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"Deshalb fordern wir eine entschiedene und durchgreifende internationale Intervention ..."
"We therefore call for firm and decisive international intervention ..."
"Nous en appelons donc ŕ une intervention internationale ferme et décisive ..."

Offener Brief an Chirac und Blair
Open letter addressed to President Jacques Chirac and Prime minister Tony Blair
Lettre ouverte au président Chirac et au Premier ministre Tony Blair

Ulrike Vestring vom Arbeitskreis Israel/Palästina e.V., Bonn, weist in einer Pressemitteilung vom 15. Dezember 2004 auf einen gemeinsamen palästinensisch-israelischen Brief hin, der an den französischen Präsidenten Jaques Chirac und den britischen Premierminister Tony Blair adressiert ist. Absender des "Offenen Briefs" sind die Israelin Shulamit Aloni, Vorsitzende der Meretz-Partei und ehemalige Erziehungsministerin, und die Palästinenserin Hanan Ashrawi, Sprecherin der palästinensischen Delegation bei den Oslo-Verhandlungen und Abgeordnete. In dem Brief appellieren sie an die beiden Politiker, Druck auf die Regierung Sharon auszuüben, damit der Staat Israel die Menschenrechte der Palästinenser nicht länger verletzt, die Militärbesetzung beendet und Verträge sowie UN-Resolutionen erfüllt.
Die beiden Verfasserinnen haben ihren Brief ins Internet gestellt und um breite Unterstützung gebeten.
Hier die Quelle: www.petitions.medicks.net.

Im Folgenden dokumentieren wir den Offenen Brief in einer von Ulrike Vestring besorgten deutschen Übersetzung sowie in Englisch und Französisch. Er gewinnt besondere Aktualität auch durch den für den 20. bzw. 21. Dezember angekündigten Besuch Tony Blairs im Nahen Osten.



Offener Brief an Präsident Jacques Chirac und Premierminister Tony Blair

Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrter Herr Premierminister,


diesen Brief richten wir an Sie in einem der dunkelsten Momente des Konfliktes zwischen dem Staat Israel und dem palästinensischen Volk. Täglich werden Palästinenser getötet, das Ausmaß der Zerstörung hat katastrophale Ausmaße erreicht. Die Israelis ihrerseits leben in ständiger Furcht vor Selbstmordattentaten, die Gewalt ist allgegenwärtig. Beide Seiten sehnen sich nach wirklichem Frieden, den sie seit Gründung des Staates Israel 1948 nie gekannt haben.

Angesichts des Umfangs israelischer Kolonisierung und des hartnäckigen Widerstands gegen die Aufgabe auch nur der kleinsten Siedlung in Gaza wird zunehmend deutlich, dass Israel weder willens ist noch die politische Entschlusskraft aufbringt, die Besetzung zu beenden und die Errichtung eines souveränen, freien und lebensfähigen palästinensischen Staates zuzulassen. Ja, es gibt nicht einmal die Absicht, Land zurückzugeben, im Gegenteil, in der Umgebung von Jerusalem wird vermehrt gebaut, die Siedlungen werden noch vergrößert.

Deshalb fordern wir eine entschiedene und durchgreifende internationale Intervention, um soviel Druck auf Israel auszuüben, dass es das internationale Recht, die Menschenrechte und die einschlägigen VN-Resolutionen befolgt. Diese Intervention soll im Ergebnis zu einer Räumung aller israelischen Siedlungen in den seit dem Krieg von 1967 besetzten Gebieten und zur Gründung eines palästinensischen Staates dortselbst führen. Eine solche internationale Intervention wäre nicht anti-israelisch oder anti-semitisch; ganz im Gegenteil. Für uns ist dies der einzige Weg, einen bitteren Jahrhundertkonflikt zu lösen und eine brutale Besetzung zu beenden, die seit bald vierzig Jahren andauert und allem Anschein nach auf Dauer fortgesetzt werden soll.

Großbritannien und Frankreich haben die Geschichte in diesem Teil der Welt seit dem Ende des 19. Jahrhunderts mitbestimmt. Seit 1945 haben Sie, Franzosen und Engländer, Frieden und Zusammenarbeit in Europa und in aller Welt unterstützt. Wir bitten Sie, in diesem Sinne Ihren Einfluss auch im Nahen Osten geltend zu machen.

Die Wurzeln dieses Konflikts reichen weit zurück, zumindest bis zum 16. Mai 1916, als beim Zerfall des ottomanischen Reiches Frankreich und Großbritannien in dem Sykes-Picot-Abkommen die Macht untereinander aufteilten. Die Wunden und Narben dieser Teilung sind bis heute nicht verheilt, ihre Folgen zeigen sich im gegenwärtigen Konflikt. Deshalb fordern wir Frankreich und Großbritannien auf, einen kühnen, historischen Schritt zu tun, der von einer Strategie der Macht zu einer Strategie der Versöhnung führt. Ein solcher Schritt könnte Ihre Entschlossenheit beweisen, das 21. Jahrhundert zu einem Jahrhundert der Achtung des internationalen Rechts und seiner Institutionen, zu einem Jahrhundert der Gerechtigkeit und des Friedens zu machen.

gezeichnet Shulamit Aloni,
frühere Israelische Erziehungsministerin und Vorsitzende der Meretz-Partei

gezeichnet Dr. Hannan Ashrawi,
Generalsekretärin der Palästinensischen Initiative für die Förderung von weltweitem Dialog und Demokratie (MIFTAH), Abgeordnete des Palästinensischen Autonomierats für den Wahlkreis Jerusalem


Open letter addressed to President Jacques Chirac (France) and Prime minister Tony Blair (Great Britain)

The following open letter is a call for the application of effective international pressure on Israel, in order to put an end to the occupation and oppression of the Palestinian people by Israel. You, together with all other peace activists worldwide, are invited to add your signature to this open letter, in order to add to its moral weight.
Online-petition: www.petitions.medicks.net.


