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Alte Freunde

Den Vereinigten Arabischen Emiraten wird eine zentrale Rolle beim aktuellen Putsch in Libyen zugeschrieben

Von Knut Mellenthin *

Libyen hatte seit Beginn der vom Westen unterstützten Rebellion gegen Muammar Al-Ghaddafi im Februar 2011 drei Premierminister. Zwei von ihnen haben sich hinter den Putsch des langjährigen CIA-Agenten Khalifa Haftar gestellt, der am vergangenen Freitag begann und dem sich seither viele Militärkommandeure angeschlossen haben.

Einer der beiden ehemaligen Regierungschefs ist Ali Zeidan, der das Amt am 14. Oktober 2012 übernommen hatte und es am 11. März dieses Jahres wieder abgeben mußte. Äußerer Anlaß dafür war, daß er es nicht geschafft hatte, die Herrschaft autonomistischer Milizen über mehrere für den Erdöl-Export wichtige Häfen in Ostlibyen zu brechen, weil Teile des Militärs ihm den Gehorsam verweigerten. Zeidan »flüchtete« nach dem Mißtrauensvotum aus Libyen und gibt seine Statements seither aus europäischen Hauptstädten ab. Seine Sorge, daß er daheim bedroht sein könnte, ist nicht grundlos: Im Oktober 2013 war Zeidan von einer lokalen Miliz für abgesetzt erklärt und verschleppt worden. Er wurde wenige Stunden später unversehrt wieder freigelassen.

Zeidan war für Ghaddafi in den 1970er Jahren als Diplomat tätig gewesen, hatte sich aber Anfang der 1980er Jahre gegen ihn gestellt und gehörte zu den Gründern der Nationalen Rettungsfront (NFSL) – jener von der CIA betreuten Organisation, der sich 1987 auch der heutige Putschistenchef Haftar anschloß. Nach dem Beginn des Aufstands gegen Ghaddafi schickten die Rebellen Zeidan als Sonderbotschafter in die europäischen Hauptstädte. Ihm wird das Hauptverdienst daran zugeschrieben, daß es den Ghaddafi-Gegnern gelang, die strategisch wichtige Unterstützung des damaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zu gewinnen.

Vermittler des Treffens, das am 10. März 2011 im Elysée stattfand, war der notorische Interventionspropagandist Bernard Henry-Lévy. Ebenfalls dabei war Mahmud Dschibril – der zweite der oben erwähnten libyschen Regierungschefs, die sich jetzt für Haf­tars Putsch ausgesprochen haben. Der Wirtschaftswissenschaftler und Politologe Dschibril, der seinen Doktortitel an der University of Pittsburgh in den USA erworben hatte, lebte jahrzehntelang im Ausland und war als Berater verschiedener arabischer Regierungen tätig, bevor er sich im Jahr 2007 von einem der Söhne Ghaddafis überzeugen ließ, in seine Heimat zurückzukehren und in führenden Positionen an einem Reformprogramm mitzuwirken.

Spätestens 2009 wurden jedoch Dschibrils Beziehungen zu den USA immer enger. Nach dem Beginn des Aufstands im Februar 2011 wechselte er offen die Seiten und wurde am 5. März desselben Jahres Premier der Rebellenregierung. Anfang Oktober kündigte er an, nur bis zur »Befreiung« Libyens im Amt bleiben zu wollen. Tatsächlich trat er nach der Eroberung der Stadt Sirte und der Ermordung Ghaddafis am 20. Oktober 2011 zurück.

Aufgrund eines Gesetzes, das im April 2013 vom Parlament verabschiedet wurde, darf Dschibril als früherer Angehöriger von Ghaddafis Regierungsapparat zehn Jahre lang kein Staatsamt übernehmen. Der 61jährige lebt heute in Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und führt von dort aus seine Partei Bündnis der Nationalen Kräfte, die die stärkste Parlamentsfraktion stellt.

Den Emiraten wird eine zentrale Rolle bei der Vorbereitung und Förderung von Haftars Putsch zugeschrieben. Die ägyptischen Muslimbrüder hatten schon im Oktober 2013 berichtet, daß der Geheimdienst der VAE unter direkter Oberaufsicht des Kronprinzen von Abu Dhabi, Muhammad Bin-Zajid, eine hochrangige Planungsgruppe für den Sturz der libyschen Regierung gebildet habe. Dieses Ziel sollte bis zum 7. Februar 2014 erreicht werden. Tatsächlich verbreitete Haftar am 14. Februar einen Videoappell, in dem er Parlament und Regierung für abgesetzt erklärte. Ihm ergebene schwerbewaffnete Milizen aus Zintan stellten dem Parlament ein fünfstündiges Ultimatum zur Machtübergabe, doch wurde der Putsch damals aus unbekannten Gründen abgeblasen.

* Aus: junge Welt, Freitag, 23. Mai 2014

Haftar will neue ­Führung für Libyen

Der abtrünnige libysche Generalmajor Khalifa Haftar will nicht nur islamistische Brigaden bekämpfen, sondern auch einen politischen Wechsel herbeiführen. Er forderte seine Unterstützer und das Verfassungsgericht auf, eine neue politische Führung zu bilden. Dieses Gremium solle »die Angelegenheiten des Landes regeln«, nachdem das gewählte Parlament gescheitert sei, sagte er nach Informationen lokaler Me­dien am Mittwoch abend in Al-Abjar östlich von Bengasi.

Der Prozeß gegen den Sohn des getöteten libyschen Machthabers Muammar Al-Ghaddafi, Seif Al-Islam, muß nach Ansicht des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag stattfinden. Der Gerichtshof lehnte am Mittwoch einen Berufungsantrag der libyschen Regierung ab, die den 41jährigen in seiner Heimat zur Rechenschaft ziehen wollte.

(jW, 23.05.2014)




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