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Abbas will weiter verhandeln

Palästinensischer Präsident fordert Israel zum Siedlungsstopp auf. Gespräche sollen aber in jedem Fall fortgesetzt werden

Von Karin Leukefeld *

Der amtierende Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, hat Israel aufgefordert, »alle Siedlungsaktivitäten« zu stoppen. Die Mauer müsse abgerissen, Blockaden und Absperrungen müssen beendet werden, sagte Abbas am Wochenende vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York. Die Besatzungsmacht Israel verletzte mit ihrer »expansionistischen Herrschaftsmentalität« die grundlegenden Rechte der Palästinenser. Israel zerstöre absichtlich die »religiöse, spirituelle und historische Identität Jerusalems« und halte Tausende Palästinenser gefangen. Doch weil die Palästinenser einen »tiefen Wunsch nach einem gerechten und dauerhaften Frieden« hätten, habe er sich entschieden, »Verhandlungen über einen endgültigen Status« beider Staaten zu führen. Er werde sich »alle Mühe geben«, um innerhalb eines Jahres ein Friedensabkommen zu erreichen.

Die US-Regierung will, daß Abbas auch dann weiter verhandelt, wenn Israel, wie angekündigt, den Baustopp von Siedlungen nicht verlängert. Sollte es dazu kommen, dürfte die Glaubwürdigkeit von Abbas bei den Palästinensern einen neuen Tiefpunkt erreichen. Schon jetzt wirft man ihm vor, nicht im Namen der Palästinenser zu sprechen, weil seine Amtszeit als Präsident seit Anfang 2010 ausgelaufen war. Wegen politischer Differenzen mit der Hamas hatte der Präsident Neuwahlen einseitig und ohne neuen Termin verschoben. Kritiker der Gespräche werfen Israel vor, internationale Resolutionen und völkerrechtliche Bestimmungen zu ignorieren. USA, EU und die Vereinten Nationen kritisieren zwar den Siedlungsbau als »illegal«, verhängen aber trotz des offensichtlichen Bruchs des Völkerrechts keine Sanktionen.

Rund 500.000 Israelis leben heute in mehr als 120 Siedlungen auf besetztem Land. Hinzu kommen etwa 100 »Vorposten« radikaler Siedler. Die israelische Organisation »Frieden jetzt« erklärte, bei einem weiteren Siedlungsbau gebe es »kein Zurück« mehr. Die Bildung von zwei Staaten werde damit unmöglich gemacht.

Seit Beginn der Besatzung 1967 hat keine israelische Regierung den Bau von Siedlungen verhindert. Seit dem Friedensabkommen von Oslo (1993) hat sich die Zahl der Siedler sogar verdreifacht. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu unterstützt die Siedler, denen er heute sein Amt verdankt. Sollte er einem Teilmoratorium zustimmen, wird das den harten Kern der Siedler nicht anfechten. Sie bilden längst einen Staat im Staate Israel und haben erklärt, den Siedlungsbau auf jeden Fall, wenn vielleicht auch nur »stufenweise« voranzutreiben. Der Siedlerrat Jescha will das Moratorium medienwirksam mit einem Countdown beenden. »So total wie der Baustopp war, so total wird die Wiederaufnahme der Bauarbeiten sein«, sagte der Vorsitzende des Siedlerrates Danni Dajan. In der Siedlung Revava stehen Lastwagen, Zement und Bulldozer bereit, um gleich nach Mitternacht am 27. September weiterzubauen.

* Aus: junge Welt, 27. September 2010

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Jüdische Siedler setzen Bauarbeiten in der Westbank fort

Ungeachtet internationaler Bedenken setzen jüdische Siedler im Westjordanland die Bauarbeiten an den umstrittenen Siedlungen fort. Am Morgen des 27. September setzten sich wieder die Bulldozer in Bewegung, nachdem in der Nacht ein zehnmonatiger Baustopp ausgelaufen war. Die Palästinenserführung will nun nach einem Treffen der Arabischen Liga Anfang Oktober über Fortsetzung oder Abbruch der Friedensgespräche mit Israel entscheiden.

In den jüdischen Siedlungen wurde das Ende des Baustopps teils frenetisch gefeiert. Wie der israelische Rundfunk berichtet, begannen die Bauarbeiten zunächst in der Siedlung Adam im Norden des Westjordanlands, wo rund 30 Siedler-Wohnungen entstehen sollen. Nach israelischen Fernsehberichten sollen die Bauarbeiten in mindestens acht Siedlungen wieder aufgenommen werden, darunter in Kirjat Arba am Rande der Palästinenserstadt Hebron.

Die israelische Regierung hatte den im November 2009 nach internationalem Druck verhängten Baustopp nicht verlängern wollen. Die jüdischen Bauaktivitäten sind der größte Streitpunkt bei den erst Anfang September wieder aufgenommenen direkten Friedensgesprächen zwischen Israelis und Palästinensern. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte am Sonntag noch einmal vor einer Wiederaufnahme der Bauarbeiten gewarnt. Ein neuer Baustopp sei die einzige Möglichkeit, zum Frieden zu gelangen, sagte ein Sprecher. Andernfalls seien die Gespräche "eine Zeitverschwendung".

Abbas kündigte bei einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy in Paris an, eine Entscheidung über die Fortsetzung der Gespräche erst nach einem Treffen der Arabischen Liga am 4. Oktober zu fällen. Sarkozy sagte, Frankreich bedaure, "dass einhellige Aufforderungen zu einer Verlängerung des Moratoriums zum israelischen Siedlungsbau nicht erhört wurden". Der Baustopp "hätte verlängert werden müssen, um den Verhandlungen eine Chance zu geben", sagte er.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu forderte Abbas auf, die Friedensverhandlungen fortzusetzen. US-Außenamtssprecher Philip Crowley wiederholte nach dem Ablauf des Moratoriums die Forderung der USA nach einer Verlängerung des Baustopps.

In Berlin sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes, die Nahost-Friedensverhandlungen seien "in einer kritischen Situation". Deutschland sei im Gespräch mit Verbündeten und Beteiligten.

Der im syrischen Exil lebende Anführer der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas, Chaled Meschaal, forderte Abbas auf, die Verhandlungen mit Israel zu beenden. Die "Brüder der palästinensischen Autonomiebehörde" müssten "ihr Versprechen halten", sagte er in Damaskus.

Quelle: AFP, 27. September 2010




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