Mr. President / Mr. Prime minister,

This letter is being written at one of the darkest moments in the history of the conflict between the state of Israel and the Palestinian people. Palestinians are being killed daily and the level of destruction to the Palestinian infrastructure is catastrophic. Israelis, for their part, are now living in constant fear of suicide attacks with violence ruling the day. Both sides are longing for a real peace which they have not enjoyed for even one year since the creation of the state of Israel in 1948.

In view of the extent of Israeli colonization and stubborn resistance to the dismantling of even the smallest settlements in Gaza, it is becoming increasingly clear that Israel does not have the will, nor the political resolve, required to end the occupation and allow the creation of a sovereign, free and viable Palestinian state. Indeed, not only is there no real intention of returning lands, there is even intensified building around Jerusalem and expansion of settlements.

We therefore call for firm and decisive international intervention that will put the necessary pressure on Israel, in order to make sure it complies with international law, the principles of human rights and the relevant UN resolutions The end result of this intervention should be the dismantling of all Israeli settlements in the territories occupied by Israel during the 1967 war, and the creation of a Palestinian state therein. We do not regard such international intervention as anti- Israeli, or anti-Semitic, but rather the contrary. This seems to us the only way to put an end to a century of bitter conflict and nearly forty years of brutal occupation that seems set to continue for the foreseeable future.

Britain and France have been involved with this part of the world since the end of the 19th century. Since 1945 you have supported the forces of peace and cooperation in Europe and all over the world. We ask you to use your influence and do the same in the Middle East! The roots of this conflict go far back, at the least to May 16th, 1916, when the Sykes-Picot agreement between France and Britain divided control over the crumbling Ottoman Empire. The wounds and scars of that division are still apparent today, and their effects can clearly be seen in the current conflict. We are asking, therefore, that France and Britain take a bold, historic stand that will move us from strategies of power to strategies of reconciliation - a stand that will reflect your resolve that the 21st century be a century of respect for international law and institutions, a century of justice and peace.

Shulamit Aloni,
former Israeli minister of education and leader of the Meretz party

Dr. Hannan Ashrawi,
Secretary General - The Palestinian Initiative for the Promotion of Global Dialogue and Democracy - MIFTAH. Palestinian Legislative Council Member for the Jerusalem District.


Lettre ouverte au président Chirac et au Premier ministre Tony Blair

Monsieur le Président, Monsieur le Premier Ministre

Cette lettre est écrite dans l'un des moments les plus noirs de l'histoire du conflit entre l'Etat d'Israël et le peuple palestinien. Des Palestiniens sont tués tous les jours et l'étendue des destructions des infrastructures palestiniennes est catastrophique. Les Israéliens, quant ŕ eux, vivent dans la peur permanente dąattentats suicides et la violence rčgle les jours. Des deux côtés on aspire ŕ la paix, cette paix qui n'a pas régné męme un an depuis la création de l'Etat d'Israël en 1948.

Quand on voit l'extension de la colonisation israélienne et la résistance obstinée au démantčlement ne serait-ce que de la plus petite colonie dans Gaza, il est de plus en plus clair qu’Israël n'a pas la volonté, ni la résolution politique, pour mettre un terme ŕ l'occupation et permettre la création d'un Etat palestinien souverain, libre et viable. En réalité, non seulement il n'y a pas de réelle volonté de rendre des terres mais encore on assiste ŕ une urbanisation croissante autour de Jérusalem et ŕ l'extension des colonies. Nous en appelons donc ŕ une intervention internationale ferme et décisive, qui mette une pression telle sur Israël que ląEtat soit obligé de se plier aux lois internationales, de respecter les droits de l'Homme et les résolutions pertinentes de l'ONU. Cette pression devrait aboutir au démantčlement des colonies israéliennes dans les territoires occupés par Israël pendant la guerre de 1967 et la création d'un Etat palestinien en ces męmes lieux. Nous ne considérons pas cette intervention comme anti-israélienne ni antisémite, au contraire. Cela nous semble le seul moyen de mettre un terme ŕ un sičcle d'un conflit amer et ŕ prčs de quarante ans d’une occupation brutale qui semble installée pour durer pour autant qu'on puisse le prévoir.

La Grande-Bretagne et la France ont été impliquées dans cette partie du monde depuis la fin du XIXe sičcle. Depuis 1945 vous avez soutenu des forces de paix et de coopération en Europe et partout dans le monde. Nous vous demandons d'user de votre influence pour faire de męme au Moyen-Orient ! Les racines de ce conflit remontent loin en arričre, au moins jusqu'au 16 mai 1916, quand les Accords Sykes-Picot entre la Grande-Bretagne et la France scellčrent le partage de leur influence respective sur les ruines de l'empire ottoman. Les blessures et les cicatrices de ce partage sont toujours visibles aujourd’hui, et leurs effets se font sentir dans ce conflit. Aussi, demandons nous que la France et la Grande-Bretagne prennent une position courageuse (ou hardie, c’est plus fort) et qui marquera l'histoire, nous écartant ainsi des stratégies de puissance vers une stratégie de réconciliation. Ce positionnement refléterait votre résolution que le XXIe sičcle soit le sičcle du droit international et des ses institutions, le sičcle de la justice et de la paix.

Shulamit Aloni,
Ancienne ministre israélienne de l'Education, et dirigeante du parti israélien Meretz

Dr. Hannan Ashrawi,
Secrétaire générale de MIFTAH, Initiative palestinienne pour la promotion d'un dialogue global et de la démocratie, et membre du Conseil législatif palestinien pour le district de Jérusalem.



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