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Zivilisten zwischen den Fronten

Libyen: Im umkämpften Sirte medizinische Versorgung zusammengebrochen *

In der seit Wochen umkämpften libyschen Hafenstadt Sirte herrschen nach den wochenlangen Gefechten zwischen den Kämpfern des »Nationalen Übergangsrates« (NTC) und den Truppen des langjährigen Staatschefs Muammar Al-Ghaddafi katastrophale Zustände, die durch die täglichen Bombenangriffe der NATO weiter verschärft werden. Das berichtet der Sonderkorrespondent des lateinamerikanischen Fernsehsenders TeleSur vor Ort, Diego Marín. So könnten im örtlichen Krankenhaus Patienten kaum mehr behandelt werden, da es an den grundlegenden Bedingungen dafür fehle. Nur ein einziger Arzt halte dort noch die Stellung und müsse sich um 150 Kranke und Verletzte kümmern, so Marín weiter. Zudem seien die oberen Stockwerke des Krankenhauses wegen der anhaltenden Bombardierungen durch die NATO schon vor Wochen geräumt worden, in den verbliebenen Räumen herrsche qualvolle Enge, viele Kranke lägen auf den Fluren und warteten darauf, daß sich jemand um sie kümmere.

Auch außerhalb des Hospitals seien die Zivilisten zwischen den Fronten gefangen, berichtete Marín weiter. Die Anhänger Ghaddafis leisteten den Angreifern nach wie vor erbitterten Widerstand. Die Lage verschärfe sich zudem durch die am Montag begonnene Offensive der NTC-Kämpfer. Diese haben offenbar das Universitätsgelände, das große Ouagadougou-Konferenzzentrum sowie das Gebiet um das Krankenhaus eingenommen. Einem im Internet als »jüngste Erklärung der libyschen Regierung« kursierenden Text zufolge, soll es sich dabei jedoch um »taktische Rückzuge« der Ghaddafi-Truppen gehandelt haben, um die Angreifer in eine Falle zu locken. Ähnliche Erklärungen hatten Regierungssprecher jedoch auch abgegeben, als die ersten Rebellen in die Hauptstadt Tripolis eingedrungen waren.

Unterdessen melden Ghaddafi nahestehende Medien Erfolge der Verteidiger in anderen umkämpften Städten. So habe man den Küstenort Beni Jawad zurückerobert und die NTC-Truppen aus der Stadt vertrieben. In Beni Walid, das von den Ghaddafi-loyalen Kräften zur provisorischen Hauptstadt Libyens bis zur Rückeroberung von Tripolis erklärt wurde, seien die Aufständischen vom Gelände des örtlichen Flughafens vertrieben worden. Sprecher der NTC erklärten hingegen am Montag, sie hätten in der Stadt beträchtliche Geländegewinne erzielt. (jW)

* Aus: junge Welt, 12. Oktober 2011


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