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500 Milliarden Liter Schulden

Mexiko liefert nicht die vertraglich vereinbarte Wassermenge an die USA

Von Andreas Knobloch *

Eine Trockenzeit gefährdet die Ernten besonders im Süden der USA. Eigentlich müsste Mexiko aushelfen, beruft sich jedoch auf eigene Wasserknappheit.

Die USA und ihr südlicher Nachbar streiten ums Wasser. Nach einem Bericht der »Washington Post« schuldet Mexiko den USA knapp 500 Milliarden Liter Wasser. Die Verpflichtung ergibt sich aus dem im Jahr 1944 geschlossenen bilateralen Abkommen über die Wassernutzung in der Grenzregion. Damit sollten die Auseinandersetzungen um Wasser beendet werden. Das Vertragswerk hat sich bewährt; seit einiger Zeit aber wird der Südwesten der USA von einer historischen Dürre heimgesucht – und stellt beide Seiten auf eine harte Probe.

Die anhaltende Trockenperiode gilt als eine der schwersten der letzten fünf Jahrhunderte. Ein gutes Dutzend Bundesstaaten der USA ist betroffen. In Kalifornien ist der Grundwasserspiegel dramatisch gesunken; viele Brunnen sind ausgetrocknet. Der Bundesstaat Texas hatte bereits Anfang 2013 Alarm geschlagen und den südlichen Nachbarn um Wasser gebeten. Seitdem hat sich die Situation weiter verschärft. Soweit, dass in der texanischen Stadt Wichita Falls der Wassermangel die Behörden veranlasste, Wasser aus Toiletten und Duschen behandeln zu lassen, um es für die Trinkwasserversorgung zu verwenden.

Die extreme Dürre im Südwesten der USA hat auch den Disput ums Wasser erneut angeheizt. Dem Abkommen zufolge sind die USA verpflichtet, an Mexiko Wasser aus dem Rio Colorado abzutreten, während Mexiko den USA Wasser aus dem Rio Grande bereitstellt. In den vergangenen Jahren aber ist Mexiko hinter seine Verpflichtungen zurückgefallen und schuldet den USA 468,7 Millionen Kubikmeter Wasser. Das entspreche etwa dem Jahresverbrauch von 1,5 Millionen Texanern, rechnet die »Washington Post« vor.

Mexiko bestreitet seine Verpflichtungen nicht, verweist aber auf die eigene Wasserknappheit. »Wir haben eine anhaltende Dürre seit 1994 bis heute. Das macht es für Mexiko schwierig, Wasser abzugeben. Es fällt weniger Regen als in der Vergangenheit«, sagt Ignacio Peña Treviño, Mexikos Vertreter in der binationalen International Boundary and Water Commission (IBWC).

Einzig Schäden am Damm, eine Naturkatastrophe oder eine eigene »außergewöhnliche Dürre« gestatten laut Abkommen Mexiko eine Verzögerung seiner Verpflichtungen. In den vergangenen Jahren ist eine solche Situation zweimal eingetreten: Zwischen 2002 und 2007, als einfach keine Niederschläge fielen, sowie durch das schwere Erdbeben im Norden Mexikos im Jahr 2010.

Die US-Behörden bezweifeln jedoch, dass die heutige Situation in Mexiko mit der vor zwei Jahren vergleichbar ist. »Es hat keine Art von signifikanter Dürre seit März 2012 gegeben. Diese Ausrede ist nicht stichhaltig« so Carlos Rubinstein, der Vorsitzende des Texas Water Development Board (TWDB).

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die US-Amerikaner über die Vertragstreue des südlichen Nachbarn beschweren. Zwischen 1992 und 2002 belief sich die »Wasserschuld« Mexikos auf 1850 Millionen Kubikmeter Wasser, also fast das Vierfache der jetzigen Streitmenge. Erst im Jahr 2005 beglich Mexiko seine Verpflichtungen. Die Verzögerung verursachte damals Verluste in Millionenhöhe für die texanischen Landwirte, zumal sie mit dem Beginn der schweren Dürre im Jahr 2002 zusammenfiel.

Auch jetzt sind die Ernten in Texas ernsthaft bedroht. Texanische Politiker forderten US-Präsident Barack Obama auf, Druck auf Mexiko auszuüben. Aber Mexiko hat selbst mit Problemen zu kämpfen. Zu den ex- tremen klimatischen Bedingungen kommt, dass gerade in der mexikanischen Grenzregion mit ihren Billiglohnfabriken, die vor allem für den US-Markt produzieren, die Bevölkerung in den vergangenen Jahren rasant angewachsen ist – und damit auch die Nachfrage nach Wasser steigt.

* Aus: neues deutschland, Dienstag 16. September 2014


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