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Ein bißchen meckern

Auf US-Druck deutsche Iran-Geschäfte zurückgefahren. Jetzt stoßen geplante Waffenexporte Washingtons an Saudi-Arabien auf Kritik aus CDU und SPD

Von Jürgen Elsässer *

Sturm im Wasserglas, Sommertheater – oder echte transatlantische Verstimmung? In den vergangenen Tagen häuften sich jedenfalls die Klagen aus der großen Koalition über die von der US-Regierung geplanten Waffenlieferungen an Staaten der Golfregion. Die insgesamt etwa 20 Milliarden Dollar teure Militärausrüstung soll vor allem an Saudi-Arabien verkauft werden. Schon jetzt sei der Nahe Osten »ein Pulverfaß«, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Ruprecht Polenz. »Wenn man in ein Pulverfaß weitere explosive Gegenstände hineingibt, erhöht man das Risiko und macht die Region nicht sicherer.« Anstatt einseitige Schritte zu unternehmen und damit den Iran zu Gegenreaktionen zu provozieren, hätte sich Washington lieber mit seinen Partnern abstimmen und einen Verhandlungsprozeß vergleichbar mit der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in den siebziger Jahren in Gang setzen sollen, erklärte Polenz am Montag.

CDU und SPD unisono

Unterstützung bekam der CDU-Politiker am Dienstag durch den SPD-Mann Karsten Voigt, Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. »Ich sehe keinen Sinn, warum man die Golfstaaten und Saudi-Arabien mit mehr Waffen ausrüsten sollte.« Der eigentlich als sehr US-freundlich geltende Sozialdemokrat warf der Bush-Administration vor, einerseits einer Demokratisierung der arabischen Welt das Wort zu reden, andererseits aber das dezidiert undemokratische Königshaus in Riad zu fördern. Auch SPD-Generalsekretär Hubertus Heil warf den USA vor, eine falsche Politik in dieser instabilen Region zu betreiben. Es sei »kurzsichtig und verantwortungslos«, einfach nur auf Waffenlieferungen zu setzen.

Pikanterweise trifft sich der deutsche Unmut nicht nur mit Kritiken der oppositionellen Demokraten in den USA, sondern auch mit Kommentaren aus dem Iran. Die Regierung in Teheran verurteilte die geplanten Lieferungen als Versuch, ein »Horrorszenario« in der Region zu schaffen.

Deutsche Industrie verärgert

Die Verärgerung in der Bundesrepublik ist verständlich, da die USA die Förderung ihrer Geschäftsbeziehungen in die Region mit einer Strangulierung deutscher Wirtschaftsinteressen verbinden. Jüngstes Beispiel dafür ist der erzwungene Stopp des Iran-Geschäftes der Deutschen Bank. Das Frankfurter Finanzinstitut gab am vergangenen Wochenende bekannt, daß es »aus geschäftspolitischen Gründen« die Zusammenarbeit mit persischen Kunden zum September gekündigt habe. Bereits im Januar hatte die Commerzbank ihren Dollarhandel mit dem sogenannten Schurkenstaat eingestellt. Die beiden Schweizer Großbanken USB und Crédit Suisse waren Anfang 2006 aus dem Iran-Geschäft gedrängt worden. Ende vergangenen Jahres mußte auch die österreichische BAWAG nach ihrer Übernahme durch einen US-amerikanischen Hedgefonds ihren iranischen Kunden die Konten sperren.

Noch verteidigt die Bundesregierung gegen den Druck aus Washington die Hermes-Bürgschaften für Exporte in den Iran. Mit Hilfe dieser Garantien ist Deutschland weiterhin der wichtigste Wirtschaftspartner des Landes – mit Exporten in Höhe von über vier Milliarden Euro im Jahr 2006. Allerdings hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen die Lieferung des Transrapid-Schnellzuges ausgesprochen.

