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Unterdrückung nahtlos fortgesetzt

Flüchtlingsabwehr statt Menschenrechte: Außenminister Westerwelle zu Besuch in Libyen *

Bei einem Kurzbesuch in Tripolis hat Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) den neuen Machthabern in Libyen am Sonntag (8. Jan.) Unterstützung beim wirtschaftlichen Wiederaufbau zugesagt. »Wir wollen, daß Libyen einen guten Weg nimmt«, sagte Westerwelle nach einem Treffen mit dem Chef der libyschen Übergangsregierung, Abdurrahim Al-Kib. Thema der Gespräche war aber auch die Frage der Abschottung der EU gegen afrikanische Flüchtlinge, von denen viele weiterhin versuchen, über Libyen nach Europa zu gelangen. Westerwelle erklärte, er wolle über eine mögliche Unterstützung Libyens bei der Grenzsicherung mit seinen EU-Außenministerkollegen zu sprechen.

Amnesty International warnte unterdessen, daß auch ein Jahr nach dem Einsetzen der Umbrüche in Nordafrika und der arabischen Welt den Menschen in den betroffenen Ländern weiter Gewalt und Unterdrückung drohen. Das geht aus einem Bericht der Menschenrechtsorganisation hervor, der am heutigen Montag veröffentlicht werden soll. Die zuvor noch nie dagewesenen Rufe nach Reformen seien im vergangenen Jahr »mit teils extremer Gewalt« unterdrückt worden, heißt es in dem Bericht. Viele Staaten in der Region versuchten weiterhin, sich mit halbherzigen Angeboten um echte Reformen zu drücken oder mit teils brutaler Gewalt gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen, kritisierte die Amnesty-Expertin für den Mittleren Osten und Nordafrika, Ruth Jüttner. Mit Blick auf die Reise von Westerwelle in die Region forderte sie, die deutsche Politik dürfe »nicht wie in der Vergangenheit Regierungen unterstützen, die den Machterhalt über die Menschenrechte stellen«. In Libyen etwa erscheine der Nationale Übergangsrat kaum dazu in der Lage, die bewaffneten Rebellen zu kontrollieren »und zu verhindern, daß Menschenrechtsverletzungen des alten Regimes nahtlos fortgesetzt werden«.

(AFP/jW)

* Aus: junge Welt, 9. Januar 2012


Offiziell eine Erfolgsgeschichte. Das sagt das Auswärtige Amt:

Libyen vor großen Herausforderungen **

Auf der zweiten Station seiner Nordafrikareise hat sich Außenminister Westerwelle in der libyschen Hauptstadt Tripolis ein Bild von der Lage nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes gemacht und die deutsche Unterstützung für das neue Libyen bekräftigt.

Dazu führt der deutsche Außenminister politische Gespräche mit der libyschen Übergangsregierung unter Ministerpräsident Abdurrahim El-Kib und Vertretern der Zivilgesellschaft. Libyen hat unter großen Opfern das Gaddafi-Regime überwunden und sich auf den Weg in eine bessere Zukunft gemacht. Das Land steht nach Jahrzehnten der Diktatur vor gewaltigen Herausforderungen – von der Sicherung libyscher Waffenbestände über die Eingliederung der Milizen in eine reguläre Armee bis hin zum Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen. Die größte Herausforderung ist es, nach dem Ende der Diktatur nun einen erfolgreichen demokratischen Aufbruch hin zu einer pluralistischen Gesellschaft zu schaffen.

In Tripolis versicherte der deutsche Außenminister erneut:

"Deutschland steht dem neuen Libyen als Freund und Partner zur Seite, damit der Wiederaufbau des Landes und der gesellschaftliche und politische Aufbruch in Richtung Demokratie gelingt."

Deutschland unterstützt demokratischen Wandel

Die Bundesregierung leistet für den Wiederaufbau und den demokratischen Wandel in Libyen umfangreiche Unterstützung: Noch während der Kämpfe in Libyen hat das Auswärtige Amt unter anderem Mittel in Höhe von 8 Millionen Euro für humanitäre Soforthilfe zur Verfügung gestellt. Die Bundesregierung hat dem Nationalen Übergangsrat zudem einen Kredit von 100 Millionen Euro gewährt. Das Geld wurde vor allem für die medizinische Behandlung von Verwundeten eingesetzt und mittlerweile von der Übergangsregierung nach der Streichung der libyschen Zentralbank von den Sanktionslisten getilgt.

... und hilft Kriegsverletzten

Mit einigen der in deutschen Krankenhäusern behandelten und mittlerweile in ihre Heimat zurückgekehrten libyschen Kriegsverletzten ist der deutsche Außenminister in Tripolis zusammengetroffen. Seit dem Ende der Kämpfe wurden auf Initiative des Auswärtigen Amts über 1000 libysche Kriegsverletzte in Deutschland medizinisch versorgt. Eine Reihe von ihnen befinden sich noch immer in deutschen Krankenhäusern.

Der libysche Außenminister Aschur Bin Chajjal bedankte sich für die politische Unterstützung Deutschlands und die geleistete humanitäre Hilfe - gerade auch mit Blick auf die Kriegsverwundeten. Minister Westerwelle besprach sich in diesem Zusammenhang auch mit dem libyschen Beauftragten für Kriegsverwundete, Ashraf Bin Ismail.

... sowie bei der Beseitigung von Waffenbeständen

Die Bundesregierung hilft der Übergangsregierung zudem bei der Zerstörung von Kleinwaffen und der Sicherung chemischer Waffenbestände. So hat sie eine Inspektion der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OVWC) im November 2011 in Libyen finanziell unterstützt.

Zusammenarbeit in Wirtschaft und Kultur

Deutschland steht bereit, auch den wirtschaftlichen Wiederaufbau zu flankieren. Aus diesem Grund wurde Außenminister Westerwelle von einer Unternehmerdelegation aus den Bereichen "Erneuerbare Energien" und "Medizintechnik" begleitet. Westerwelle hob hervor, Deutschland wolle seinen "Beitrag dazu leisten dass Libyen eine positive wirtschaftliche Entwicklung nehmen kann". Denn gerade die junge Generation in Libyen braucht Chancen. Die deutsche Wirtschaft finde "offene Türen" in Libyen vor.

Guido Westerwelle sprach mit seinem libyschen Außenministerkollegen auch über die mögliche Eröffnung eines Goethe-Instituts in Libyen und über die Intensivierung der akademischen Zusammenarbeit beider Länder. Dabei geht es zum Beispiel um die Förderung der deutschen Sprache an den libyschen Universitäten.

Weitere Reisestationen

Zuvor hatte Minister Westerwelle am 7. Januar Algerien besucht und die dortige Regierung zu weiteren Reformen ermutigt. Auch hier standen neben den politischen Beziehungen die wirtschaftlichen Perspektiven des Landes und mögliche Projekte in Zusammenarbeit mit Deutschland auf der Agenda. Die letzte Station seiner Nordafrikareise führt den deutschen Außenminister nach Tunesien. Dort hatte der Umbruch in der arabischen Welt vor knapp einem Jahr seinen Ausgang genommen.

** Quelle: Website des Auswärtigen Amts; http://www.auswaertiges-amt.de




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