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EU-Polizisten gescheitert

Aufbau des libyschen Grenzschutzes stockt. Linkspartei fordert Beendigung

Von Ulla Jelpke *

Die Polizeimission der Europäischen Union in Libyen kommt nur extrem schleppend voran, und Menschenrechte spielen keine große Rolle – das ist die Quintessenz der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion nach der bisherigen Bilanz der EU-Mission zur Unterstützung des libyschen Grenzschutzes (EUBAM Libyen).

Die Mission begann im Mai vorigen Jahres. Eigentlich sollte sie zur Entwicklung eines stabilen Staates beitragen. Das kann als gescheitert angesehen werden: Die Sicherheitslage hat sich seitdem verschlechtert – und zwar so sehr, daß in der EU sogar überlegt wird, Teile der Mission aus Sicherheitsgründen nach Malta zu evakuieren. Die Hälfte des jährlichen Gesamtbudgets von 30 Millionen Euro geht an eine private Sicherheitsfirma, die die Missionsangehörigen schützen soll.

Von den 110 Beamten, die mandatiert wurden, sind bis jetzt nur 45 vor Ort, darunter zwei Angehörige der Bundespolizei. Diese sollen sämtliche libyschen Behörden, die mit Grenzschutzaufgaben zu tun haben, zu »integriertem Grenzmanagement« befähigen. Gemeint ist damit, daß Flüchtlinge aus dem subsaharischen Afrika davon abgehalten werden sollen, Libyen als Transitland gen Europa zu durchqueren. Seit Programmbeginn sind aber nur 300 Libyer tatsächlich ausgebildet worden.

Das Ausbildungsprogramm umfaßt sowohl zivile Behörden wie etwa den Zoll als auch dem Militär unterstellte wie den Grenzschutz und die Küstenwache. Diese Verbände bestehen größtenteils aus ehemaligen Aufständischen, so die Bundesregierung. Die zivil-militärische Verquickung zeigt sich auch bei den Missionsangehörigen, von denen einige auch militärische Erfahrungen haben wie etwa die maltesische Küstenwache oder die italienischen Carabinieri. Diese bieten außerhalb der EU-Mission auch bilateral Ausbildung für Libyer an, genauso wie die USA, Großbritannien und die Türkei.

Der jesuitische Flüchtlingsdienst Maltas hat schon Anfang Januar einen Bericht über die Situation von Flüchtlingen in Libyen veröffentlicht. Fazit: Völlig rechtlos sind sie der Willkür von Behörden und Milizen ausgesetzt. Die Bundesregierung bestätigt, daß Flüchtlinge teilweise »auf unabsehbare Zeit unter teils sehr schlechten Bedingungen« festgehalten werden. Darüber hinaus befänden sich derzeit rund 8000 Internierte, »größtenteils ohne Gerichtsverfahren, in Haftanstalten, die teilweise von Milizen geführt werden«. Weiter führt die Bundesregierung aus: »Es wird von Folter und Mißhandlungen überwiegend in nichtstaatlichen Haftanstalten berichtet, teilweise mit Todesfolge.«

Daß sich die EU-Mission darum bemüht, diesen Mißständen entgegenzuwirken, ist nicht zu erkennen. Die Bundesregierung führt floskelhaft aus, Menschenrechte seien »ständiger Bestandteil von Beratung und Trainingsmaßnahmen«, ohne aber Details zu Umfang und Inhalt der Ausbildung anzugeben. Auf Nachfrage der Linksfraktion kam nun heraus, daß es noch nicht einmal Lehrpläne gibt, obwohl die, bezogen auf die Grenzschützer, die Küstenwache und den Zoll, eigentlich bereits im August vergangenen Jahres fertig sein sollten. So bleibt völlig offen, auf welcher Grundlage die EU-Polizisten überhaupt ausbilden.

Deutlich wird dagegen, was die Missionsangehörigen unterlassen: Sich konkret für Flüchtlinge einzusetzen, die zu Unrecht in Gefängnisse gesperrt werden. Sie haben sich bislang zu keinem Zeitpunkt bei den libyschen Behörden dafür eingesetzt, die Flüchtlinge gemäß völkerrechtlichen Bestimmungen freizulassen. Beratung »zur rechtlichen Stellung« von Migranten gehöre laut Bundesregierung nicht zum Missionsauftrag.

Für Flüchtlingsschutz hat die EU im Januar ein eigenes Programm von zehn Millionen Euro aufgelegt. Das soll der Verbesserung der Lebensbedingungen in den Auffanglagern für Migranten und Flüchtlinge dienen – die Lager selbst werden aber nicht in Frage gestellt.

Auch deswegen fordert die Linksfraktion die Beendigung der EUBAM-Mission. Es sei deutlich geworden, daß es einzig darum gehe, durch die Schulung zivil-militärischer Fähigkeiten die Grenzen dichtzumachen und nicht darum, Menschen- und Flüchtlingsrechte zu verteidigen.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 8. April 2014


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