In der deutschen Industrie ist man über die Pressionen aus Washington sehr verärgert. Argumentiert wird dort, daß die Lücke, die die Deutschen hinterließen, umgehend von Chinesen, Russen und Japanern sowie kleineren Ländern geschlossen würde. Aber auch größere europäische Konkurrenten könnten ihre Chance nutzen – wie das plötzliche Engagement Frankreichs in Libyen gerade eben wieder bewiesen habe. Möglicherweise sind die eingangs zitierten Kritiker an dem US-Saudi-Deal von diesen Wirtschaftskreisen motiviert worden.

Da die Handelsbeziehungen mit den USA aber für das deutsche Kapital weitaus wichtiger sind als der arabische und der persische Absatzmarkt zusammengenommen, geben die deutschen Großkonzerne dem Einfluß der USA immer wieder nach. Dazu paßt, daß Karsten Voigt trotz seiner aktuellen Kritik eine Verschlechterung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses ausdrücklich ausschloß.

* Aus: junge Welt, 1. August 2007

Russland will bei Waffenlieferungen an Nahen Osten mit USA konkurrieren - "Wedomosti"

Um Irans Einfluss im Nahen Osten zu begegnen, wollen die USA ihren dortigen Verbündeten große Mengen an Waffen in einem Gesamtwert von mehr als 60 Milliarden Dollar liefern.

Russland würden die US-Pläne helfen, seine Waffenlieferungen in dieser Region zu vergrößern, allerdings werde der Umfang mit dem amerikanischen nicht vergleichbar sein, schreibt die Tageszeitung "Wedomosti" am Dienstag (31. Juli).

Im Laufe von zehn Jahren werden die USA Waffen für insgesamt 30 Milliarden Dollar an Israel und für 13 Milliarden Dollar an Ägypten liefern. Außerdem will Washington Rüstungen im Wert von 20 Milliarden Dollar an Saudi-Arabien verkaufen.

Die größten Waffengeschäfte Russlands bleiben unter diesen Zahlen: Der Vertrag mit Algerien über die Lieferung von Flugzeugen, U-Booten, Panzern, Luftabwehrwaffen und anderer Kampftechnik wird auf 7,5 Milliarden Dollar geschätzt. Das 2001 gebilligte zehnjährige Kooperationsprogramm mit Indien hat einen Wert von zehn Milliarden Dollar.

Ähnliche miltitärtechnische Programme mit Nahostländern hat Russland nicht. Wie Konstantin Makijenko vom russischen Zentrum für Strategien- und Technologienanalyse feststellt, waren die Möglichkeiten für einen Waffenexport an Saudi-Arabien oder Ägypten angesichts der Abhängigkeit dieser Länder von der US-Hilfe ohnehin nicht gerade groß. Mit Israel konkurriert und kooperiert Russland zugleich auf den Märkten von dritten Ländern wie Indien.

Zu Jahresanfang hatte Sergej Tschemesow, Generaldirektor des staatlichen Rüstungsexporteurs Rosoboronexport, während des Besuchs von Präsident Wladimir Putin in Saudi-Arabien mitgeteilt, dass dort Verhandlungen über die Lieferung von T-90-Panzern und anderen gepanzerten Kampffahrzeugen im Wert von rund einer Milliarde Dollar verhandelt worden sei. An Ägypten wurden modernisierte Luftabwehrkomplexe S125 Petschora-2M und Tor M-1 geliefert. Größere Posten an Ägypten sind angesichts der US-Kontrolle über die Rüstungspolitik dieses Landes problematisch.

In der vergangenen Woche teilte die israelische Webseite Debka mit, dass Russland mit Iran über die Lieferung von 250 Jagdflugzeugen des Typs Su-30 MK verhandelt. Ein Sprecher des Su-Herstellers "Suchoi" bewertete diesen Bericht als eine "Provokation".

Wie Michail Barabanow, wissenschaftlicher Redakteur der Zeitschrift "Export Wooruschenij", feststellte, wäre eine solche Entscheidung für die ziemlich verschlissenen iranischen Luftwaffe optimal, unter den gegenwärtigen politischen Beziehungen würden aber weder Russland noch China ihre Kampftechnik in solchen Mengen an Iran liefern.

Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 31. Juli 2007;
Internet: http://de.rian.ru





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