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Entspannung am Dnjestr

Rußland bemüht sich um Lösung des "eingefrorenen Konflikts" in Moldawien

Von Tomasz Konicz *

Die im Gefolge des Krieges im Kaukasus verstärkt zu Tage getretenen Spannungen in Moldawien scheinen nun abzuklingen. Auch in diesem zwischen der Ukraine und Rumänien gelegenen Land befindet sich eine seit 1992 de facto unabhängige, international nicht anerkannte, abtrünnige Region. Das am östlichen Ufer des Flusses Dnjestr gelegene Transnistrien beheimatet ca. 500000 vornehmlich russische und ukrainische Einwohner, die ihre faktische Unabhängigkeit dank russischer Unterstützung behaupten konnten.

Die eskalierenden Kämpfe um Südossetien ließen die mühsam in Gang gesetzten Friedensgespräche zwischen den Separatisten und der moldawischen Zentralregierung in Chisinau zusammenbrechen. Der Anführer Transnistriens, Igor Smirnow, brach die Verhandlungen ab, nachdem sich Moldawien weigerte, die Offensive Georgiens zu verurteilen. Die Separatisten beschuldigten die moldawische Führung überdies, ein ähnliches militärisches Vorgehen zu planen, wie es der georgische Präsident Saakaschwili in Südosseitein anordnete.

Doch seit dem vergangenen Mittwoch reden beide Seiten wieder miteinander. Einen entscheidenden Anteil an dieser erneuten Annäherung beider Seiten hat der Kreml, der sich laut Beobachtern bemüht, diesen »eingefrorenen Konflikt« mit friedlichen Mitteln zu lösen. Sergej Prichodko, der außenpolitische Berater vom Präsident Dimitri Medwedew, erklärte kürzlich die politische Strategie Rußlands bezüglich dieses Konfliktherdes: »Unsere Position besteht darin, die Anstrengungen des (moldawischen) Präsidenten Wladimir Woronin in dem Friedensprozeß in Transnistrien zu unterstützen.« Man werde auch eine »ernste Diskussion« mit dem Anführer der Separatisten, Smirnow, führen, ergänzte Prichodko gegenüber Journalisten.

Ein erstes Sondierungstreffen zwischen dem moldawischen Staatsoberhaupt und seinem russischen Amtskollegen fand bereits am 25. August in Sotschi statt. Nach Abschluß dieser Unterredung erklärte Medwedew, daß Rußland bereit sei, »alle Anstrengungen zur endgültigen Überwindung der Transnistrien-Krise zu unternehmen.« Beide Seiten einigten sich darauf, baldigst Verhandlungen unter Beteiligung aller Parteien, also auch Transnistriens, aufzunehmen. Am vergangenen Mittwoch kamen schließlich Medwedew und Smirnow zu einer Unterredung zusammen, nach deren Abschluß der Anführer der Separatisten die besagte Wiederaufnahme von Gesprächen mit Moldawien verkündete. Im Dezember soll überdies in Wien eine internationale Konferenz stattfinden, die unter Beteiligung Rußlands, der Ukraine, der OSZE sowie der EU und der USA nach Lösungswegen in diesem Konflikt suchen soll.

Inzwischen lancierte der russische Außenminister Lawrow erneut den sogenannten »Kosak-Plan« als einen Ausgangspunkt für künftige Verhandlungen. Der nach einem Berater Wladimir Putins benannte Friedensplan sieht eine substantielle Autonomie mitsamt Sezessionsrecht für Transnistrien vor, sollte sich das rumänischsprachige Moldawien für einen Anschluß an Rumänien entscheiden. Diese Vereinbarung würde durch russische Truppen überwacht, die 20 Jahre lang in der Region stationiert blieben. Der 2003 diskutierte Friedensplan wurde damals von Woronin in letzter Minute verworfen, nachdem der Westen ihn dazu nachdrücklich ermuntert hatte.

Doch inzwischen vollführt Molda­wien eine geopolitische Neuausrichtung, die wohl den eigentlichen Grund für die guten Chancen auf eine friedliche Lösung des Transnistrien-Konflikts darstellt. Woronin geht zunehmend auf Distanz zum Westen und orientiert sich eher an Moskau. So boykottierten Moldawiens Spitzenpolitiker das letzte Treffen des prowestlichen Sicherheitsbündnisses postsowjetischer Staaten, der GUAM-Gruppe, Anfang Juli im georgischen Batumi.

* Aus: junge Welt, 9. September 2008


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