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Der verhinderte Staatspräsident

Auf der Suche nach einem Ausweg aus der politischen Dauerkrise in Moldova

Von Detlef D. Pries *

Der 43-jährige Marian Lupu ist ein Mann von beeindruckender Statur, ein Hüne geradezu. Ginge es nach seinem Willen und dem seiner politischen Alliierten, wäre er längst Präsident der Republik Moldova. Das aber haben seine früheren Genossen verhindert.

Von 2005 bis 2009 war Marian Lupu Mitglied der Partei der Kommunisten der Republik Moldova (PCRM). Schon vorher hatte der ehemalige Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds und der Welthandelsorganisation in der PCRM-Regierung als Wirtschaftsminister gedient. 2005 wählten ihn die Genossen zum Präsidenten des moldauischen Parlaments. Bei seinem Eintritt in die Partei habe er jedoch Bedingungen gestellt, erläuterte Lupu am Montagabend bei einem Forum in der Europäischen Akademie Berlin: Die Partei müsse sich in eine »moderne europäische Kraft« sozialdemokratischer Orientierung verwandeln und in absehbarer Zeit ihren Namen ändern.

Die Kommunisten taten ihm den Gefallen nicht, Lupu trat im Juni 2009 wieder aus der PCRM aus. Es gibt Stimmen, die behaupten, er sei nur darüber verärgert gewesen, dass er von der Partei nicht zum Nachfolger Wladimir Woronins nominiert wurde, dessen Amtszeit als Staatspräsident nach acht Jahren auslief.

Sei es wie es sei, die PCRM hatte bei den Parlamentswahlen im April 2009 zwar 60 von 101 Mandaten gewonnen, die Opposition verweigerte sich jedoch geschlossen der Wahl der PCRM-Kandidatin Sinaida Greceanii zur neuen Präsidentin, wozu 61 Stimmen erforderlich gewesen wären. Das Parlament musste laut Verfassung nach zwei erfolglosen Wahlgängen wieder aufgelöst werden, die Bevölkerung wurde im Juli erneut an die Urnen gerufen.

Inzwischen war Lupu nicht nur Mitglied, sondern prompt auch Vorsitzender der Demokratischen Partei Moldovas geworden, die bei den April-Wahlen ganze 2,9 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Mit Lupu als Chef steigerte sie sich auf 12,6 Prozent und zog mit 13 Abgeordneten ins Chisinauer Parlament ein. Da die PCRM nur 48 Mandate erhielt, während die drei Parteien der vormaligen Opposition ihr Ergebnis hielten und auf 40 Mandate kamen, sah sich Lupu mit seiner DP als Zünglein an der Waage. Er entschied sich gegen die PCRM, für eine Vierparteienkoalition, die sich »Allianz für Europäische Integration« (AEI) nennt.

Die Posten waren schnell verteilt: Der Liberaldemokrat Vlad Filat wurde Regierungschef, der Liberalenchef Mihai Ghimpu ergatterte das Amt des Parlamentspräsidenten, dessen Vize wurde Serafim Urechean, Führer der Allianz Unser Moldova. Und Marian Lupu sollte Staatspräsident werden. Nur verfügt auch die Koalition nicht über die erforderlichen 61 Stimmen im Parlament, und diesmal boykottierte die PCRM die Präsidentenwahl zweimal. Verfassungsgemäß müsste das Parlament erneut aufgelöst werden. Doch würden Neuwahlen an der Stimmenverteilung wenig ändern, denn auch Lupu gibt zu, dass die Kommunisten nach wie vor stark sind.

Seit Jahresbeginn zerbricht man sich in der Koalition die Köpfe darüber, wie man ohne Neuwahlen aus der Sackgasse kommt. Am 9. März beschloss das Quartett, den Weg der Volksabstimmung über eine Verfassungsänderung zu erkunden. Ob nur der Modus der Präsidentenwahl oder die ganze Verfassung geändert werden soll, bleibt indes unklar. Und Lupu selbst ist skeptisch: Die Mehrheit der Bevölkerung würde ihr Staatsoberhaupt gerne direkt wählen. Der Präsident bekäme dadurch aber so viel Macht, dass Moldova zur Autokratie zu werden drohte. Und das sei schlimmer als die gegenwärtige politische Krise.

Kein Wunder, dass die Lösung des Streits mit der Dnjestr-Republik im vergangenen Jahr um keinen Schritt vorangekommen ist, wie Lupu zugibt. Und die Bevölkerung bleibt ihren wirtschaftlichen und sozialen Nöten überlassen.

* Aus: Neues Deutschland, 17. März 2010


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