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"Wer nicht kauft, wird nicht belogen"

Malaysia: Aufruf zu Zeitungsboykott vor den Wahlen widerspiegelt Unzufriedenheit mit Medienlandschaft

Von Anil Netto (IPS), Penang *

Unzufrieden mit der Berichterstattung der Massenmedien in Wahlkampfzeiten, hat eine Gruppe Malaysier im Vorfeld der Märzwahlen zu einem eher ungewöhnlichen Mittel gegriffen: Sie rief zum Boykott der großen Zeitungen auf. Mit der Aktion wollen die Aktivisten den großen Verlagshäusern, die sich im Besitz der herrschenden Elite befinden einen Denkzettel verpassen. Gelten ihre Printmedien ohnehin schon als regierungsfreundlich, verwandeln sie sich gerade während der Wahlkampagnen zu regelrechten Propagandamaschinen.

Zunächst sollte die Offensive, die auf Initiative der Arbeitsgruppe der Organisation People's Parliament zustande kam, die Leser für einen Boykott der Dienstagausgaben mobilisieren. Danach wollen die Aktivisten an die Inserenten der großen Zeitungen herantreten, um sie für ihr Anliegen zu erwärmen. Vorgesehen ist ferner die Einrichtung einer Online-Plattform, die als elektronischer Debattierclub fungieren soll, der Reformvorschläge aufgreift und Resolutionen formuliert.

Die Arbeitsgruppe, die eine Reihe kritischer Stimmen wie den Rechtsanwalt und Blogger Haris Ibrahim, die Online-Kommentatorin Helen Ang und den ehemaligen Lehrer und Internetaktivisten Bernard Khoo (»Zorro«) vereinigt, wirbt bereits im Netz für ihre Aktivitäten und verkauft gelbe T-Shirts mit dem Aufdruck »Boycott the Newspapers -- No Buy, No Lies« (Boykottiert die Zeitungen -- Wer sie nicht kauft, wird nicht belogen).

Nach Ansicht des Medienexperten Mustafa Kamal Anuar spiegelt die Initiative die große Unzufriedenheit vieler Malaysier mit der regierungsnahen Medienberichterstattung wider. Der Frust sei umso stärker im Zeitalter der neuen Informationstechnologien, die den Zugriff auf kritische Informationsquellen im Internet ermöglichen. Vor den letzten allgemeinen Wahlen im Jahre 2004 hatte der malaysische Kommunikationswissenschaftler Wong Kok Keong die Berichterstattung der drei einflußreichsten englischsprachigen Zeitungen seines Landes unter die Lupe genommen. Er fand heraus, daß sowohl das Bildmaterial als auch die Beiträge in den Rubriken Nachrichten, Meinung und Leserbriefe die Politik der Regierungsparteien in einem besseren Licht erscheinen lassen. Am stärksten ausgeprägt sei die Tendenz bei The Star, gefolgt von New Straits Time und der Sun.

In seinem Beitrag für die sozialliberale Monatsschrift Aliran Monthly kommt Wong zu dem Schluß, daß die Sun im Vergleich zu den anderen beiden Blättern »fairer und ausgewogener« berichtet. Dies könnte sich jedoch bald ändern. So ist bekannt geworden, daß der Medientycoon Vincent Tan seinen Aktienanteil bei Nexnews, dem Eigentümer der Sun, auf 88 Prozent erhöht hat.

* Aus: junge Welt, 6. Februar 2008


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