Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

EU-Sympathisanten knapp vorn

"Proeuropäische" Koalition gewinnt Parlamentswahl in Moldau. Vorwurf der Wahlfälschung

Von Reinhard Lauterbach *

Aus den Wahlen in der Republik Moldau ist die regierende »proeuropäische« Koalition als knapper Sieger hervorgegangen. Nach Auszählung von rund 90 Prozent der Stimmzettel gewannen liberale, liberal-demokratische und demokratische Parteien zusammen rund 44 Prozent der Stimmen. Das reicht ihnen, um im Parlament eine knappe Mehrheit zu bilden. Die »prorussischen« Parteien kamen demnach auf zusammen etwa 40 Prozent. Stärkste politische Kraft wurden die Sozialisten mit etwa 22 Prozent der Stimmen. Auf die Kommunistische Partei entfielen rund 18 Prozent und damit deutlich weniger als erwartet.

Anfangs hatte es so ausgesehen, als lägen die linken Oppositionsparteien vorn. Erst in der Nacht zum Montag drehte sich das Wahlergebnis zugunsten der bisherigen Regierungsparteien. Der Chef der Kommunisten Alexander Woronin erhob im Zusammenhang damit Wahlfälschungsvorwürfe: Es seien verbotenerweise Wähler organisiert in Wahllokale transportiert worden.

Die größte Unregelmäßigkeit fand jedoch offenbar im Ausland statt. Für die etwa 700.000 Moldauer, die in Russland arbeiten, war die Stimmabgabe extrem erschwert. Die Botschaft in Moskau hatte im ganzen Land nur fünf Wahllokale eingerichtet, und jedes dieser Lokale hatte nur 3.000 Stimmzettel erhalten. Vor der moldauischen Botschaft in Moskau bildeten sich lange Schlangen. Die schleppende Arbeit der Konsularbeamten führte dazu, dass nicht alle Wahlwilligen auch ihre Stimme abgeben konnten. Die in Russland arbeitenden Moldauer gelten den Machthabern in Chisinau (russisch: Kischinjow) als prorussische Lobby.

Eine neue, als russisches Konstrukt verdächtigte Partei hatte das Oberste Gericht Moldaus drei Tage vor der Wahl von der Teilnahme ausgeschlossen. Der »Vaterland«-Partei des Geschäftsmanns Renato Usatii wurde illegale Finanzierung aus dem Ausland vorgeworfen. Die Behörden beschlagnahmten am Donnerstag eine halbe Million US-Dollar aus der Parteikasse zugunsten des Staates. Ihr waren in Umfragen bis zu 15 Prozent der Stimmen vorausgesagt worden. Die EU-Mission in Chisinau hatte den Ausschluss der Partei von der Wahl mit den Worten kommentiert, man hoffe, dass dies die Lage im Land nicht verschärfen werde - mit anderen Worten, dass die Regierung damit durchkomme, ohne größere Proteste loszutreten.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 2. Dezember 2014


Zurück zur Moldawien-Seite (Moldau)

Zur Moldawien-Seite (Moldau)(Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage