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Schützenhilfe für Obama

Zwei Senatoren wollen Legalisierung des Libyen-Krieges durchsetzen

Von Knut Mellenthin *

Im Streit um die Legalität der US-amerikanischen Beteiligung am Krieg gegen Libyen bekommt Barack Obama Hilfe von zwei einflußreichen Senatoren. Der Republikaner John McCain und der Demokrat John Kerry brachten am Dienstag eine Resolution in den Senat ein, die den Präsidenten zur Fortsetzung des Krieges ermächtigen soll. Viele Abgeordnete und Senatoren beider Parteien sind verärgert, weil Obama sich weigert, die Zustimmung des Kongresses einzuholen. Sie berufen sich dabei auf die Verfassung der Vereinigten Staaten und auf den War Powers Act von 1973, der aufgrund der Erfahrungen des Vietnamkrieges verabschiedet wurde. Dagegen stellt sich das Weiße Haus auf den Standpunkt, daß es sich beim US-amerikanischen Beitrag zum Libyen-Krieg nicht um »Feindseligkeiten« im Sinne des Gesetzes von 1973 handele.

Senator Kerry, Präsidentschaftskandidat der Demokraten im Jahre 2004 gegen George W. Bush, teilt Obamas Standpunkt ausdrücklich. McCain, der Obamas Gegner bei der Wahl 2008 war, geht sogar noch einen Schritt weiter. Schon im Mai verkündete er: »Kein Präsident hat jemals die Verfassungsmäßigkeit des War Power Acts anerkannt. Auch ich tue das nicht.« Beide Senatoren argumentieren mit der gewohnheitsmäßigen Mißachtung des Gesetzes und verweisen auf die vom Kongreß nicht autorisierten Militäroperationen gegen Grenada (1983), Panama (1989), Somalia (1992–1994), Haiti (1994) und Jugoslawien (1999).

Die Initiative der beiden Senatoren würde es Obama erlauben, auf seinem bisherigen Standpunkt zu beharren, daß er die Zustimmung des Kongresses nicht benötigt. Gleichzeitig scheint sie aber grundsätzlich geeignet, die Unzufriedenheit vor allem im Abgeordnetenhaus zu kanalisieren oder zumindest aufzuspalten und entscheidend zu schwächen. Allerdings gibt es dort bisher noch keine entsprechende Beschlußvorlage.

Die von Kerry und McCain beantragte Resolution ermächtigt den Präsidenten, die Teilnahme am Krieg gegen Libyen noch ein ganzes Jahr lang fortzusetzen – gerechnet vom Tag der Beschlußfassung an. Der Einsatz von Bodentruppen wird weitgehend ausgeschlossen. Allerdings sind Ausnahmen zulässig, beispielsweise zur Rettung von Angehörigen anderer NATO-Streitkräfte »aus unmittelbarer Gefahr«. Als Ziel der USA schreibt der Entschließungsentwurf ausdrücklich den Sturz Ghaddafis fest. Er verpflichtet darüber hinaus die US-Regierung, die beschlagnahmten libyschen Milliarden-Vermögen den Rebellen zugute kommen zu lassen. Außerdem soll die Möglichkeit geprüft werden, aus diesen Mitteln auch einen Teil der Kriegskosten der NATO zu decken.

Die Beteiligung am Krieg in Nord­afrika ist in der Bevölkerung der USA nicht populär. Einer jüngsten Umfrage des Senders CBS zufolge lehnen rund 60 Prozent die militärische Verwicklung in den libyschen Bürgerkrieg ab. Nur jeder Dritte hält sie für richtig. Teile der Republikaner passen sich der vorherrschenden Stimmung an. So erklärte die Sprecherin der rechten Tea-Party-Bewegung, Michele Bachmann: »Wir wurden nicht angegriffen. Wir waren nicht von einem Angriff bedroht. Es gibt dort kein lebenswichtiges nationales Interesse.«

* Aus: junge Welt, 23. Juni 2011


Italien will Waffenruhe

NATO bombardiert Verkehrswege in Libyen. Immer mehr zivile Opfer **

Italiens Außenminister Franco Frattini hat am Mittwoch zu einer »sofortigen Einstellung« der Kampfhandlungen in Libyen aufgerufen. Während eines Waffenstillstands könnten zunächst humanitäre Korridore geschaffen werden, so im Umkreis der von den Rebellen gehaltenen westlibyschen Stadt Misurata und in der Gegend um die Hauptstadt Tripolis, erklärte Frattini vor einer Parlamentskommission. Bei den Militäraktionen der NATO sei es zu »dramatischen Fehlern« gekommen, räumte der italienische Spitzenpolitiker ein.

Demgegenüber hat die chinesische Regierung ihre Beziehungen zu den libyschen Rebellen vertieft. Der Nationale Übergangsrat der Aufständischen repräsentiere mehr und mehr Libyer und werde zu einer wichtigen politischen Kraft, erklärte Außenminister Yang Jiechi am Mittwoch in Peking. Yang wiederholte aber auch, beide Konfliktparteien müßten die Kämpfe beenden und über eine politische Lösung verhandeln.

Unterdessen hat die NATO ihre Bombenangriffe auf den Westen Libyens auch am Mittwoch fortgesetzt. Am Dienstag abend sei ein ziviler Verkehrskontrollpunkt in Khoms, rund 120 Kilometer östlich von Tripolis, attackiert worden, berichtete das staatliche Fernsehen. Die Angriffe seien am Mittwoch fortgesetzt worden und hätten offenbar vermehrt die Straßen und Verkehrswege zum Ziel, die nach Tripolis führen, berichtete die libysche Nachrichtenagentur JANA. Dabei werden offenbar immer mehr Zivilisten Opfer der Luftangriffe. So seien in der Nacht zum Mittwoch mehrere Dutzend Menschen bei Attacken auf die Stadt Zliten, östlich von Tripolis, getötet worden. Das berichtete der Korrespondent des lateinamerikanischen Fernsehsenders TeleSur in Tripolis, Rolando Segura.

Widerspruch gegen die offizielle Darstellung der NATO kommt auch erneut vom Vertreter des Vatikan in Libyen, Bischof Giovanni Innocent Martinelli. Er sei mehrfach an dem am Montag von der NATO angegriffenen Haus in Surman vorbeigekommen, und es habe auf ihn nie den Eindruck einer militärischen Einrichtung gemacht, wird der Apostolische Vikar von der vatikanischen Nachrichtenagentur FIDES zitiert. Bei dem Angriff 70 Kilometer westlich von Tripolis waren libyschen Angaben zufolge 19 Menschen getötet worden. Die NATO hatte erklärt, sie habe »ein Kommando- und Kontrollzentrum« angegriffen. (PL/dapd/jW)

** Aus: junge Welt, 23. Juni 2011


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