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Paris ernennt "Hauptfeind"

Frankreich: Außenminister denkt laut über Militäreinsatz in Mali nach

Von Benjamin Beutler *

In Paris wird weiter laut über einen Militärschlag in Mali nachgedacht. Am Donnerstag sprach Außenminister Laurent Fabius offen davon, daß der Einsatz von Gewalt gegen islamistische Rebellen im Norden des westafrikanischen Binnenstaates »von einem Moment auf den nächsten« beginnen könnte. Im selben Atemzug erklärte der einstige Premier (1984–1986) und Exfinanzminister (2000–2002) die bewaffneten Aufständischen der »Al-Qaida im Islamischen Maghreb« (AQIM) und mit ihr verbündete Gruppen wie »Ansar Dine« zum »Hauptfeind« Frankreichs. Die Lage in der französischen Exkolonie nannte der Außenminister eine »sehr schlimme Angelegenheit, weil sich die Terroristen zum ersten Mal in den wichtigen Städten festgesetzt haben«. Das Eingreifen der internationalen Gemeinschaft sei nötig, bevor die Rebellen »in der Lage sind, sich auf den ganzen Staat auszuweiten«. Am vergangenen Mittwoch hatten AQIM-Verbände, die für die Gründung eines islamischen Staates kämpfen, konkurrierende Tuareg-Rebellen der zuletzt von Frankreich bevorzugten »Nationalen Bewegung für die Befreiung des Azawad« (MNLA) aus ihrer letzten Bastion in der Stadt Ansogo nahe der Grenze zu Niger vertrieben. Ein Bündnis der MNLA, die für einen unabhängigen Tuareg-Staat »Azawad« zu den Waffen gegriffen hat, und der AQIM war wegen ideologischer Differenzen zerbrochen.

Derweil plant Paris wie in alten Zeiten die Zukunft fremder Nationen. Zunächst gelte es, in Mali »die verfassungsmäßige Ordnung im Süden wiederherzustellen«, nahm Fabius Bezug auf den Putsch unzufriedener Militärs im März. Kurz vor den Wahlen im April hatten die Soldaten unter Führung Amadou Sanogos dem amtierenden Präsidenten Amadou Toumani Touré Unfähigkeit in der Bekämpfung des seit langem schwelenden Rebellenaufstandes in der Sahelzone vorgeworfen und ihn aus dem Palast gejagt. »Erst wenn die Rechtmäßigkeit im Süden wieder gefestigt ist, können wir uns für den Norden interessieren«, gab der französische Chefdiplomat die Marschroute vor. Als unverdächtige Truppenentsender hat Frankreich die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) und die Afrikanische Union (AU) im Blick. Für einen Militäreinsatz aber bedarf es des Mandats des UN-Sicherheitsrates, der die »Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit« gemäß Kapitel VII der UN-Charta feststellen muß. Anfang Juli noch hatte das Gremium eine gewünschte Mandatierung der beiden Organisationen zur Entsendung einer »ECOWAS-Stabilisierungstruppe für die Unterstützung des politischen Prozesses in Mali« abgelehnt. Alle politischen Akteure in Mali forderte der Sicherheitsrat jedoch vorsorglich auf, »jegliche Form der Vereinigung mit der AQIM« zu unterlassen. Bis zu seinem nächsten Zusammentreffen zum Mali-Konflikt Ende Juli forderte das mächtigste UN-Organ von ECOWAS »zusätzliche Informationen über Ziele, Absichten und Modalitäten der angestrebten Stationierung und anderer möglicher Maßnahmen«, so Resolution 2056.

In die Amtszeit von Fabius als Premier fällt die angeordnete Versenkung des Greenpeace-Schiffes »Rainbow Warrior« 1985 durch den Geheimdienst. Auch in einem Interview nahm der Hardliner jüngst kein Blatt vor den Mund. Zwar erklärte der Sozialist den »arroganten und unverschämten Diskurs« von Exstaatschef Nicolas Sarkozy über ein »französisches Afrika« für beendet. Auf die Frage des Nouvel Observateur, unter welchen Bedingungen »wir intervenieren könnten«, erklärte der 65jährige jedoch: »Die Intervention ist Sache der Staaten der Region. Wir können, wenn wir wollen, Unterstützung liefern«.

* Aus: junge Welt, Montag, 16. Juli 2012


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