlungen führt, und nicht als dramatisches Ereignis, das bestimmt, ob Frieden sein wird oder nicht.

* Aus: Haaretz, 22.09.09; Übersetzung: Israelische Botschaft in Berlin; Quelle: Newsletter der Botschaft, 22. Sept. 2009


Geringe Erwartungen an Nahostdreiergipfel

Kritik an Abbas von anderen palästinensischen Organisationen **

Kurz vor dem Dreiergipfel zum Nahostkonflikt haben Regierungsvertreter in Israel eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen in Frage gestellt. Palästinenser-Vertreter bekräftigten ihre Skepsis gegenüber dem Treffen.

Israelis und Palästinenser haben allzu große Erwartungen an das Nahostgipfeltreffen mit US-Präsident Barack Obama von vornherein gedämpft. Die für den heutigen Dienstag in New York geplante Runde von Obama mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu habe den Charakter eines unverbindlichen Gesprächs und eines Fototermins, berichteten israelische und palästinensische Medien unter Berufung auf hochrangige Regierungsmitarbeiter. Abgesehen davon wollen sowohl Netanjahu als auch Abbas in Einzelgesprächen mit Obama um dessen Unterstützung ihrer Position in dem Konflikt werben.

Obama hatte das Treffen im Waldorf Astoria Hotel in New York angemahnt, nachdem der USNahostgesandte George Mitchell nach wochenlangen Vermittlungsbemühungen in der Region nicht den erhofften Durchbruch erreicht hatte. Anders als von den Palästinensern, der US-Regierung, der Europäischen Union und im Nahostfriedensplan von 2003 gefordert, lehnt Netanjahu einen umfassenden Ausbaustopp in jüdischen Siedlungen ab. Die Palästinenser wiederum hatten bis zu Obamas Einladung alle politischen Gespräche mit Israel boykottiert. Sie beharren auf einem Baustopp. Angesichts des Siedlungsstreits war es Mitchell ebenfalls nicht gelungen, führende arabische Staaten wie beispielsweise Saudi-Arabien zu Gesten des guten Willens gegenüber Israel zu bewegen.

Abbas und Netanjahu machten vor dem am Dienstagmorgen (22. Sept.) geplanten Treffen in New York deutlich, dass sie ihre bisherigen Positionen nicht aufgeben werden. »Die Palästinenser hoffen weiter, dass die Intervention des Präsidenten Obama die Motivation liefern wird, um Israel zurück an den Verhandlungstisch zu bringen«, heißt es in einer Erklärung des palästinensischen Chefunterhändlers Saeb Erekat. Die Grundlagen dafür seien ein vollständiger Baustopp sowie die Wiederaufnahme der Friedensgespräche an jener Stelle, an der sie unterbrochen worden waren. Der Baustopp sei keine Vorbedingung, sondern eine Verpflichtung für Israel aus dem Nahostfriedensplan von 2003, hieß es.

Dagegen will Netanjahu nach israelischen Medienberichten seine Haltung im Siedlungsstreit im Gespräch mit Obama verteidigen. Er wolle die Friedensverhandlungen mit den Palästinensern »ohne Vorbedingungen« fortsetzen; das heißt, anders als die Palästinenser will Netanjahu nicht vor, sondern erst nach Beginn der Verhandlungen klären, wie besonders strittige Themen wie die Zukunft Jerusalems und der 4,5 Millionen palästinensischen Flüchtlinge und Vertriebenen behandelt werden. Schließlich lehnt Netanjahu auch ab, innerhalb von zwei Jahren einen Friedensvertrag mit den Palästinensern auszuhandeln.

Die Teilnahme am Nahostgipfel hat Abbas in Bedrängnis gebracht. Dies sei ein klarer politischer Rückzug von der bisherigen Position, wonach politische Gespräche mit Israel erst nach einem Ausbaustopp in den Siedlungen beginnen sollen, kritisierte die zu Abbas in Opposition stehende Hamas. Die Volksfront zur Befreiung Palästinas bezeichnete das Gipfeltreffen als »kostenloses Geschenk für Netanjahu und dessen extremistische Regierung«.

** Aus: Neues Deutschland, 22. September 2009


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